Sonntag, 25. Februar 2018


Die Salbung Jesu in Betanien


Jesus hatte mit seinen Jüngern Galiläa verlassen und wanderte mit ihnen durch Samaria nach Jerusalem. Dort angelangt verbrachte er noch einige Tage in der heiligen Stadt und predigte im Tempel, bevor sich seine Mission am Karfreitag erfüllen sollte. Zwei Tage vor dem Passafest ging Jesus mit seinen Jüngern in das benachbarte Betanien, weil sie in das Haus von Simon, dem Aussätzigen, zum Essen eingeladen waren.

Der Hinweis auf die Krankheit des Gastgebers lässt den Schluss zu, dass es ein Mann war, den Jesus geheilt hatte. Denn wäre die Krankheit noch immer akut, dürfte Simon nicht in der Dorfgemeinschaft leben. Aussätzige wurden aus Angst vor Ansteckung abgesondert. Der Evangelist Lukas berichtet (17,11-19), dass Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem zehn Aussätzige geheilt hat. Vielleicht war Simon, der ihn jetzt in seinem Haus bewirtete, einer von ihnen.

Die Männer saßen gemeinsam am Tisch und ließen sich das leckere Mahl schmecken. Plötzlich betrat eine Frau, deren Name nicht genannt wird, das Haus und wandte sich Jesus zu: „Da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt.“ (Markus 14,3) Jesus ließ es geschehen, aber bei den Jüngern löste das Vorgehen der Frau große Empörung aus: „Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als 300 Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben.“ (Markus 14,4.5) Die Jünger fuhren die Frau grob an. Sie waren überzeugt davon, dem Willen ihres Meisters zu entsprechen. Doch zu ihrer Überraschung war dem nicht so. Jesus ergriff Partei für die Frau und wies seine Jünger zurecht: „Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan!“ (Markus 14,6) Das verstanden die Jünger jetzt gar nicht. Da hatte ihr Rabbi immer gepredigt, man müsse den Bedürftigen helfen, seinen Besitz mit den Mittellosen teilen und drohte den Reichen sogar damit, dass sie nicht ins Reich Gottes kommen würden. Und jetzt befürwortete er, dass eine Frau so einen Haufen Geld beim Fenster hinaus warf, um ihm, Jesus, ihre Wertschätzung zu erweisen.

Judas Ischariot schien das „widersprüchliche“ Verhalten seines Meisters besonders verstört zu haben, denn er ging nach diesem Essen zu den Hohepriestern: „Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Und sie boten ihm 30 Silberlinge. Und von da an suchte er eine Gelegenheit, dass er Jesus verriete.“ (Matthäus 26,15.16
Judas gab sich mit einem Zehntel dessen zufrieden, was die Salbe gekostet hatte: wollte er damit auf die in seinen Augen ungeheuerliche Verschwendung hinweisen, die er so heftig verurteilte und die ihn zum Bruch mit Jesus verleitete? Hatte er seinen Meister im Verdacht, mit zweierlei Maß zu messen und sich Privilegien herauszunehmen?

Diesen Verdacht hatten die anderen Elf nicht. Sie verstanden ihren Meister zwar nicht, aber sie hörten seiner Erklärung zu und blieben: „Denn Arme habt ihr allezeit bei euch, mich aber habt ihr nicht allezeit. Dass sie das Öl auf meinen Leib gegossen hat, das hat sie für mein Begräbnis getan.“ (Matthäus 26,11.12) Mit dieser neuerlichen Leidensankündigung konnten die Jünger allerdings genauso wenig anfangen wie schon zuvor in Galiläa, aber ungeachtet dessen vertrauten sie ihrem Meister auch weiterhin. Schließlich hatten sie auch in Galiläa nicht alles, was Jesus gepredigt und getan hatte, nachvollziehen können. Aber sie hatten gesehen, dass es stets zum Guten führte. Und ganz klar wollten die Jünger nichts von einem Sterben Jesu in naher Zukunft hören. Ihre panikartige Flucht nach der Verhaftung von Jesus beweist, dass sie tatsächlich nicht mit dem gewaltsamen Ende ihres Rabbis gerechnet hatten.

Aber anders als für Judas Ischariot war die Begebenheit im Hause von Simon dem Aussätzigen für die restlichen elf Jünger kein Grund, mit ihrem Meister zu brechen. Die Männer aus Galiläa hatten sich einst Jesus von Nazareth angeschlossen, weil sie von seiner Person beeindruckt waren. Sie begleiteten ihn auf seinen Wanderungen und verinnerlichten seine Lehre vom liebenden Gott, für den Nächstenliebe wichtiger ist als Opferungen. Sie bemühten sich, die moralischen Werte, die ihr Meister predigte, umzusetzen.
Aber im Laufe der Zeit verschwand für die Jünger die Person Jesu hinter seinem Werk. Jesus wurde als Rabbi für die Jünger so selbstverständlich, dass es ihnen nicht mehr in den Sinn kam, ihm ihre Zuneigung und ihre Wertschätzung zu zeigen. Das tat die Frau, als sie Jesus mit dem teuren Salböl ehrte. Sie wollte ihm persönlich dafür danken, dass er ihrem Leben einen neuen Sinn gegeben hatte (in welcher Weise wissen wir nicht). Das hatten die Jünger schon sehr lange nicht mehr getan.

Wir Christen heute verhalten uns wie die Jünger damals. Jesus ist zwar der Gründer unserer Glaubensgemeinschaft, aber er gerät zunehmend in den Hintergrund. Die Kirchen erwähnen Jesus in Predigten und öffentlichen Aktionen immer seltener und machen ihn so zu einer Randerscheinung. Deshalb verliert Jesus als Messias für immer mehr Christen an Bedeutung. Sie vergessen ihn einfach.

Aber eine christliche Kirche, die Jesus Christus nicht mehr als Mittelpunkt hat, ist zum Untergang verurteilt. Die Botschaft, die die Begebenheit aus Betanien an uns richtet, macht das deutlich: wenn man Jesus vergisst, wendet man sich vom Evangelium ab. Denn finanzielle Freigiebigkeit kann den Glauben an den Messias nicht ersetzen. Die Jünger, mit Ausnahme von Judas Ischariot, haben das begriffen und in der Mission den Menschen den Glauben an den Messias gebracht. Und daraus haben sich nach ihrer Taufe die neuen moralischen Werte in ihrer Lebensführung ergeben – nicht umgekehrt.

Einmal fragten Jesus die Menschen in Galiläa „Was sollen wir tun, dass wir Gottes Werke wirken?“ (Johannes 6,28) Und Jesus antwortete ihnen: „Das ist Gottes Werk, dass ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ (Johannes 6,28) Und das muss unverändert auch die Leitlinie für uns Christen heute sein.

1 Kommentar:

  1. Sehr interessant. Es ist sicher nicht immer leicht Jesus/Gott zu verstehen, aber ich denke, das ist auch in Ordnung. Wir verstehen nicht immer alles.

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