Jesus Christus
– Begründer einer neuen Weltordnung
in Religion
und Gesellschaft
Es war
eine Zeit apokalyptischer Unruhe, als Jesus geboren wurde. Im
Judentum erwartete man das Ende der Zeit in nächster Zukunft,
eingeläutet vom Erscheinen des Messias. An seinem sichtbaren Kommen
würde man den Anbruch des Reiches Gottes erkennen. Deshalb hielten
die Juden Ausschau nach Vorzeichen für seine Ankunft. Es stand viel
auf dem Spiel: denn die messianische Endzeiterwartung versprach
Hoffnung auf Gottes ewiges Heil.
Im
Buch Daniel, der jüngsten Schrift des Alten Testaments, wird eine
visionäre Gestalt am Ende der Zeiten als Richter und Retter
angekündigt: „und siehe, es kommt einer mit
den Wolken des Himmels wie eines Menschen Sohn.“ (Daniel
7,13)
Was
man von diesem endzeitlichen Menschensohn, als den sich Jesus auch
wiederholt bezeichnet hat, erwarten kann, beschreibt der Prophet
Jesaja: „Er wird um unserer Missetat willen
verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Die Strafe liegt
auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind
wir geheilt.“ (Jesaja
53,5)
Beide
Gestalten hat Jesus auf sich bezogen und in seinen Predigten auch
darauf hingewiesen, aber im palästinischen Judentum hatte man
andere Vorstellungen vom Messias: man wollte einen Befreier von der
heidnischen römischen Besatzungsmacht und nicht von der Sünde. Das
schaffte man auch alleine, wenn man sich streng an die Gebote der
Tora, der fünf Bücher Mose, hielt.
Und
das ist dann der Punkt, an dem sich Jesus im Judentum letztendlich
nicht durchsetzen konnte und der ihm zum Verhängnis wurde. Jesu
Auftreten als Wanderprediger war ein Protest gegen die jüdische
Gesetzesfrömmigkeit. Er lehnte die Tora, wie sie die Pharisäer
lehrten, ab und verkündete das auch öffentlich in Galiläa. Für
Jesus war ein Eingehen in das Reich Gottes am Ende der Zeit ohne
Nächstenliebe, Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft undenkbar.
Grundlage einer Gesetzesreligion dagegen ist das Schema von Leistung
und Lohn: wenn ein Mensch nur streng auf äußere Erfüllung der
Gebote achtet, steht ihm die Tür zum Reich Gottes offen.
Dagegen
predigte Jesus, nicht gegen die Tora selbst.
In der
jüdischen Religion war die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk
ein Rechtsverhältnis, die Gesetze der fünf Bücher Mose das Maß
aller Dinge. Die strenge jüdische Gesetzesfrömmigkeit (insbesondere
Reinheitsgebote und Sabbatheiligung) setzte sich aber
erst nach der Rückkehr aus dem babylonischen Exil durch, als das
Volk Israel noch kein eigenes Königreich hatte und sich ein neues
religiöses Selbstverständnis geben musste.
Durch
immer neue Anforderungen in Politik und Familie musste das Gesetz
Mose durch die Geistlichen ständig neu ausgelegt und verfeinert
werden, bis ein ganzes Netzwerk von Geboten und Verboten entstand.
Das Gesetz, das den Menschen in ihrem Verhältnis zu Gott Halt geben
sollte, regulierte zur Zeit Jesu unerbittlich den gesamten Alltag. Es
war zum drückenden Joch geworden, in dem der Einzelne mit seinen
Schwächen keinen Spielraum mehr hatte.
Jesus
prangerte in seinen Reden an, dass von den Pharisäern der Buchstabe
des Gesetzes über die Liebe zum Nächsten gestellt wird und Gott das
so nicht gewollte habe, als er Moses auf dem Sinai die beiden
Gesetzestafeln übergeben hat. Nach Jesu Verständnis spiegelt die
Tora die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen
wider, und er lehrte, dass somit nur die Nächstenliebe die rechte
Erfüllung des Gesetzes ist.
Und
Jesus schreckte auch nicht davor zurück, die Pharisäer auf den
Schwachpunkt ihrer Leistungsreligion aufmerksam zu machen: Wann
hat ein Mensch vor Gott je genug getan?
Dass
die Geistlichen überzeugt davon waren, ihr Soll zu erfüllen, war
sich Jesus bewusst. Im Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner
verurteilte er in scharfer Form die Selbstgerechtigkeit der
Geistlichen, die sich auf der sicheren Seite wähnten: „Der
Pharisäer stand für sich im Tempel und betete so: Ich danke dir
Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger,
Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der
Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“
(Lukas 18,11.12) Im
Gegensatz dazu flüsterte der Zöllner nur demütig: „Gott,
sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas
18,13) Und doch war es sein Gebet, das Gott angenommen hat,
mahnte Jesus: „Denn wer sich selbst erhöht,
der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird
erhöht werden.“ (Lukas
18,14)
Jesu
Ziel war es, den Glauben an Gott von einem Gesetzeszwang zu befreien,
der den Menschen unter Leistungsdruck setzte und keine Barmherzigkeit
mehr zuließ. In diesem Zusammenhang lehnte er sämtliche
Reinheitsgebote der Tora ab und befreite dadurch die Menschen
von der dauernden Angst, sich zu verunreinigen und immer neue
Entsühnungrituale durchführen zu müssen.
Überhaupt
zeigte Jesus kaum Interesse an Ritus und Kult. Er hat nie Opfer im
Tempel dargebracht, hielt kultische Gebote vorsätzlich nicht ein,
weil, wie er meinte, sie ihn nicht näher zu Gott bringen würden.
Jesus verweigerte rituelle Handlungen in einer Zeit, in der sowohl in
den polytheistischen Religionen als auch im jüdischen Glauben
Tempeldienst und Altaropferungen das Fundament jeder Frömmigkeit
waren.
Jesus
ging im „Gottes-Dienst“ ganz andere Wege. Er gründete
einen „Neuen Bund“, der die freie Gnade Gottes an die
Stelle der zwanghaften Gesetzesfrömmigkeit und Opferdienste setzte.
Und er
ging noch einen Schritt weiter und brach im Hinblick auf das Reich
Gottes mit einer weiteren gesellschaftlichen Norm: Jesus lehrte die
Gleichberechtigung aller Menschen vor Gott.
Das
erregte in einer Zeit, in der die Vorherrschaft der Männer, die
völlige Rechtslosigkeit der Frauen und die Sklaverei das Leben der
Menschen bestimmten, Aufsehen und Widerspruch. Aber Jesus ließ sich
nicht beirren. Er rief den Leuten zu: jeder hat das gleiche Recht und
die gleiche Chance, in das Himmelreich zu gelangen, es kommt nur auf
den Glauben an, nicht auf die Herkunft der Gläubigen.
Jesus
ging mit allen Menschen offen und vorurteilslos um.
Er machte keine
Standes- und Geschlechterunterschiede. Jesu Verhalten Frauen
gegenüber war ein Bruch mit den gesellschaftlichen Normen jener
Zeit, weil er die Frauen an Recht und Würde den Männern gleich
stellte. Er behandelte sie als Partnerinnen.
Entsprechend
der Lehre ihres Herrn saßen in den Versammlungen der urchristlichen
Gemeinden alle zusammen und aßen alle gemeinsam: Männer und Frauen,
Reiche und Arme, Freie und Sklaven, Alte und Junge. Entscheidend
war, dass sie durch die Taufe zur „heiligen Schar der
Endzeit“ gehörten. Und auch als sich die Institution Kirche
herausbildete, gab es in den christlichen Gotteshäusern nie eigene
Bereiche für Frauen irgendwo weit hinten versteckt.
Jesu
Predigten gefährdeten die religiöse und soziale Ordnung, die die
Geistlichkeit unter Berufung auf die Tora errichtet hatte. Der
Messias aus Nazareth stellte die Legitimität der Pharisäer und
Schriftgelehrten aber gerade durch den Vorwurf in Frage, dass sie den
Willen Gottes, in der Tora niedergeschrieben, falsch verkündeten.
Diese Provokation bezahlte Jesus mit seinem Leben.
Es war
abzusehen, dass die so massiv angegriffenen Geistlichen nicht
tatenlos zusehen würden, wie ein in ihren Augen unbedeutender
Wanderprediger sie beim Volk diskreditierte. Die Pharisäer und
Schriftgelehrten waren schon in Galiläa gegen Jesus misstrauisch.
Als er dann auch noch in Jerusalem, dem religiösen Zentrum der
Juden, seine Stimme im Tempel gegen sie erhob, entschieden sie, den
Störenfried zu beseitigen.
Doch
das Kreuz bedeutete nicht das Ende der Jesusbewegung, sondern es
wurde durch Jesu Auferstehung zum Heilszeichen für das
entstehende Christentum. Das Kreuz begann die Welt zu verändern,
weil sich immer mehr Leute von den Aposteln taufen ließen und nach
der gesetzesfreien Lehre Jesu Christi lebten. Denn als sich die
jüdische Bevölkerung in Palästina mehrheitlich der neuen Religion
verweigerte, verließen die christlichen Missionare ihre Heimat und
brachten das Evangelium zu den Heiden.
Aber
man darf die von Jesus geforderte Gesetzesfreiheit nicht so
verstehen, dass Jesus Anarchie gepredigt habe nach dem Motto: Jeder
kann tun was er nur will, Hauptsache er ist nett. Im Gegenteil sind
seine Forderungen schwer zu halten, weil sie sich an unsere Gesinnung
und Gefühle richten. Es ist aus menschlicher Sicht leichter, nach
dem alttestamentlichen Prinzip Auge-um-Auge Vergeltung zu üben als
nach dem neutestamentlichen Evangelium Vergebung zu erteilen. Wir
müssen zugeben, dass es uns mit Befriedigung erfüllt, es jemandem
heimzuzahlen, der uns gekränkt oder großes Leid zugefügt hat.
Jesus weiß das, und trotzdem verlangt er von uns ein Umdenken:„Ein
Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan
habe.“ (Johannes 13,15)
Das
Gesellschaftsmodell, das Jesus vorgelebt hat, ist auf Nächstenliebe
und Nachsicht aufgebaut. Aber es ist nicht allein auf ein humanes
Leben auf der Erde ausgerichtet, sondern hat das Eingehen in das
Reich Gottes zum Ziel. Deshalb hat Jesus von Nazareth, der von den
Propheten verheißene Messias, uns den Schlüssel in die Hand
gegeben, der allein die Tür zum Paradies öffnet: „Seid
barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist. Und richtet
nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet . Verdammt nicht, so werdet
ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.“ (Lukas
6,36.37)
sehr interessant und regt zum nachdenken an, um sich die Worte von Jesus immer wieder bewusts zu machen :)
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