Samstag, 21. März 2015


Die Jüngerinnen Jesu

Jesus von Nazareth lebte in einer Zeit, in der die Männer die Gesellschaft beherrschten und Frauen rechtlos waren. Nur selten gelang es einer Frau, sich über die traditionelle Rolle der Ehefrau und Mutter hinaus zu erheben. Aber das waren ausschließlich Mitglieder von Herrscherfamilien, wie die ägyptischen Pharaoninnen Hatschepsut und Kleopatra.
Geistliche Ämter waren Frauen im Orient generell verwehrt. In einer Epoche, in der die Religion die bestimmende Kraft im Leben der Menschen war, schwächte diese Zurückstellung den Wert der Frauen entscheidend.

Jesus hat entgegen dem Brauch seiner Zeit Männer und Frauen gleichwertig behandelt. Man könnte jetzt einwenden, dass die 12 Jünger, die ihn auf seinen Wanderungen in Galiläa begleitet haben, nur Männer waren. Das stimmt, hat aber eine andere, eine theologische Bedeutung.
Die Verfasser der biblischen Schriften haben als eines der Gestaltungselemente, wenn sie Sachverhalte besonders betonen wollten, heilige Zahlen (7, 12, 40) verwendet. Diese haben die Autoren immer dann eingesetzt, wenn sie darauf hinweisen wollten, dass Gott besonders stark in einen Vorgang eingegriffen hat. Heilige Zahlen haben Symbolcharakter und damit einen tieferen Sinn, der über die wörtliche Bedeutung hinausgeht.

12 ist die Zahl der Auserwählten: ein Dutzend beruft Gott jeweils für seine Zwecke aus der Masse heraus. Und hier liegt auch der Ursprung, warum Jesus 12 Männer als namentlich genannte Jünger um sich versammelte. Er stellte damit eine Analogie zum Alten Testament her, um zu zeigen, dass er keine neue Religion begründen, sondern seine Religion, die jüdische, erneuern will und durch sein Kommen die Messiasprophezeiung der alttestamentlichen Propheten erfüllt.
Jesus knüpft an den Ursprung des Gottesvolkes Israel an. Der dritte Erzvater, Jakob, Enkel Abrahams, Sohn Isaaks, hatte von vier Frauen 12 Söhne, die alle gleichwertig erbberechtigt waren. Diese 12 Söhne (Ruben, Simeon, Levi, Juda, Issachar, Sebulon, Dan, Naftali, Gad, Asser, Joseph, Benjamin) gründeten Familien, aus denen im ägyptischen Exil Großfamilien, Clans und letztlich Stämme wurden, die sich nach der Rückkehr nach Kanaan das Siedlungsgebiet aufteilten. Gemeinsam bildeten sie das Gottesvolk des alten Bundes, Israel. Daran schließt Jesus beim letzten Abendmahl an, wenn er mit seinen 12 Jüngern mit Brot und Wein, die symbolisch für seinen Leib und sein Blut stehen, den neuen Bund begründet. Aus seinen 12 Jüngern werden nach dem Missionsbefehl die 12 Aposteln, die das neue Gottesvolk der Christen begründen, das aber keine nationale Anbindung mehr hat.
Damit die Parallele des neuen Bundes zum Alten Testament stimmt, mussten die Jünger 12 Männer sein. Daraus erwächst aber für die christliche Kirche nicht die Verpflichtung, nur Männern das geistliche Amt zu erlauben. Denn Jesus hat zu keiner Zeit verlangt, Frauen davon auszuschließen.

Dass Jesus eine große Anzahl von Jüngerinnen hatte, wird erst am Ende seines Lebens deutlich. In allen vier Evangelien wird berichtet, dass Frauen aus Galiläa, die dort zu seinem Kreis gehört haben, Jesu Hinrichtung auf Golgatha beiwohnten. Sie beobachteten auch seine Grablegung durch Josef von Arimathäa und fanden noch vor den männlichen Jüngern das leere Grab vor und wurden so zu den ersten Zeugen der Auferstehung Jesu. Sie waren es, die die Männer davon informierten, dass Jesu Ankündigung seiner leiblichen Auferstehung von den Toten tatsächlich passiert ist. Und die Jünger glaubten ihnen. Es ist nichts von einer Geringschätzung gegenüber „geschwätzigen Weibern“ festzustellen. Das große Erstaunen, ja Entsetzen über das unglaubliche Geschehen, das ihnen Jesus angekündigt hat, das sie aber offenbar doch nicht so ganz geglaubt haben, vereint sie unabhängig vom Geschlecht und schweißt sie zu einer neuen Gemeinschaft zusammen, wie Lukas in seiner Apostelgeschichte 1,14 schreibt: die Jünger versammelten sich im Obergemach des Hauses, in dem sie sich aufzuhalten pflegten: „Diese alle waren stets beisammen einmütig im Gebet samt den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern.“

Wann und wie die Frauen nach Jerusalem kamen, erzählen die Evangelisten nicht. Die Jüngerinnen scheinen nicht beim Einzug in Jerusalem auf, nahmen nicht am letzten Abendmahl teil und waren auch nicht bei der Verhaftung Jesu in Gethsemane dabei. Doch während sich die Jünger nach der Verhaftung Jesu im ersten Schock verbargen, standen die Frauen weinend unter dem Kreuz und leisteten Jesus in seiner schwersten Stunde menschlichen Beistand.
Die vier Evangelisten zählen auch mehrere Namen auf, aber nur einer stimmt in allen vier Berichten überein: Maria Magdalena bzw. Maria von Magdala. Sie taucht wie aus dem Nichts auf, denn weder Matthäus noch Markus noch Johannes haben sie vorher erwähnt. Allein Lukas schreibt in Kapitel 8,1-3, dass sich dem Rabbi Jesu einige Frauen angeschlossen haben, die er von bösen Geistern und Krankheiten gesund gemacht hatte. Darunter ist auch Maria von Magdala. Mehr erfahren wir über sie nicht, weder über ihren Familienstand noch ihren Beruf oder ihr Alter. 
 
Aus diesem spärlichen Quellenmaterial haben kreative Theologen eine Person geschaffen, die einer genauen exegetischen Untersuchung nicht standhält. Denn nirgends im Neuen Testament wird Maria von Magdala als Sünderin dargestellt oder gar als Ehebrecherin.
Der Vorfall über Letztere, über den Johannes in Kapitel 8,1-11 berichtet, als Schriftgelehrte und Pharisäer zu Jesus eine Ehebrecherin zum Steinigen brachten, ereignete sich im Tempel von Jerusalem und nicht in Galiläa. Und Jesus schickte die Frau auch wieder weg mit der Aufforderung, sie solle nicht mehr sündigen, d.h. ihre Ehe brechen. Einen Namen hat die Frau nicht.

Eine Besessene, die Maria Magdalena laut Lukas war, ist auch nicht zwangsläufig eine Sünderin. Die Verknüpfung von Maria von Magdala mit der Salbungsszene, als Jesus von einer Frau ein Glas mit kostbarem Salböl auf sein Haupt gegossen bekam, findet sich im Neuen Testament nicht und wurde in späterer Zeit von Theologen künstlich hergestellt.
Nach Matthäus und Markus fand die Salbung nach Jesu Einzug in Jerusalem in Betanien im Hause Simons des Aussätzigen statt. Eine namenlose Frau goss Jesus das Öl über sein Haupt, als Sünderin wird sie nicht bezeichnet. So nennt sie nur Lukas. Nach ihm fand diese Salbung noch in Galiläa statt im Haus eines Pharisäers. Bei Johannes ging die Salbung dem Einzug in Jerusalem unmittelbar voraus und fand statt in Betanien im Haus seiner Freunde Lazarus, Martha und Maria, die mit einem Pfund Salböl aus Narde seine Füße salbte und mit ihrem Haar trocknete.
Drei Varianten eines Themas, aber in keiner kommt Maria von Magdala vor.

Die Legende um Maria Magdalena haben in unserer Zeit findige Literaten noch weitergesponnen und die Jüngerin sogar zur Ehefrau von Jesus gemacht. Dafür fehlt absolut jeder Beleg. Niemals wurde in den ersten Jahrhunderten von einer Ehe, die Jesus geschlossen haben soll, geschrieben: weder im Neuen Testament noch von den christlichen Theologen der Alten Kirche noch von römischen Intellektuellen, die gelehrte Abhandlungen gegen die christliche Kirche veröffentlicht haben.
Ein weiterer Beweis gegen eine Heirat Jesu, der sogar Kinder entsprungen sein sollen, ist eine Vorladung des Kaisers Domitian gegen Ende des 1. Jahrhunderts, der unter Verfolgungswahn litt und überall Feinde und Attentäter sah. Er ließ Großneffen von Jesus aus Palästina nach Rom bringen, um zu sehen, ob von der Familie des hingerichteten Hochverräters, dessen Anhänger weiterhin seine Lehre predigten, Gefahr drohe. Offenbar wirkten sie sehr harmlos, denn der misstrauische Herrscher schickte sie unbehelligt nach Palästina zurück. Von Enkeln Jesu steht nichts in den zeitgenössischen Berichten.
Ein verheirateter Jesus widerspricht auch der christlichen Lehre von der Inkarnation, der Menschwerdung Gottes: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Joh 1,14) Hätte Gott heiraten sollen, als er sich für wenige Jahre in Jesus von Nazareth eine menschliche Gestalt gegeben hat?
Der Evangelist Johannes schreibt, dass sich der auferstandene Jesus am Ostermorgen Maria von Magdala zu erkennen gab und sie ihn mit „Rabbuni! Meister!“ angesprochen hat: wie eine Jüngerin ihren Herrn und nicht wie eine Ehefrau ihren wiedergefundenen Gemahl.
Und das war sie auch: eine Jüngerin, die sich Jesus aus Dankbarkeit und Überzeugung angeschlossen hat. Und nicht mehr.

Dass ihm als Wanderprediger die Jüngerinnen anders dienten als die Jünger entspricht der Sitte und dem Anstand der damaligen Zeit. Es war unschicklich, dass Männer und Frauen, die nicht miteinander verheiratet waren, gemeinsam herumzogen und irgendwo auf dem freien Feld übernachteten. Jesus hätte als Rabbi bei den Menschen, die solch eine Lebensweise als anstößig empfunden hätten, keine Achtung und keine Glaubwürdigkeit gehabt. Der Evangelist Lukas schreibt, dass die Frauen Jesus dienten, wie es ihnen nach ihrer Lage möglich war.
Die traditionelle Rolle der Frau galt auch für die Jüngerinnen, und in diesem gesellschaftlichen Rahmen haben sie ihrem Rabbi gedient. Sie haben ihm und seinen Jüngern in ihren Häusern Unterkunft gewährt, mit ihrem Vermögen unterstützt, frische Kleidung gegeben und mit Essen versorgt. So wie wir es zum Beispiel von den beiden Schwestern Martha und Maria erfahren. 



Jesus trennte nicht in „Männerdienst“ und „Frauendienst“, aber man muss die Umstände der Zeit berücksichtigen, in der Jesus als Wanderprediger wirkte. Damals lebten Frauen in einer untergeordneten Position, aber heute gilt das in unserer westlichen Gesellschaft nicht mehr. Deshalb spricht nichts dagegen, dass Frauen als Jüngerinnen Jesus in geistlichen Ämtern dienen, wenn sie sich dazu berufen fühlen.

1 Kommentar:

  1. sehr toll!! ich finde, man sollte die frauen nicht ausschließen, nur weil nicht eindeutig beschriebn wird, dass sie dabei waren- es ist schließlich auch nihct immer nur eindeutig von mänenrn die rede, sondern sie werden einfach angenommen, das sollte man bei frauen auch machen!
    sehr interessantfand ich das mit den heiligen zahlen, vll kann man das in einem eigenen blog einbauen :)

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