Freitag, 3. April 2015

Sühneopfer und Auferstehung

Das Darbringen von Opfergaben ist ein religiöses Kultelement, das immer mit Frömmigkeit verbunden ist und auch heute noch in vielen, vor allem polytheistischen Religionen, praktiziert wird. Es erfolgt entweder im Rahmen ritueller Zeremonien oder in einem persönlichen Akt des einzelnen. Durch das Opfer tritt man in Beziehung mit der sonst unerreichbaren Gottheit und verbindet damit unterschiedliche Anliegen.
Die Voraussetzungen sind seit dem Altertum die gleichen geblieben. Menschen fürchten seit jeher ihre Gottheit und wollen sie besänftigen oder unheilvolle Schicksalsschläge abwenden. Sie bringen Dankopfer dar, um der Gottheit oder den Göttern für Wohltaten zu danken und neue Gnade zu erbitten. Die Arten der Opfergaben sind so vielfaltig wie ihre Gründe: meist lassen Tiere ihr Leben, möglich sind auch Früchte und duftende Kräuter, die verbrannt werden. In manchen alten Kulturen wurden auf dem Altar auch Menschen geopfert.

Das Sühneopfer Jesu

In der christlichen Theologie war das Darbringen von Opfergaben noch nie vorgesehen. Denn obwohl das Schlachten von Tieren am Altar Gottes in der jüdischen Religion einen zentralen Stellenwert einnahm, hatte Jesus, der jüdische Rabbi aus Galiläa, während seiner Zeit als Wanderprediger nie Opferungen empfohlen und selbst auch nie im Tempel Opfer dargebracht.
Im Christentum hat nur ein einziger Opfervorgang stattgefunden, und durch dieses eine Mal wurden generell Opfer überflüssig. Das Sühneopfer, das Jesus am Kreuz geleistet hat, konnte nicht mehr überboten werden.

Bei Jesu Sühneopfer wird der Schuldige durch ein Opfer ersetzt, das ein großes Vergehen sühnt, eine als unverzeihlich angesehene Sünde, die jemand anderer begangen hat. Es ist das Opfer des leidenden Gerechten, des Unschuldigen, der willentlich eine unverdiente Züchtigung auf sich nimmt, damit sein Tod die Schuldigen rettet. Das Blut des unschuldigen Opfers, das Jesus am Kreuz vergossen hat, erlöst uns sündige Menschen von unserer unverzeihlichen Schuld, der Sünde, die wir vor Gott auf uns geladen haben. Jesu Blut eröffnet uns den Weg zur Vergebung Gottes.
Christus leistete Stellvertretung: er ist für uns gestorben. Sein vollkommenes Opfer bringt den Menschen das Heil, d.h. die Erlösung von Tod und Verdammnis. Jesus nahm die Bestrafung auf sich, die die Menschen verdient haben. 

Jesus Christus ist das Heil für alle Menschen: sein Kreuz wird für uns zum Baum des Lebens. Ohne Kreuz ist keine Versöhnung mit Gott möglich, weil wir Menschen es nicht schaffen, ohne Sünde zu leben. Würde Gott über uns nur nach Gerechtigkeit urteilen und nicht nach Liebe, wären wir unweigerlich verloren.
Aber Gott ist ein Gott der Liebe, der seine Schöpfung nicht verloren gibt: „Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ (1 Johannesbrief 4,10
Gott bekämpft und besiegt in und durch Christus die Mächte des Verderbens und versöhnt sich dadurch mit der Welt. Gott stirbt selbst am Kreuz, das nicht zu seiner Liebe führt, sondern aus seiner Liebe kommt: „Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Röm 5,8) Gott ist Versöhner und Versöhnter zugleich. Die Heilstat Gottes in Christus basiert auf Christi Kreuz und Auferstehung, mit dem jede Erlösung steht und fällt: „Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ (1 Kor 3,11)

Schafe waren das übliche Opfertier im Tempel, die Tag für Tag am Altar geschlachtet wurden. Am Versöhnungstag (Jom Kippur) belud der Hohepriester ein Schaf symbolisch mit den Sünden der Israeliten des vergangenen Jahres und trieb es in die Wüste, wo es stellvertretend für die Sünder starb. Sühneopfer hatten im Judentum bereits eine lange Tradition. Daran knüpfte Jesus an, damit seine Anhänger den Symbolwert seines Todes begreifen und verstehen konnten. Das taten sie auch nach Pfingsten, als sie die frohe Botschaft, das Evangelium, von der bedingungslosen Liebe Gottes in die Welt hinaus trugen. Bereits am Anfang seines öffentlichen Wirkens, als Jesus an den Jordan kam zu Johannes dem Täufer, erkannte dieser den Messias in ihm: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Joh 1,29)
Den Zeitpunkt des Passafestes wählte Jesus ganz bewusst in Analogie zur 10. Plage, die endlich zur Befreiung aus der ägyptischen Gefangenschaft geführt hatte. Damals schützte das Blut eines Lammes die Hebräer in Ägypten vor dem Todesengel, der bei der letzten Plage durch das Land ging und alle männlichen Erstgeburten tötete. Danach folgte die Befreiung für die verschonten Israeliten. So folgt für uns Sünder die Befreiung von der Sünde, nachdem uns das Blut Jesu schützt.
Beim letzten Abendmahl weist Jesus nochmals eindrücklich auf die Bedeutung seines Sühnetodes hin, indem er den „Neuen Bund“ mit Brot und Wein, dem Symbol für Leib und Blut Christi, die er bald darauf als Opfer darbrigen wird, schließt:
Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's
und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib.
Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach:
Trinket alle daraus, das ist mein Blut des Bundes,
das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.
(Matth 26,26-28)

Die reformatorische Christologie lehrt, dass das Heil auf Christus allein („Solus Christus“) beruht und zwar auf Kreuz und Auferstehung. Der Wesenszug der Reformation ist die Ausschließlichkeit, mit der das Heil auf Christus alleine gegründet wird. Philipp Melanchthon formuliert: „Christus erkennen, heißt seine Heilstaten erkennen“. Die reformatorische Grundformel, die den Sühnetod Jesu Christi bezeichnet; steht in allen lutherischen Bekenntnisschriften im Mittelpunkt.
Dass Martin Luther dem Kreuz mehr Bedeutung beigemessen hat als der Auferstehung ist aus seiner persönlichen Situation heraus zu verstehen. Er hatte panische Angst, als Sünder vor Gott nicht bestehen zu können. Da er entsprechend der Theologie seiner Zeit an Hölle und Teufel glaubte und sich darüber im Klaren war, dass man es niemals schaffte, mit guten Werken ins Himmelreich zu kommen, quälte ihn die Angst vor der Verdammnis im Jenseits. Er grübelte über der Frage: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ und fand ihn am Kreuz. Die leibliche Auferstehung Jesu stand damals – im Gegensatz zu heute – völlig außer Diskussion. Alle Christen glaubten daran, deshalb musste Luther darüber auch nicht grübeln. Die Freude darüber, dass er den Gott der Liebe, der den Sündern verzeiht, gefunden hatte, führte dazu, dass für ihn das Kreuz wichtiger war als die Auferstehung. Deshalb ist der Karfreitag der höchste evangelische Feiertag. Aber nach den Berichten des Neuen Testaments stehen Kreuz und Auferstehung gleichwertig nebeneinander.

Im Jahre 315, zwei Jahre nach dem Toleranzedikt von Mailand, in dem Kaiser Konstantin der Große die christliche Religion erlaubt hat, verfügte dieser die Abschaffung der Kreuzigungsstrafe, und das Kreuz wurde zum Symbol für die christliche Kirche. Es steht für die unbedingte Liebe Gottes zu seiner Schöpfung.
Das Kreuz ist ein Heilsereignis und kein Emblem für einen Religionsstifter und schon gar kein Modeschmuck für Showpromis. Es sollte wirklich nur derjenige als Anhänger oder Anstecknadel tragen, der wirklich an Jesus Christus glaubt und sich so offen zu ihm bekennen will. Ich ärgere mich jedesmal beim Anblick eines megagroßen Kreuzes als modisches Accessoir, denn Jesus hat am Kreuz furchtbare Qualen gelitten. Es ist absolut kein Freizeitspaß!

Die Auferstehung Jesu

Die Anhänger Jesu konnten die religiöse Dimension des Kreuzigungstodes ihres Meisters nicht begreifen. Trauernd zogen sie sich aus der Öffentlichkeit zurück und gaben jede Hoffnung auf, ihren Herrn je wieder zu sehen. Es scheint, als ob sie im Angesicht seines schmählichen Todes alles vergessen haben, was ihnen Jesus in seinen Predigten in Galiläa und in seinen Abschiedsreden in Jerusalem prophezeit hatte. Das ungläubige und entsetzte Verhalten der Jünger nach der Entdeckung des leeren Grabes lässt keinen anderen Schluss zu, als dass sie mit der leiblichen Auferstehung ihres Rabbis nicht gerechnet haben. Sie waren völlig überrascht.

Hätten nicht die Frauen aus dem Jüngerkreis am Morgen des dritten Tages, nach dem Ende das Sabbats, den Wunsch gehabt, den Leichnam Jesu nach den religiösen Vorschriften mit würzigen Kräutern wie Myrrhe zu einzureiben, hätten die Jünger nicht einmal bemerkt, dass die Auferstehung stattgefunden hat. Denn die Männer waren dem Bestattungsort ferngeblieben.
Das leere Grab war für die Anhänger des Wanderpredigers ein unerwartetes Wunder, dem sie fassungslos gegenüber standen, wie alle vier Evangelisten berichten. Aber das leere Grab selbst überzeugte sie nicht, sondern erst die Erscheinungen des Auferstandenen räumten ihre Zweifel aus. Einer von ihnen, Thomas, verlangte sogar als Beweis, dass er seine Finger in die Wundmale Jesu legen konnte.

Das leere Grab war ein erster Hinweis auf die leibliche Auferstehung Jesu, aber es hat als solches keinerlei Heilsbedeutung, weder damals noch heute. Deshalb ist es völliger Unsinn, in frommer Andacht vor der Steinplatte in der Jerusalemer Grabeskirche zu stehen und ehrfurchtsvoll daran zu glauben, dass genau dort der Leichnam Jesu gelegen hatte. Selbst wenn das stimmen würde – was mit Sicherheit nicht der Fall ist, weil es keine nachweisbare Markierung dafür gibt – hat es keine Bedeutung für das Erlösungswerk Gottes. Denn entscheidend ist, dass Jesus den Tod überwunden hat und aus dem Grab ins Leben zurückgekehrt ist. Auch die Jünger haben an die Auferstehung erst geglaubt, als ihnen der auferstandene Jesus begegnet ist, mit ihnen gesprochen und Tischgemeinschaft gehalten hat. Zum leeren Grab sind sie nicht mehr zurückgekehrt. Was hätten sie dort auch tun sollen?

Die Auferweckung Jesu von den Toten zeigt, dass Gott nicht nur die Seele des Menschen sondern auch den Leib des Menschen erlösen wird. Eines Tages, wenn Gott die Apokalypse einleitet, werden wir als die Persönlichkeit, die wir im Diesseits sind, aus unseren Gräbern zurückkehren mit der Chance auf ein neues Leben bei Gott.
Das ist die Hoffnung, die wir Jesus verdanken: der Tod bedeutet nicht unbedingt das Ende: „Ich bin in die Welt gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der Finsternis bleibe!“ (Joh 12,46)


1 Kommentar:

  1. sehr interessant! und schön ausführlich erklärt! hat mir sehr gut gefallen :)

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