Wie hat Jesus Christus ausgesehen?
Gleich
im Voraus: wir wissen es nicht. Jesus hat uns keinen Einblick in sein
persönliches Leben gewährt. Der Mann „Jesus, Sohn Josephs aus
Nazareth“ verschwindet hinter der Gestalt des „Messias“,
der in Galiläa als Wanderprediger den Auftrag Gottes ausführte. Es
gibt keine einzige Beschreibung seines Aussehens. Seine Kindheit und
Jugend liegen im Dunklen. Sie werden in den Evangelien des Matthäus
und Lukas nur soweit genannt, als die beiden es für den Nachweis,
dass Jesus der prophezeite Messias ist, für nötig erachteten. Diese
Notwendigkeit konnten die Evangelisten Markus und Johannes nicht
erkennen und haben deshalb mit ihren Berichten erst beim erwachsenen
Jesus angefangen.
Traditionell
wird Jesus als großer, schlanker Mann mit langen, schwarzen Haaren
und mit einem schwarzen Vollbart in einem gut geschnittenen, hübschen
Gesicht dargestellt. Als Kleidungsstück trägt er einen bodenlangen,
ganzteiligen Rock mit Ärmeln. Dieses Bild entspricht der damaligen
Männermode und wird verbunden mit dem Schlankheitsideal unserer
Zeit.
Vielleicht
entspricht der historische Jesus von Nazareth dieser Beschreibung,
vielleicht auch nur in Ansätzen, vielleicht aber auch gar nicht.
Doch ganz offensichtlich hat er nicht als „Modeltyp“ Anklang bei
den Menschen gefunden, sondern wegen seiner Ausstrahlung als Sohn
Gottes. Das schließt natürlich nicht aus, dass Jesus ein
attraktiver Mann war. Aber sein Aussehen hat für seinen Erfolg bei
den Menschen keine Rolle gespielt, sondern sein Charisma. Er hat
durch seine Predigten und durch seine Nächstenliebe die Zuhörer
überzeugt. Wäre dem nicht so gewesen, hätten die Evangelisten,
deren Absicht es war, Leben und Wirken Jesu als Botschaft der
göttlichen Erlösung zu verkünden, seinen Körperbau nicht
unerwähnt lassen. Doch sie wollten ein Glaubensbuch schreiben und
keine Biographie, deshalb haben sie alles weggelassen, was für
dieses Ziel unbedeutend war.
Und
auch in den Briefen finden sich keine persönlichen Angaben zum
Menschen Jesus von Nazareth. Das Neue Testament stellt Jesus Christus
und seine Aktivitäten als Gottesgeschichte dar und nicht als
Lebensgeschichte einer bedeutenden geschichtlichen Persönlichkeit.
Was
wissen wir also über den Menschen Jesus? Er lebte einen normalen
Alltag und lehnte jede asketische Lebensweise ab. Er feierte Feste
und Gastmähler, hielt sogar Tischgemeinschaft mit kultisch Unreinen.
Jesus predigte an unterschiedlichen Orten in Galiläa und berief
Menschen in seine Nachfolge. Er unterschied sich in seinem Auftreten
von dem anderer Lehrer und Geistlicher, wie der Evangelist Matthäus
betont: „Und es geschah, als Jesus diese
Worte vollendet hatte, da erstaunten die Volksmengen sehr über seine
Lehre; denn er lehrte sie wie einer der Vollmacht hat und nicht wie
ihre Schriftgelehrten.“ (Matthäus
7,28.29) Und aus diesem Grund scharte sich die Menge um ihn
und glaubte seiner Botschaft vom Reich Gottes.
Wenn
also das Aussehen von Jesus für seine Zeitgenossen, die ihm in
Massen zuströmten, keine Bedeutung hatte, warum ist es dann uns
heute so wichtig? Die Antwort lautet: weil Jesus immer mehr
„vermenschlicht“ und auf sein soziales Wirken reduziert wird. Das
beginnt damit, dass immer weniger Christen an die leibliche
Auferstehung glauben. Damit fällt Jesu göttliche Seite weg, und er
wird zur reinen geschichtlichen
Person
Jesus,
Sohn Josephs aus Nazareth: Biographie statt göttlicher Mission.
Das
Bemühen, das Aussehen Jesu doch zu erfahren, treibt seltsame Blüten.
Gegen alle Vernunft und Wissenschaft will man wissen, wie
Jesus ausgesehen hat und greift dafür nach jedem Strohhalm. Der
berühmteste ist natürlich das Grabtuch von Turin, das den
Körperabdruck des toten Jesus mit einem gut sichtbaren Gesicht
zeigen soll.
Eine
Radiokarbon-Analyse hatte 1988 ergeben, dass es sich um eine
mittelalterliche Fälschung handelt. Viele Forscher, die dem
römischen Katholizismus oder christlichen
Fundamentalistengruppen nahe stehen, wollen diese Tatsache nicht
akzeptieren und versuchen, doch noch „Beweise“ für die Echtheit
zu entdecken. Da werden aramäische Zeichen und Pollen „gefunden“
und irgendwelche Manuskripte von Edessa „ausgegraben“.
Und
doch helfen alle diese „Beweise“ nicht, um das Leichentuch von
Turin für echt zu erklären. Es kann aufgrund der religiösen
Tradition des Judentums unmöglich echt sein. Die Jünger, die auch
nach der Auferstehung Jesu ihrem jüdischen Glauben anhingen, gingen
laut Apostelgeschichte nach Pfingsten weiterhin in den Tempel: „Und
sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel“
(Apostelgeschichte 2,46a).
Das
durften aber nur kultisch Reine. Im 19. Kapitel des 4. Buch Mose
werden genaue Vorschriften bezüglich der Verunreinigung durch
Leichen und den erforderlichen Reinigungsritualen gegeben. In Vers 13
wird sehr drastisch formuliert: „Wenn aber
jemand irgendeinen toten Menschen anrührt und sich nicht entsündigen
will, so macht er die Wohnung des Herrn unrein, und solch ein Mensch
soll ausgerottet werden aus Israel. Weil das Reinigungswasser nicht
über ihn gesprengt ist, ist er unrein; seine Unreinheit bleibt an
ihm.“ Demnach hätte der Besitz des Grabtuches Jesu, weil es
um einen Toten gewickelt war, seine Jünger kultisch unrein
gemacht und ihnen den Zutritt zum Tempel verwehrt, und sie wären das
auch geblieben, denn von Entsündigungsritualen wird in der
Apostelgeschichte nichts berichtet.
Darüber
hinaus entsprach es nicht jüdischem Brauch, Reliquien zu
sammeln. Ein Leichentuch mit dem Gesichtsabdruck darauf hätte auch
dem strengen Bilderverbot der Tora widersprochen. Und als letzter,
aber besonders wichtiger Grund bleibt noch anzuführen, dass die
Jünger die Rückkehr von Jesus und den Anbruch des Reiches Gottes zu
ihren Lebzeiten erwarteten: also warum hätten sie gegen ihre
Religion verstoßen und ein verunreinigendes Leichentuch als
Erinnerungsstück an jemanden, der bald zurückkommt, behalten sollen?
Auch
wenn es schwer zu akzeptieren ist, so steht fest, dass das Aussehen
Jesu für uns im Dunklen bleibt. Was aber sichtbar ist für uns, ist
die Faszination, die von ihm ausging und die die Menschen in
Palästina für ihn einnahm. Und die die Menschen auch in den
nächsten zwei Jahrtausenden nicht los ließ. Doch in unserer Zeit
scheint es damit vorbei zu sein: kein Gesicht, keine Interesse? Oder
gilt nach wie vor, was der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt:
„Jesus
Christus ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit.“
(Hebräerbrief
13,8 )
Nichts
spricht dagegen, sich von Neuem auf den Messias
Jesus einzulassen und sich nicht mit dem sozial engagierten
Menschen aus Nazareth zu begnügen. Doch wo können wir Jesus
Christus, dem Heiland und Erlöser der Welt, 2000 Jahre nach den
Ereignissen in Palästina begegnen?
Das
ist einfach zu beantworten: wir brauchen nur das Neue Testament
aufzuschlagen und zu lesen beginnen. Dann werden wir einen
revolutionären Prediger kennenlernen, der keine Scheu hatte, mit
religiösen Tabus zu brechen, um die Menschen zurück zu Gott zu
führen. Und wenn seine Ausstrahlung als Sohn Gottes uns für ihn
gewinnt und in seine Nachfolge führt, kann es uns egal sein, wie
Jesus ausgesehen hat.
eine spannende Frage, aber ich denke auch, dass der Mensch immer etwas braucht zum Vorstellen, allerdings ist es nicht in erster Linie wichtig, wie Jesus ausgehen hat, sondern, wie er war :)
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