Der
Rangstreit der Jünger
Das Ziel von Jesus war eine Glaubensgemeinschaft, in der die Menschen einander mit
Rücksicht und Verständnis begegnen: „Das
ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch
liebe.“
(Johannes 15,12) Wie es funktionieren kann, hat er auf seinen
Wanderungen in Galiläa vorgezeigt.
Dem
Rabbi aus Nazareth war jeder willkommen: Männer und Frauen, Alte und
Junge, Reiche und Arme, Gesunde und Kranke. Er setzte sich auch über
gesellschaftliche Ausgrenzungen hinweg und hielt Tischgemeinschaft
mit den verachteten Zöllnern und hatte keine Berührungsängste mit
Aussätzigen. Für Jesus war jeder, der zu ihm kam, gleich viel wert.
Aber er wartete nicht nur darauf, dass sich Menschen an ihn wandten,
sondern ging auch oft auf jene zu, die offensichtlich seine Hilfe
brauchten. Vorurteile und Überheblichkeit kannte Jesus nicht.
Jesus
ist für uns Christen der Maßstab unseres Handelns und unser
Vorbild, dem es gilt nachzueifern. Dabei ist klar: die Latte liegt
hoch! Wie schwierig es tatsächlich ist, zeigt uns das Verhalten
seiner Jünger, die doch den Rabbi Tag für Tag auf seinen
Wanderungen begleiteten. Sie erlebten live mit, wie Jesus im
Gemeinschaftsleben starre Regeln und kultische Normen durch
bedingungslose Nächstenliebe ersetzte, und wieviel Gutes er damit
bewirkte. Es muss für Jesus deshalb eine herbe Enttäuschung gewesen
sein, als er bemerkte, dass seine Jünger um Vorrangstellungen
innerhalb ihrer Gruppe konkurrierten.
Sie
waren auf dem Rückweg nach Kapernaum, um einige Ruhetage einzulegen.
Als sie daheim (wahrscheinlich im Haus des Petrus) angekommen waren,
fragte Jesus die Jünger zu ihrer Überraschung: „Was
habt ihr auf dem Weg verhandelt?“
(Markus 9,33b) Die Männer antworteten nicht, sondern schwiegen
beschämt. Offenbar war Jesus ein Stück entfernt von ihnen gegangen,
und sie hatten sich unbeobachtet geglaubt. Durch die Frage von Jesus
aber sahen
sie sich bei einem Vergehen ertappt, „denn
sie hatten auf dem Weg miteinander verhandelt, wer der Größte sei.“
(Markus 9,34) Damit verstießen sie gegen die Lehre Jesu von der
Gleichwertigkeit
aller Menschen. Der Rabbi warnte sie vor den Folgen ihres
Konkurrenzkampfes: „Und
er setzte sich und rief die Zwölf und sprach zu ihnen: Wenn jemand
will der Erste sein, der soll der letzte sein von allen und sein
Diener.“
(Markus 9,35) Damit erteilte Jesus jeder Wichtigtuerei und
Überheblichkeit eine klare Absage: „Denn
wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst
erniedrigt, der wird erhöht.“
(Matthäus 23,12) Denn Gott
wird die Reihung umdrehen. Demut
statt Selbstgerechtigkeit ist die Richtschnur für christliches
Leben.
Die
Zebedäusbrüder haben scheinbar nicht richtig hingehört, als Jesus
erklärte, dass er von Über- und Unterordnung nichts halte.
Denn eines Tages gingen Jakobus und Johannes zu Jesus und verlangten
besondere Privilegien: „Gib, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner
Linken in deiner Herrlichkeit im Reich Gottes.“
(Markus 10,37)
Jesus wies ihr Ansinnen zurück und belehrte sie
nochmals über das Wesen von christlichem Leben: „Ihr
wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre
Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht;
sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein;
und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.
Denn auch der Messias ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“
(Markus 10,42-45)
Warum
ist es so vielen Menschen wichtig, andere zu übertrumpfen? Aus Neid,
Eifersucht, Ehrgeiz? Kain brachte seinen Bruder Abel sogar um, weil
er sich zurückgesetzt fühlte. Und Petrus meinte, als der
Auferstandene seinen
Jüngern
am See Genezareth erschien, er müsse sich Sorgen machen, dass ein
anderer Jünger eine größere Aufgabe von Jesus zugeteilt bekomme
als er: „Herr,
was wird mit diesem?“
(Johannes 21,21b) Aber Jesus hatte nach wie vor kein Verständnis für
den Wunsch nach Bevorzugungen: „Was
geht es dich an? Folge du mir nach!“
(Johannes 21,22b) Jeder Christ hat seine spezielle Aufgabe, und jede
ist gleich wichtig für das Funktionieren der christlichen
Gemeinschaft.
Nach
dem
Evangelium
gibt
es keine wichtigen und unwichtigen Gemeindemitglieder – und auch
keine geheiligten und wichtigsten. Der Verfasser des Epheserbriefes
formuliert
deutlich das Wesen der Nachfolge Jesu:
„Seid
darauf bedacht, zu wahren die Einigkeit im Geist durch das Band des
Friedens: ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen seid zu einer
Hoffnung eurer Berufung; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe; ein Gott
und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“
(Epheser 4,3-6)
Die Einigkeit im Glauben und die Gleichwertigkeit im
Zusammenleben sind die Stärken
des Christentums – werden sie durch Ehrgeizlinge, Ideologen und
Wichtigtuer gebrochen, wird auch das Fundament, das Jesus gelegt hat,
zerstört. Dann tritt für das Gebäude der christlichen Kirche das
ein,
was Jesus am Ende seiner Bergpredigt prophezeit hat: „Wer
diese meine Rede hört und tut sie nicht, gleicht einem törichten
Menschen, der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel
und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus,
da fiel es ein, und sein Fall war groß.“
(Matthäus 7,26.27)
es ist so wahr!
AntwortenLöschenein sehr schöner text mit vielen tollen stellen, die einen berühren! danke!