Die
Jüngerinnen Jesu
Jesus
von Nazareth lebte in einer Zeit, in der die Männer die Gesellschaft
beherrschten und Frauen rechtlos waren. Nur selten gelang es einer
Frau, sich über die traditionelle Rolle der Ehefrau und Mutter
hinaus zu erheben. Aber das waren ausschließlich Mitglieder von
Herrscherfamilien, wie die ägyptischen Pharaoninnen Hatschepsut und
Kleopatra.
Geistliche
Ämter waren Frauen im Orient generell verwehrt. In einer Epoche, in
der die Religion die bestimmende Kraft im Leben der Menschen war,
schwächte diese Zurückstellung den Wert der Frauen entscheidend.
Jesus
hat entgegen dem Brauch seiner Zeit Männer und Frauen gleichwertig
behandelt. Man könnte jetzt einwenden, dass die 12 Jünger, die ihn
auf seinen Wanderungen in Galiläa begleitet haben, nur Männer
waren. Das stimmt, hat aber eine andere, eine theologische Bedeutung.
Die
Verfasser der biblischen Schriften haben als eines der
Gestaltungselemente, wenn sie Sachverhalte besonders betonen wollten,
heilige Zahlen (7, 12, 40) verwendet. Diese haben die Autoren immer
dann eingesetzt, wenn sie darauf hinweisen wollten, dass Gott
besonders stark in einen Vorgang eingegriffen hat. Heilige Zahlen
haben Symbolcharakter und damit einen tieferen Sinn, der über die
wörtliche Bedeutung hinausgeht.
12
ist die Zahl der Auserwählten: ein Dutzend beruft Gott jeweils für
seine Zwecke aus der Masse heraus. Und hier liegt auch der Ursprung,
warum Jesus 12 Männer als namentlich genannte Jünger um sich
versammelte. Er stellte damit eine Analogie zum Alten Testament her,
um zu zeigen, dass er keine neue Religion begründen, sondern seine
Religion, die jüdische, erneuern will und durch sein Kommen die
Messiasprophezeiung der alttestamentlichen Propheten erfüllt.
Jesus
knüpft an den Ursprung des Gottesvolkes Israel an. Der dritte
Erzvater, Jakob, Enkel Abrahams, Sohn Isaaks, hatte von vier Frauen
12 Söhne, die alle gleichwertig erbberechtigt waren. Diese 12 Söhne
(Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon, Dan, Naftali, Gad,
Asser, Joseph, Benjamin) gründeten Familien, aus denen im
ägyptischen Exil Großfamilien, Clans und letztlich Stämme wurden,
die sich nach der Rückkehr nach Kanaan das Siedlungsgebiet
aufteilten. Gemeinsam bildeten sie das Gottesvolk des alten Bundes,
Israel. Daran schließt Jesus beim letzten Abendmahl an, wenn er mit
seinen 12 Jüngern mit Brot und Wein, die symbolisch für seinen Leib
und sein Blut stehen, den neuen Bund begründet. Aus seinen 12
Jüngern werden nach dem Missionsbefehl die 12 Aposteln, die das neue
Gottesvolk der Christen begründen, das aber keine nationale
Anbindung mehr hat.
Damit
die Parallele des neuen Bundes zum Alten Testament stimmt, mussten
die Jünger 12 Männer sein. Daraus erwächst aber für die
christliche Kirche nicht die Verpflichtung, nur Männern das
geistliche Amt zu erlauben. Denn Jesus hat zu keiner Zeit verlangt,
Frauen davon auszuschließen.
Dass
Jesus eine große Anzahl von Jüngerinnen hatte, wird erst am Ende
seines Lebens deutlich. In allen vier Evangelien wird berichtet, dass
Frauen aus Galiläa, die dort zu seinem Kreis gehört haben, Jesu
Hinrichtung auf Golgatha beiwohnten. Sie beobachteten auch seine
Grablegung durch Josef von Arimathäa und fanden noch vor den
männlichen Jüngern das leere Grab vor und wurden so zu den ersten
Zeugen der Auferstehung Jesu. Sie waren es, die die Männer davon
informierten, dass Jesu Ankündigung seiner leiblichen Auferstehung
von den Toten tatsächlich passiert ist. Und die Jünger glaubten
ihnen. Es ist nichts von einer Geringschätzung gegenüber
„geschwätzigen Weibern“ festzustellen. Das große Erstaunen, ja
Entsetzen über das unglaubliche Geschehen, das ihnen Jesus
angekündigt hat, das sie aber offenbar doch nicht so ganz geglaubt
haben, vereint sie unabhängig vom Geschlecht und schweißt sie zu
einer neuen Gemeinschaft zusammen, wie Lukas in seiner
Apostelgeschichte 1,14 schreibt: die Jünger versammelten sich im
Obergemach des Hauses, in dem sie sich aufzuhalten pflegten: „Diese
alle waren stets beisammen einmütig im Gebet samt den Frauen und
Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.“
Wann
und wie die Frauen nach Jerusalem kamen, erzählen die Evangelisten
nicht. Die Jüngerinnen scheinen nicht beim Einzug in Jerusalem auf,
nahmen nicht am letzten Abendmahl teil und waren auch nicht bei der
Verhaftung Jesu in Gethsemane dabei. Doch während sich die Jünger
nach der Verhaftung Jesu im ersten Schock verbargen, standen die
Frauen weinend unter dem Kreuz und leisteten Jesus in seiner
schwersten Stunde menschlichen Beistand.
Die
vier Evangelisten zählen auch mehrere Namen auf, aber nur einer
stimmt in allen vier Berichten überein: Maria Magdalena bzw. Maria
von Magdala. Sie taucht wie aus dem Nichts auf, denn weder Matthäus
noch Markus noch Johannes haben sie vorher erwähnt. Allein Lukas
schreibt in Kapitel 8,1-3, dass sich dem Rabbi Jesu einige Frauen
angeschlossen haben, die er von bösen Geistern und Krankheiten
gesund gemacht hatte. Darunter ist auch Maria von Magdala. Mehr
erfahren wir über sie nicht, weder über ihren Familienstand noch
ihren Beruf oder ihr Alter.
Aus diesem spärlichen Quellenmaterial
haben kreative Theologen eine Person geschaffen, die einer genauen
exegetischen Untersuchung nicht standhält. Denn nirgends im Neuen
Testament wird Maria von Magdala als Sünderin dargestellt oder gar
als Ehebrecherin.
Der
Vorfall über Letztere, über den Johannes in Kapitel 8,1-11
berichtet, als Schriftgelehrte und Pharisäer zu Jesus eine
Ehebrecherin zum Steinigen brachten, ereignete sich im Tempel von
Jerusalem und nicht in Galiläa. Und Jesus schickte die Frau auch
wieder weg mit der Aufforderung, sie solle nicht mehr sündigen, d.h.
ihre Ehe brechen. Einen Namen hat die Frau nicht.
Eine
Besessene, die Maria Magdalena laut Lukas war, ist auch nicht
zwangsläufig eine Sünderin. Die Verknüpfung von Maria von Magdala
mit der Salbungsszene, als Jesus von einer Frau
ein
Glas mit kostbarem Salböl auf sein Haupt gegossen bekam, findet sich im Neuen Testament nicht und wurde
in späterer Zeit von Theologen künstlich hergestellt.
Nach
Matthäus und Markus fand die Salbung nach Jesu Einzug in Jerusalem
in Betanien im Hause Simons des Aussätzigen statt. Eine namenlose
Frau goss Jesus das Öl über sein Haupt, als Sünderin wird sie
nicht bezeichnet. So nennt sie nur Lukas. Nach ihm fand diese Salbung
noch in Galiläa statt im Haus eines Pharisäers. Bei Johannes ging
die Salbung dem Einzug in Jerusalem unmittelbar voraus und fand statt
in Betanien im Haus seiner Freunde Lazarus, Martha und Maria, die mit
einem Pfund Salböl aus Narde seine Füße salbte und mit ihrem Haar
trocknete.
Drei
Varianten eines Themas, aber in keiner kommt Maria von Magdala vor.
Die
Legende um Maria Magdalena haben in unserer Zeit findige Literaten
noch weitergesponnen und die Jüngerin sogar zur Ehefrau von Jesus
gemacht. Dafür fehlt absolut jeder Beleg. Niemals wurde in den
ersten Jahrhunderten von einer Ehe, die Jesus geschlossen haben soll,
geschrieben: weder im Neuen Testament noch von den christlichen
Theologen der Alten Kirche noch von römischen Intellektuellen, die
gelehrte Abhandlungen gegen die christliche Kirche veröffentlicht
haben.
Ein
weiterer Beweis gegen eine Heirat Jesu, der sogar Kinder entsprungen
sein sollen, ist eine Vorladung des Kaisers Domitian gegen Ende des
1. Jahrhunderts, der unter Verfolgungswahn litt und überall Feinde
und Attentäter sah. Er ließ Großneffen von Jesus aus Palästina
nach Rom bringen, um zu sehen, ob von der Familie des hingerichteten
Hochverräters, dessen Anhänger weiterhin seine Lehre predigten,
Gefahr drohe. Offenbar wirkten sie sehr harmlos, denn der
misstrauische Herrscher schickte sie unbehelligt nach Palästina
zurück. Von Enkeln Jesu steht nichts in den zeitgenössischen
Berichten.
Ein
verheirateter Jesus widerspricht auch der christlichen Lehre von der
Inkarnation, der Menschwerdung Gottes: „Und
das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine
Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom
Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh
1,14) Hätte Gott heiraten sollen, als er sich für wenige
Jahre in Jesus von Nazareth eine menschliche Gestalt gegeben hat?
Der
Evangelist Johannes schreibt, dass sich der auferstandene Jesus am
Ostermorgen Maria von Magdala zu erkennen gab und sie ihn mit
„Rabbuni! Meister!“ angesprochen hat: wie eine Jüngerin ihren
Herrn und nicht wie eine Ehefrau ihren wiedergefundenen Gemahl.
Und
das war sie auch: eine Jüngerin, die sich Jesus aus Dankbarkeit und
Überzeugung angeschlossen hat. Und nicht mehr.
Dass
ihm als Wanderprediger die Jüngerinnen anders dienten als die Jünger
entspricht der Sitte und dem Anstand der damaligen Zeit. Es war
unschicklich, dass Männer und Frauen, die nicht miteinander
verheiratet waren, gemeinsam herumzogen und irgendwo auf dem freien
Feld übernachteten. Jesus hätte als Rabbi bei den Menschen, die
solch eine Lebensweise als anstößig empfunden hätten, keine
Achtung und keine Glaubwürdigkeit gehabt. Der Evangelist Lukas
schreibt, dass die Frauen Jesus dienten, wie es ihnen nach ihrer Lage
möglich war.
Die
traditionelle Rolle der Frau galt auch für die Jüngerinnen, und in
diesem gesellschaftlichen Rahmen haben sie ihrem Rabbi gedient. Sie
haben ihm und seinen Jüngern in ihren Häusern Unterkunft gewährt,
mit ihrem Vermögen unterstützt, frische Kleidung gegeben und mit
Essen versorgt. So wie wir es zum Beispiel von den beiden Schwestern
Martha und Maria erfahren.
Jesus
trennte nicht in „Männerdienst“ und „Frauendienst“, aber man
muss die Umstände der Zeit berücksichtigen, in der Jesus als
Wanderprediger wirkte. Damals lebten Frauen in einer untergeordneten
Position, aber heute gilt das in unserer westlichen Gesellschaft
nicht mehr. Deshalb spricht nichts dagegen, dass Frauen als
Jüngerinnen Jesus in geistlichen Ämtern dienen, wenn sie sich dazu
berufen fühlen.
sehr toll!! ich finde, man sollte die frauen nicht ausschließen, nur weil nicht eindeutig beschriebn wird, dass sie dabei waren- es ist schließlich auch nihct immer nur eindeutig von mänenrn die rede, sondern sie werden einfach angenommen, das sollte man bei frauen auch machen!
AntwortenLöschensehr interessantfand ich das mit den heiligen zahlen, vll kann man das in einem eigenen blog einbauen :)