Pontius
Pilatus, der „unschuldige“ Henker ?
Den
Evangelien zufolge haben die höchsten jüdischen Geistlichen Jesus
vor dem Statthalter des 'Aufruhrs gegen Rom' angeklagt. Das war ein
Verbrechen, das mit der Kreuzigung bestraft wurde. Die Unterschrift
unter das Todesurteil setzte der römische Statthalter Pontius
Pilatus. Als Repräsentant der Besatzungsmacht unterstand ihm allein
die Blutgerichtsbarkeit.
Obwohl
Jesus ohne die Letztentscheidung des Präfektors nicht hätte
hingerichtet werden können, stellen die Evangelisten
den Statthalter als jemanden dar, der von der Unschuld Jesu überzeugt
war und ihn unfreiwillig ans Kreuz nageln ließ. Pontius Pilatus habe
sogar versucht, den Rabbi aus Galiläa zu retten,
indem er, einem religiösen Brauch folgend, dem Volk die Auswahl
zwischen zwei Angeklagten ließ: dem Verbrecher Barabas und dem
Prediger Jesus. Doch die aufbrachte Menge schrie: „Hinweg
mit diesem, gib uns Barabbas los!“
(Lukas
23,18)
Und anstatt Rückrat zu beweisen (wie es einem Politiker in einer
Leitungsfunktion zustehen würde), knickte der Statthalter ein: „Und
Pilatus urteilte, dass ihre Bitte erfüllt werde, und ließ den los,
der wegen Aufruhr und Mordes ins Gefängnis geworfen war, um welchen
sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.“
(Lukas
23,24.25)
Und um zu beweisen, dass er
sich von Priesterschaft und Volk zum Todesurteil gegen Jesus wider
besseres Wissen genötigt fühlte, „nahm
er Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin
unschuldig an seinem Blut, seht ihr zu!“
(Matthäus
27,24b) Aber war
er wirklich dazu gezwungen worden, einen Unschuldigen in den Tod zu
schicken? Hatte der mächtige Statthalter, der Legionen befehligen
konnte, wirklich keine Wahl?
Die
Evangelisten verweisen auf den Heilsplan Gottes, den Pilatus – wenn
auch ohne ihn zu kennen - mit seiner Unterschrift erfüllte. Aber
spricht ihn das von seiner persönlichen Schuld am Tod eines
unschuldigen Menschen frei?
Rufen
wir uns die Worte Jesu in Erinnerung, die er beim letzten Abendmahl
zu dem Verräter Judas Ischariot sagte: „Der
Messias geht zwar dahin, wie von ihm geschrieben steht; doch weh dem
Menschen, durch den der Messias verraten wird! Es wäre für diesen
Menschen besser, wenn er nie geboren wäre!“ (Matthäus
26,24) Durch seinen Verrat hat sich Judas Ischariot
mitschuldig gemacht am Tod seines Meisters, und dafür würde er laut
Jesus zur Verantwortung gezogen werden. Aber warum sollte Jesu
Drohung nicht auch für den Präfekten gelten, der durch seine
Unterschrift den Messias definitiv in den Tod schickte? Der Heilsplan
Gottes rettet den Verräter Judas Ischariot nicht – könnte denn
etwas für die Rettung des Statthalters sprechen?
Eher
nicht, meint der Evangelist Johannes und deckt schonungslos die
Zwangslage, in der sich Pontius Pilatus selbstverschuldet befunden
und die zu seinem Fehlurteil geführt hatte, auf. Seine ungeschickte
Amtsführung im Umgang mit der jüdischen Religion hatte ihn
erpressbar gemacht. Er hatte im Umgang mit den jüdischen Gläubigen
kein Fingerspitzengefühl bewiesen und eine angespannte Situation
provoziert. Seine Respektlosigkeit gegenüber dem jüdischen
Monotheismus rächte sich jetzt. Als er sich gegen die
Instrumentalisierung durch die jüdische Geistlichkeit wehren wollte,
drohte ihm das aufgebrachte Volk: „Wenn
du Jesus frei läßt, bist du kein Freund des Kaisers!“
(Johannes
19,12) Das ist
der Schlüssel zur Erklärung seines Schuldspruchs. Pilatus sah seine
Karriere bedroht und hatte Angst, seinen einträglichen Posten zu
verlieren. Er wusste, dass er seiner wichtigsten Aufgabe, für ein
ruhiges Palästina zu sorgen, nur sehr mangelhaft nachgekommen war
und damit Roms Interessen verletzt hatte.
Palästina
war ein heikles Statthaltertum. Eigentlich war es nur eine
untergeordnete Dienststelle, denn der wichtige und Pilatus
übergeordnete Statthalter war der in Syrien mit einer großen
Militärstreitmacht. Palästina war für die Römer aber strategisch
wichtig als Landbrücke zwischen Syrien und Ägypten, der Kornkammer
des Imperiums. Wenn im Land am Nil Aufstände ausbrachen, mussten die
Generäle in der Lage sein, schnell ihre Truppen aus Damaskus nach
Ägypten zu verlegen. Dafür waren sie auf ein befriedetes Palästina
angewiesen. Das heikle Problem in diesem schmalen Landstreifen war
die monotheistische Religion der Juden mit ihrem strengen
Bilderverbot.
Damit
hatte der Statthalter, Anhänger einer Religion mit vielen Göttern und deren bildlichen Darstellungen, von Anfang an ein
Problem. Gleich nach seinem Amtsantritt verletzte Pontius Pilatus
rücksichtslos die religiösen Gefühle der Juden. In der
Feldzeichenaffäre ließ er die Standarten mit dem Bild des Kaisers,
die seit Augustus nach ihrem Tod vergöttlicht wurden, durch
Jerusalem tragen und in der Festung Antonia aufstellen. Dadurch
schändete er den Tempel, denn die Festung war an die Tempelmauer
angebaut und dadurch ein Teil des Heiligtums. Massiver gewaltloser
Protest der Bevölkerung zwang ihn zum Nachgeben, und er ließ die
Standarten widerwillig entfernen. Die Beziehung zwischen Präfekt und
Volk blieb aber feindselig.
Pontius
Pilatus war der fünfte Statthalter in Judäa, seine Amtszeit dauerte
ungefähr zehn Jahre von 26/27 bis 36/37. Er rückte ins grelle Licht
der Geschichte, weil er in seiner Funktion als Präfekt den Rabbi
Jesus von Nazareth zum Tode am Kreuz verurteilte. Das an sich wäre
noch kein historisches Ereignis gewesen, denn erstens waren
Hinrichtungen auch in diesem Winkel des Römischen Reiches an der
Tagesordnung, und zweitens war Jesus als Wanderprediger über die
Grenzen Palästinas hinaus unbekannt. Pilatus erlangte seine
geschichtliche Bedeutung erst, als sich nach der Auferstehung Jesu
eine Religion herausbildete, die die kaiserliche Gewalt nicht
unterdrücken konnte.
Über
sein Leben vor und nach der Zeit als Präfekt
von Judäa sind keine zuverlässigen biographischen Daten von
Pontius Pilatus vorhanden.
Seine Herkunft liegt im Dunklen. Der Zeitpunkt seiner Geburt ist
unbekannt. Aus welcher Gegend Italiens er kommt, kann nicht gesagt
werden. Seinen Vornamen weiß man nicht; der Geschlechtername Pontius
ist sehr häufig und lässt keine genauen Anhaltspunkte zu. Der
Beiname Pilatus ist in seiner Bedeutung nicht klar.
Der
Hinweis im Matthäusevangelium auf seine Ehefrau ist nichts
Herausragendes: Singles waren damals äußerst selten. Weitere Fakten
sind auch von dieser Frau nicht bekannt: weder weiß man ihren Namen
noch ob sie sich tatsächlich dem Christentum angeschlossen hat.
Das
einzig gesicherte historische Faktum ist seine Präfektur in Judäa.
Sein Aufenthalt in Palästina lässt sich archäologisch durch die
Pilatus-Inschrift in Caesarea Maritima nachweisen, diese ist zudem
der einzige zeitgenössische Beleg für seine Existenz. Bei
Ausgrabungen italienischer Archäologen 1961 im ehemaligen Theater
von Cäesarea fand man einen Widmungsstein von Pontius Pilatus in der
Größe von 82 x 68 x 20 cm, auf dem Name und Amtstitel „Praefectus
Iudaeae“ klar zu identifizieren waren. Heute befindet sich der
Stein im Israel-Museum in Jerusalem.
Sein
Einlenken im Prozess Jesu rettete Pontius Pilatus nur vorübergehend.
Einige Jahre später sollte ihm eine andere Fehlentscheidung zum
Verhängnis werden. Im Sommer 36 führte ein Priester eine größere
Gruppe von Samaritanern auf ihren heiligen Berg Garizim, um ihnen
Gegenstände aus der Stiftshütte zu zeigen, die Moses dort angeblich
vergraben hatte. Pontius Pilatus hielt es für einen Aufstand gegen
Rom, weil die teilnehmenden Männer einem Brauch entsprechend Waffen
mit sich trugen. Übereilt gab der Präfekt den Befehl, die
vermeintliche Revolte blutig niederzuschlagen. Viele Aufständische,
auch vornehme, wurden hingerichtet. Das ließ sich aber der Hohe Rat
der Samaritaner nicht gefallen und verklagte ihn beim syrischen
Statthalter Lucius Vitellius.
Dieser
schenkte den Beschwerden Glauben und enthob Pontius Pilatus daraufhin
wegen unverhältnismäßiger Gewaltanwendung seines Amtes. Es wurden
ihm weiters auch Bestechlichkeit und andere gewalttätige Übergriffe
vorgeworfen. Pontius Pilatus musste nach Rom zurückkehren, um sich
vor Kaiser Tiberius zu verantworten. Als er 37 in Italien ankam, war
aber ein Regierungswechsel im Gange. Kaiser Tiberius war gestorben
und sein Großneffe Caligula bestieg als neuer Hoffnungsträger den
Thron. Wie es mit Pontius Pilatus weiterging, ist durch historische
Belege nicht nachweisbar. Wurde er nach Gallien verbannt, wie einige
Gerüchte behaupten? Oder beging er Selbstmord, wie der Kirchenlehrer
Euseb verkündete?
Das
Leben des Pontius Pilatus nach seiner Statthalterschaft liegt genauso
im Dunklen wie das davor. Und hätte nicht einer seiner Deliquenten
eine Weltreligion begründet, wäre sein Name völlig in
Vergessenheit geraten. Er war letztendlich nur einer von vielen
tausenden Beamten im Römischen Reich, die die Macht des Imperiums
absicherten und jederzeit bereit waren, für die Vorherrschaft Roms
Gewalt anzuwenden.
So
bleibt am Schluss nur noch die Frage zu klären, ob Pontius Pilatus
ein „Opfer“ des Heilsplans Gottes wurde und deshalb nicht für
sein vorsätzliches Fehlurteil zur Verantwortung gezogen werden kann.
Ein Unschuldiger war er wohl kaum, denn jemand, der schwer bewaffnete
Legionen hinter sich weiß, kann nicht als wehrlos angesehen werden.
Und es ist unwahrscheinlich, dass der Kaiser ihn dafür bestraft
hätte, dass er einen Mann freilässt, von dem nachweislich keine
Bedrohung für die römische Besatzungsmacht ausgegangen ist. Mit
seiner Aussage „Gebt dem Kaiser, was des
Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist!“ (Matthäus
22,21) machte Jesus seine unpolitische Position deutlich.
Die
Evangelisten lassen den Statthalter deshalb so gut wegkommen, weil
sie betonen wollen, dass die Auseinandersetzung um den Wanderprediger
Jesus von Nazareth ein innerjüdischer Konflikt zwischen diesem und
der Geistlichkeit um unterschiedliche Auffassungen von der Tora ist.
Deshalb weisen die Evangelisten die alleinige Schuld den Priestern
und Pharisären zu und lassen Pontius Pilatus lediglich als
ängstlichen Schwächling dastehen.
Der
Heilsplan Gottes verlangte den Opfertod Jesu am Kreuz, damit wir
Sünder durch sein Blut reingewaschen und mit unserem Schöpfer
versöhnt werden. Zur Umsetzung nötig war ein römischer
Statthalter, der die Macht und den Willen hatte, ein politisches Todesurteil
gegen einen unpolitischen Rabbi zu unterschreiben. Es kam nicht auf
die besondere Person des Pilatus an, sondern auf das
allgemeine Amt des Präfekten. Bei Aufrührern gingen die Römer
grundsätzlich gnadenlos vor, so hätte wohl jeder andere
Statthalter auch – vielleicht bedenkenloser als Pilatus - das
Todesurteil gegen Jesus unterschrieben.
Immerhin
blieb Pontius Pilatus ein welthistorischer Nachruhm als
„unschuldiger“ Henker, auch wenn er tatsächlich so unschuldig
nicht war. So wenig wie Judas Ischariot, der sich für seinen Verrat
vor Gott verantworten muss. Beide hatten die Wahl, nein zu sagen.
es ist sehr interessant, mal mehr von ihm zu hören. Er war sicher auch in seiner Zeit, wo er sich auf andere Dinge konzentroerte und nicht auf Gottes Sohn, kann ich mr denken
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