Sonntag, 17. Dezember 2017


Die Poesie des christlichen Glaubens

Lasst das Wort Christi reichlich 
unter euch wohnen:
lehrt und ermahnt einander 
in aller Weisheit.
Mit Psalmen, Lobgesängen und 
geistlichen Liedern
singt Gott dankbar 
in euren Herzen.“
(Kolosser 3,16)

 
Eine Religion, der keine verbindlichen Bekenntnisse zugrunde liegen, kann auch keinen fundierten Glauben anbieten. Wenn Glaubenssätze fehlen, verkommt die religiöse Überzeugung zu einem Supermarkt der frommen Angebote, in dem sich Konsumenten nach eigenen Wünschen und Vorteilen bedienen können. Das ist dann aber kein Gottes-Dienst, sondern Menschen-Dienst, weil man sich seinen eigenen Himmel erschafft.

Gott zu verstehen ist eine Sache, ihm zu dienen eine andere. Es kommt darauf an, welche Wesensart die Gottheit hat, die man verehrt. Im christlichen Glauben steht die Liebe Gottes zu seinen Geschöpfen im Mittelpunkt, deshalb reicht das strikte Befolgen von Regeln und Geboten nicht, weil es Barmherzigkeit, Vergebung und Nachsicht nicht im Programm hat. Paulus verkündete das Wesen des christlichen Gottes: „Den Gott aber der Geduld und des Trostes gebe ich euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.“ (Römerbrief 15,5.6)

Und wie könnte man das Gefühl der Liebe besser ausdrücken und Gott loben und preisen als in Gebeten und Liedern? Poesie als Ausdruck tiefer Religiosität nimmt in der Bibel sehr viel Platz ein. In zahlreichen Liedern, Gedichten und Hymnen stimmen Gläubige einen Lobpreis auf Gott an, dem sie sich in allem anvertrauen.

Der berühmteste lyrische Text der Bibel ist der Psalter im Alten Testament. 150 Lieder und Gebete zeigen die ganze Bandbreite des Lebens der Israeliten vor Gott: Dank, Not, Lob, Probleme des einzelnen und des ganzen Volkes – Bedürfnisse und Empfindungen, die nicht an Aktualität in unserer Zeit verloren haben. Ein Beispiel etwa ist der Psalm 33, der ein Loblied auf Gottes Allmacht verkündet: „Freuet euch des Herrn, ihr Gerechten; die Frommen sollen ihn recht preisen. Danket dem Herrn mit Harfen; lobsinget ihm zum Psalter von zehn Saiten! Singet ihm ein neues Lied; spielt schön auf den Saiten mit fröhlichem Schall!“ (Psalm 33,1-3

Traditionell werden die Psalmen König David zugeschrieben, und einige sind auch von ihm, aber nicht alle. Obwohl die meisten Verfasser anonym bleiben, steht fest, dass es fromme Leute waren, die ein tiefes Vertrauensverhältnis zu Gott hatten: „Nach dir, Herr, verlangt mich. Mein Gott, ich hoffe auf dich; lass mich nicht zuschanden werden, dass meine Feinde nicht frohlocken über mich.“ (Psalm 25,1.2)
Dass dem bedeutendsten jüdischen König die Psalmen zugeschrieben werden, kommt nicht von ungefähr. Es wird im ersten Samuel-Buch berichtet, dass David mit seinem Harfenspiel den betrübten König Saul beruhigte. 

Viele Jahrhunderte später tat es David ein anderer frommer Mann gleich. Der große Reformator Martin Luther griff zur Laute, wenn er von traurigen Gedanken beherrscht wurde. Luther liebte Musik und erkannte die grandiose Wirkung von Kirchenmusik, die die Gottesdienstbesucher mitsangen, um Gott die Ehre zu erweisen. Luther schrieb selbst zahlreiche Kirchenlieder. 
Und als Gläubiger, der sehr gerne die Psalmen las, hat mit seinem Ein feste Burg ist unser Gott“ (inspiriert von Psalm 46) im Jahre 1529 einen Lobpreis Gottes geschaffen, der bis heute als Hymne auf Gottes unerschöpfliche Liebe gesungen wird. „Ein feste Burg ist unser Gott, ein gute Wehr und Waffen. Er hilft uns frei aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen.“

Ein weiteres Buch aus dem Alten Testament besteht ausschließlich aus lyrischen Texten: das Hohelied Salomo, eine Sammlung von Liebes- und Hochzeitsliedern. Diese Schrift wird König Salomo (dem jüngsten Sohn und Erben von König David) zugeordnet, weil er als ganz besonders weise galt: „Und Gott gab Salomo sehr große Weisheit und Verstand und einen Geist. So weit, wie Sand am Ufer des Meeres liegt.“ (1 Könige 5,9) Der König nützte diese Gabe aber nicht nur zum Regieren: „Und er dichtete 3000 Sprüche und 1005 Lieder. Er dichtete von den Bäumen, von der Zeder an auf dem Libanon bis zum Ysop, der aus der Wand wächst. Auch dichtete er von den Tieren des Landes, von Vögeln, vom Gewürm und von Fischen.“ (1 Könige 5,12.13

Und angesichts seines umfangreichen Harems von „700 Hauptfrauen und 300 Nebenfrauen“ (1 Könige 11,3) ist es nicht verwunderlich, dass ihm das Hohelied mit seinen zärtlichen Liebeserklärungen zugeschrieben wurde: „Du bist gewachsen wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Zyperblumen mit Narden.“ (Hohelied 4,13)
Doch das Hohelied beinhaltet auch Verse, die die Liebe allgemein rühmen: So dass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können. Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so könnte das alles nicht genügen.“ (Hohelied 8,7) Und das Hohelied der Liebe stimmte im Neuen Testament auch der Apostel Paulus an: „Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib verbrennen, und hätte die Liebe nicht, so wäre mir‘s nichts nütze.“ (1 Korinther 13,3)

In den ersten drei Jahrhunderten hatten die Christen im Römischen Reich kein leichtes Leben. Zunehmend standen ihnen die Herrscher feindselig gegenüber, ließen sie verhaften und töten. Mit den ersten systematischen Christenverfolgungen begann Kaiser Decius (249-251). Er erließ 250 n.Chr. die Verordnung zum allgemeinen Opferzwang unter Androhung der Todesstrafe. Die Christen als Anhänger des Monotheismus weigerten sich, vor einem vergöttlichten Kaiser ein Opfer darzubringen. Die Folge waren Massenhinrichtungen im Kolloseum vor einer johlenden Zuschauermenge. Aber zum Erstaunen der Römer flehten die Christen nicht um ihr Leben.
Sie gingen singend in den Tod. Sie starben mit einem Lobpreis auf ihren Lippen und legten damit Zeugnis ab für den einen einzigen Gott, wie Jesus es gefordert hatte: „Wer nun mich bekennt vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater.“ (Matthäus 10,32)
 
Im Mittelalter änderte sich die Stellung der christlichen Kirche radikal. Sie prägte jetzt die Gesellschaft, die Kunst und die Kultur. Jede Sparte im Leben der Menschen war auf das Evangelium ausgerichtet.
Auch die Literatur setzte es sich zum Ziel, Gott zu preisen. Zu den bedeutendsten Werken gehören die Schriften von Frau Ava, der ersten namentlich bekannten Dichterin in deutscher Sprache um 1130. Sie war verheiratet und hatte mehrere Kinder. Dann entschied sie sich für das Leben als Klausnerin des Stiftes Göttweig, um in der selbstgewählten frommen Einsamkeit Bibeldichtungen von großer Innigkeit zu verfassen. In ihrem Epos „Das Jüngste Gericht“ zeichnet sie ein Bild vom christlichen Gott, dem wir auch im 21. Jahrhundert zustimmen können: „Liebevoll begegnet Gott allen seinen Kindern. Dann sind alle Mühen vorbei, dann singen wir auf zweifache Weise Halleluja, den Freudengesang; wir sagen Gott vielfältigen Dank. Wir lobpreisen die Herrlichkeit Gottes mit Leib und Seele.

Und wie preist man Gott im Schatten des blutigen Dreißigjährigen Krieges, der zwischen 1618-1648 das Heilige Römische Reich verwüstet und fast zwei Dritteln der Bevölkerung das Leben gekostet hat? Paul Gerhardt, evangelischer Pfarrer, gab die Antwort in rund 130 Kirchenliedern, in denen er daran erinnerte, dass uns Gott auch in finsteren irdischen Zeiten Liebe und Geborgenheit bietet. Gerhardt stellte trotz aller Bedrängnisse nie seinen Glauben an einen liebenden Gott, der uns durch Jesus Christus die Erlösung zugesagt hat, in Frage.
In einem seiner berühmtesten Liedern erinnerte er daran, dass auch Jesus durch das Leid gehen musste, bevor er zum Messias, zum Erlöser, werden konnte. Und wenn wir am Karfreitag im Gottesdienst Gerhardts „O Haupt voll Blut und Wunden“ singen, begreifen wir, dass Christsein kein Honigschlecken ist. Das hat Jesus auch nie versprochen: „Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Matthäus 16,24) Die Lieder von Paul Gerhardt rufen uns zur innig-dankbaren Liebe zu Jesus Christus auf, auch wenn wir uns in einer bedrohlichen Lage befinden.

Das gilt auch für die Gegenwart. Denn einerseits ist das Christentum bedroht durch blutige Verfolgungen und andererseits durch das Desinteresse am Evangelium und an der Person Jesu Christi. Wie soll in dieser gegensätzlichen Situation ein Lobpreis aussehen?
Weihnachten steht vor der Tür, und damit die Gelegenheit ein christliches Fest zu feiern, das alle Getauften in der Welt vereint. Einen passenden Lobpreis, den wir gemeinsam anstimmen können, finden wir im Kirchengesangsbuch. Nikolaus Herman schrieb Mitte des 16. Jahrhunderts ein Weihnachtslied, das uns Christen im Glauben vereint:

Lobt Gott ihr Christen alle gleich,
in seinem höchsten Thron,
der heut schließt auf sein Himmelreich
und schenkt uns seinen Sohn.“

1 Kommentar:

  1. ein wunderschönes thema, denn über die Psalme ansich denke ich nie so nach. Es ist toll, sich mal genauer darüber gedanken zu machen :D

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