Samstag, 28. Januar 2017


Jesus Christus – Begründer einer neuen Weltordnung
in Religion und Gesellschaft

Es war eine Zeit apokalyptischer Unruhe, als Jesus geboren wurde. Im Judentum erwartete man das Ende der Zeit in nächster Zukunft, eingeläutet vom Erscheinen des Messias. An seinem sichtbaren Kommen würde man den Anbruch des Reiches Gottes erkennen. Deshalb hielten die Juden Ausschau nach Vorzeichen für seine Ankunft. Es stand viel auf dem Spiel: denn die messianische Endzeiterwartung versprach Hoffnung auf Gottes ewiges Heil.

Im Buch Daniel, der jüngsten Schrift des Alten Testaments, wird eine visionäre Gestalt am Ende der Zeiten als Richter und Retter angekündigt: „und siehe, es kommt einer mit den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn.“ (Daniel 7,13)
Was man von diesem endzeitlichen Menschensohn, als den sich Jesus auch wiederholt bezeichnet hat, erwarten kann, beschreibt der Prophet Jesaja: „Er wird um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja 53,5)
Beide Gestalten hat Jesus auf sich bezogen und in seinen Predigten auch darauf hingewiesen, aber im palästinischen Judentum hatte man andere Vorstellungen vom Messias: man wollte einen Befreier von der heidnischen römischen Besatzungsmacht und nicht von der Sünde. Das schaffte man auch alleine, wenn man sich streng an die Gebote der Tora, der fünf Bücher Mose, hielt.

Und das ist dann der Punkt, an dem sich Jesus im Judentum letztendlich nicht durchsetzen konnte und der ihm zum Verhängnis wurde. Jesu Auftreten als Wanderprediger war ein Protest gegen die jüdische Gesetzesfrömmigkeit. Er lehnte die Tora, wie sie die Pharisäer lehrten, ab und verkündete das auch öffentlich in Galiläa. Für Jesus war ein Eingehen in das Reich Gottes am Ende der Zeit ohne Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft undenkbar. Grundlage einer Gesetzesreligion dagegen ist das Schema von Leistung und Lohn: wenn ein Mensch nur streng auf äußere Erfüllung der Gebote achtet, steht ihm die Tür zum Reich Gottes offen.
 
Dagegen predigte Jesus, nicht gegen die Tora selbst.

In der jüdischen Religion war die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk ein Rechtsverhältnis, die Gesetze der fünf Bücher Mose das Maß aller Dinge. Die strenge jüdische Gesetzesfrömmigkeit (insbesondere Reinheitsgebote und Sabbatheiligung) setzte sich aber erst nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil durch, als das Volk Israel noch kein eigenes Königreich hatte und sich ein neues religiöses Selbstverständnis geben musste.
Durch immer neue Anforderungen in Politik und Familie musste das Gesetz Mose durch die Geistlichen ständig neu ausgelegt und verfeinert werden, bis ein ganzes Netzwerk von Geboten und Verboten entstand. Das Gesetz, das den Menschen in ihrem Verhältnis zu Gott Halt geben sollte, regulierte zur Zeit Jesu unerbittlich den gesamten Alltag. Es war zum drückenden Joch geworden, in dem der Einzelne mit seinen Schwächen keinen Spielraum mehr hatte.

Jesus prangerte in seinen Reden an, dass von den Pharisäern der Buchstabe des Gesetzes über die Liebe zum Nächsten gestellt wird und Gott das so nicht gewollte habe, als er Moses auf dem Sinai die beiden Gesetzestafeln übergeben hat. Nach Jesu Verständnis spiegelt die Tora die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen wider, und er lehrte, dass somit nur die Nächstenliebe die rechte Erfüllung des Gesetzes ist.
Und Jesus schreckte auch nicht davor zurück, die Pharisäer auf den Schwachpunkt ihrer Leistungsreligion aufmerksam zu machen: Wann hat ein Mensch vor Gott je genug getan?
Dass die Geistlichen überzeugt davon waren, ihr Soll zu erfüllen, war sich Jesus bewusst. Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner verurteilte er in scharfer Form die Selbstgerechtigkeit der Geistlichen, die sich auf der sicheren Seite wähnten: „Der Pharisäer stand für sich im Tempel und betete so: Ich danke dir Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“ (Lukas 18,11.12) Im Gegensatz dazu flüsterte der Zöllner nur demütig: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18,13) Und doch war es sein Gebet, das Gott angenommen hat, mahnte Jesus: „Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“ (Lukas 18,14)

Jesu Ziel war es, den Glauben an Gott von einem Gesetzeszwang zu befreien, der den Menschen unter Leistungsdruck setzte und keine Barmherzigkeit mehr zuließ. In diesem Zusammenhang lehnte er sämtliche Reinheitsgebote der Tora ab und befreite dadurch die Menschen von der dauernden Angst, sich zu verunreinigen und immer neue Entsühnungrituale durchführen zu müssen.

Überhaupt zeigte Jesus kaum Interesse an Ritus und Kult. Er hat nie Opfer im Tempel dargebracht, hielt kultische Gebote vorsätzlich nicht ein, weil, wie er meinte, sie ihn nicht näher zu Gott bringen würden. Jesus verweigerte rituelle Handlungen in einer Zeit, in der sowohl in den polytheistischen Religionen als auch im jüdischen Glauben Tempeldienst und Altaropferungen das Fundament jeder Frömmigkeit waren.

Jesus ging im „Gottes-Dienst“ ganz andere Wege. Er gründete einen „Neuen Bund“, der die freie Gnade Gottes an die Stelle der zwanghaften Gesetzesfrömmigkeit und Opferdienste setzte.
Und er ging noch einen Schritt weiter und brach im Hinblick auf das Reich Gottes mit einer weiteren gesellschaftlichen Norm: Jesus lehrte die Gleichberechtigung aller Menschen vor Gott.
Das erregte in einer Zeit, in der die Vorherrschaft der Männer, die völlige Rechtslosigkeit der Frauen und die Sklaverei das Leben der Menschen bestimmten, Aufsehen und Widerspruch. Aber Jesus ließ sich nicht beirren. Er rief den Leuten zu: jeder hat das gleiche Recht und die gleiche Chance, in das Himmelreich zu gelangen, es kommt nur auf den Glauben an, nicht auf die Herkunft der Gläubigen.

Jesus ging mit allen Menschen offen und vorurteilslos um. 
Er machte keine Standes- und Geschlechterunterschiede. Jesu Verhalten Frauen gegenüber war ein Bruch mit den gesellschaftlichen Normen jener Zeit, weil er die Frauen an Recht und Würde den Männern gleich stellte. Er behandelte sie als Partnerinnen.
Entsprechend der Lehre ihres Herrn saßen in den Versammlungen der urchristlichen Gemeinden alle zusammen und aßen alle gemeinsam: Männer und Frauen, Reiche und Arme, Freie und Sklaven, Alte und Junge. Entscheidend war, dass sie durch die Taufe zur „heiligen Schar der Endzeit“ gehörten. Und auch als sich die Institution Kirche herausbildete, gab es in den christlichen Gotteshäusern nie eigene Bereiche für Frauen irgendwo weit hinten versteckt.

Jesu Predigten gefährdeten die religiöse und soziale Ordnung, die die Geistlichkeit unter Berufung auf die Tora errichtet hatte. Der Messias aus Nazareth stellte die Legitimität der Pharisäer und Schriftgelehrten aber gerade durch den Vorwurf in Frage, dass sie den Willen Gottes, in der Tora niedergeschrieben, falsch verkündeten. Diese Provokation bezahlte Jesus mit seinem Leben.
Es war abzusehen, dass die so massiv angegriffenen Geistlichen nicht tatenlos zusehen würden, wie ein in ihren Augen unbedeutender Wanderprediger sie beim Volk diskreditierte. Die Pharisäer und Schriftgelehrten waren schon in Galiläa gegen Jesus misstrauisch. Als er dann auch noch in Jerusalem, dem religiösen Zentrum der Juden, seine Stimme im Tempel gegen sie erhob, entschieden sie, den Störenfried zu beseitigen.

Doch das Kreuz bedeutete nicht das Ende der Jesusbewegung, sondern es wurde durch Jesu Auferstehung zum Heilszeichen für das entstehende Christentum. Das Kreuz begann die Welt zu verändern, weil sich immer mehr Leute von den Aposteln taufen ließen und nach der gesetzesfreien Lehre Jesu Christi lebten. Denn als sich die jüdische Bevölkerung in Palästina mehrheitlich der neuen Religion verweigerte, verließen die christlichen Missionare ihre Heimat und brachten das Evangelium zu den Heiden.

Aber man darf die von Jesus geforderte Gesetzesfreiheit nicht so verstehen, dass Jesus Anarchie gepredigt habe nach dem Motto: Jeder kann tun was er nur will, Hauptsache er ist nett. Im Gegenteil sind seine Forderungen schwer zu halten, weil sie sich an unsere Gesinnung und Gefühle richten. Es ist aus menschlicher Sicht leichter, nach dem alttestamentlichen Prinzip Auge-um-Auge Vergeltung zu üben als nach dem neutestamentlichen Evangelium Vergebung zu erteilen. Wir müssen zugeben, dass es uns mit Befriedigung erfüllt, es jemandem heimzuzahlen, der uns gekränkt oder großes Leid zugefügt hat. Jesus weiß das, und trotzdem verlangt er von uns ein Umdenken:„Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Johannes 13,15)

Das Gesellschaftsmodell, das Jesus vorgelebt hat, ist auf Nächstenliebe und Nachsicht aufgebaut. Aber es ist nicht allein auf ein humanes Leben auf der Erde ausgerichtet, sondern hat das Eingehen in das Reich Gottes zum Ziel. Deshalb hat Jesus von Nazareth, der von den Propheten verheißene Messias, uns den Schlüssel in die Hand gegeben, der allein die Tür zum Paradies öffnet: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist. Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet . Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.“ (Lukas 6,36.37)

1 Kommentar:

  1. sehr interessant und regt zum nachdenken an, um sich die Worte von Jesus immer wieder bewusts zu machen :)

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