Sühneopfer
und Auferstehung
Das
Darbringen von Opfergaben ist ein religiöses Kultelement, das immer
mit Frömmigkeit verbunden ist und auch heute noch in vielen, vor
allem polytheistischen Religionen, praktiziert wird. Es erfolgt
entweder im Rahmen ritueller Zeremonien oder in einem persönlichen
Akt des einzelnen. Durch das Opfer tritt man in Beziehung mit der
sonst unerreichbaren Gottheit und verbindet damit unterschiedliche
Anliegen.
Die
Voraussetzungen sind seit dem Altertum die gleichen geblieben.
Menschen fürchten seit jeher ihre Gottheit und wollen sie
besänftigen oder unheilvolle Schicksalsschläge abwenden. Sie
bringen Dankopfer dar, um der Gottheit oder den Göttern für
Wohltaten zu danken und neue Gnade zu erbitten. Die Arten der
Opfergaben sind so vielfaltig wie ihre Gründe: meist lassen Tiere
ihr Leben, möglich sind auch Früchte und duftende Kräuter, die
verbrannt werden. In manchen alten Kulturen wurden auf dem Altar auch
Menschen geopfert.
Das
Sühneopfer Jesu
In der
christlichen Theologie war das Darbringen von Opfergaben noch nie
vorgesehen. Denn obwohl das Schlachten von Tieren am Altar Gottes in
der jüdischen Religion einen zentralen Stellenwert einnahm, hatte
Jesus, der jüdische Rabbi aus Galiläa, während seiner Zeit als
Wanderprediger nie Opferungen empfohlen und selbst auch nie im Tempel
Opfer dargebracht.
Im
Christentum hat nur ein einziger Opfervorgang stattgefunden, und
durch dieses eine Mal wurden generell Opfer überflüssig. Das
Sühneopfer, das Jesus am Kreuz geleistet hat, konnte nicht mehr
überboten werden.
Bei
Jesu Sühneopfer wird der Schuldige durch ein Opfer ersetzt, das ein
großes Vergehen sühnt, eine als unverzeihlich angesehene Sünde,
die jemand anderer begangen hat. Es ist das Opfer des
leidenden Gerechten, des Unschuldigen, der willentlich eine
unverdiente Züchtigung auf sich nimmt, damit sein Tod die Schuldigen
rettet. Das Blut des unschuldigen Opfers, das
Jesus am Kreuz vergossen hat, erlöst uns sündige Menschen von
unserer unverzeihlichen Schuld, der Sünde, die wir vor Gott auf uns
geladen haben. Jesu Blut eröffnet uns den Weg zur Vergebung Gottes.
Christus
leistete Stellvertretung: er ist für uns gestorben. Sein
vollkommenes Opfer bringt den Menschen das Heil, d.h. die Erlösung
von Tod und Verdammnis. Jesus nahm die Bestrafung auf sich, die die
Menschen verdient haben.
Jesus
Christus ist das Heil für alle Menschen: sein Kreuz wird für uns
zum Baum des Lebens. Ohne Kreuz ist keine Versöhnung mit Gott
möglich, weil wir Menschen es nicht schaffen, ohne Sünde zu leben.
Würde Gott über uns nur nach Gerechtigkeit urteilen und nicht nach
Liebe, wären wir unweigerlich verloren.
Aber
Gott ist ein Gott der Liebe, der seine Schöpfung nicht verloren
gibt: „Darin besteht die Liebe: nicht, dass
wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt
seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ (1
Johannesbrief 4,10)
Gott bekämpft und besiegt in und durch
Christus die Mächte des Verderbens und versöhnt sich dadurch mit
der Welt. Gott stirbt selbst am Kreuz, das nicht zu seiner Liebe
führt, sondern aus seiner Liebe kommt: „Gott
aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns
gestorben ist, als wir noch Sünder waren.“ (Röm
5,8) Gott ist Versöhner und Versöhnter zugleich. Die
Heilstat Gottes in Christus basiert auf Christi Kreuz und
Auferstehung, mit dem jede Erlösung steht und fällt: „Einen
andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist
Jesus Christus.“ (1 Kor 3,11)
Schafe
waren das übliche Opfertier im Tempel, die Tag für Tag am Altar
geschlachtet wurden. Am Versöhnungstag (Jom Kippur) belud der
Hohepriester ein Schaf symbolisch mit den Sünden der Israeliten des
vergangenen Jahres und trieb es in die Wüste, wo es stellvertretend
für die Sünder starb. Sühneopfer hatten im Judentum bereits eine
lange Tradition. Daran knüpfte Jesus an, damit seine Anhänger den
Symbolwert seines Todes begreifen und verstehen konnten. Das taten
sie auch nach Pfingsten, als sie die frohe Botschaft, das Evangelium,
von der bedingungslosen Liebe Gottes in die Welt hinaus trugen.
Bereits am Anfang seines öffentlichen Wirkens, als Jesus an den
Jordan kam zu Johannes dem Täufer, erkannte dieser den Messias in
ihm: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der
Welt Sünde trägt!“ (Joh 1,29)
Den
Zeitpunkt des Passafestes wählte Jesus ganz bewusst in Analogie zur
10. Plage, die endlich zur Befreiung aus der ägyptischen
Gefangenschaft geführt hatte. Damals schützte das Blut eines Lammes
die Hebräer in Ägypten vor dem Todesengel, der bei der letzten
Plage durch das Land ging und alle männlichen Erstgeburten tötete.
Danach folgte die Befreiung für die verschonten Israeliten. So folgt
für uns Sünder die Befreiung von der Sünde, nachdem uns das Blut
Jesu schützt.
Beim
letzten Abendmahl weist Jesus nochmals eindrücklich auf die
Bedeutung seines Sühnetodes hin, indem er den „Neuen Bund“ mit
Brot und Wein, dem Symbol für Leib und Blut Christi, die er bald
darauf als Opfer darbrigen wird, schließt:
„Als
sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's
und
gab's den Jüngern und sprach: Nehmet,
esset, das ist mein Leib.
Und
er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach:
Trinket
alle daraus, das ist mein Blut des Bundes,
das
vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“
(Matth
26,26-28)
Die
reformatorische Christologie lehrt, dass das Heil auf Christus allein
(„Solus Christus“) beruht und zwar auf Kreuz und Auferstehung.
Der Wesenszug der Reformation ist die Ausschließlichkeit, mit der
das Heil auf Christus alleine gegründet wird. Philipp Melanchthon
formuliert: „Christus erkennen, heißt seine Heilstaten erkennen“.
Die reformatorische Grundformel, die den Sühnetod Jesu Christi
bezeichnet; steht in allen lutherischen Bekenntnisschriften im
Mittelpunkt.
Dass
Martin Luther dem Kreuz mehr Bedeutung beigemessen hat als der
Auferstehung ist aus seiner persönlichen Situation heraus zu
verstehen. Er hatte panische Angst, als Sünder vor Gott nicht
bestehen zu können. Da er entsprechend der Theologie seiner Zeit an
Hölle und Teufel glaubte und sich darüber im Klaren war, dass man
es niemals schaffte, mit guten Werken ins Himmelreich zu kommen,
quälte ihn die Angst vor der Verdammnis im Jenseits. Er grübelte
über der Frage: „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“ und fand
ihn am Kreuz. Die leibliche Auferstehung Jesu stand damals – im
Gegensatz zu heute – völlig außer Diskussion. Alle Christen
glaubten daran, deshalb musste Luther darüber auch nicht grübeln.
Die Freude darüber, dass er den Gott der Liebe, der den Sündern
verzeiht, gefunden hatte, führte dazu, dass für ihn das Kreuz
wichtiger war als die Auferstehung. Deshalb ist der Karfreitag der
höchste evangelische Feiertag. Aber nach den Berichten des Neuen
Testaments stehen Kreuz und Auferstehung gleichwertig nebeneinander.
Im
Jahre 315, zwei Jahre nach dem Toleranzedikt von Mailand, in dem
Kaiser Konstantin der Große die christliche Religion erlaubt hat,
verfügte dieser die Abschaffung der Kreuzigungsstrafe, und das Kreuz
wurde zum Symbol für die christliche Kirche. Es steht für die
unbedingte Liebe Gottes zu seiner Schöpfung.
Das
Kreuz ist ein Heilsereignis und kein Emblem für einen
Religionsstifter und schon gar kein Modeschmuck für Showpromis. Es
sollte wirklich nur derjenige als Anhänger oder Anstecknadel tragen,
der wirklich an Jesus Christus glaubt und sich so offen zu ihm
bekennen will. Ich ärgere mich jedesmal beim Anblick eines
megagroßen Kreuzes als modisches Accessoir, denn Jesus hat am Kreuz
furchtbare Qualen gelitten. Es ist absolut kein Freizeitspaß!
Die
Auferstehung Jesu
Die
Anhänger Jesu konnten die religiöse Dimension des Kreuzigungstodes
ihres Meisters nicht begreifen. Trauernd zogen sie sich aus der
Öffentlichkeit zurück und gaben jede Hoffnung auf, ihren Herrn je
wieder zu sehen. Es scheint, als ob sie im Angesicht seines
schmählichen Todes alles vergessen haben, was ihnen Jesus in seinen
Predigten in Galiläa und in seinen Abschiedsreden in Jerusalem
prophezeit hatte. Das ungläubige und entsetzte Verhalten der Jünger
nach der Entdeckung des leeren Grabes lässt keinen anderen Schluss
zu, als dass sie mit der leiblichen Auferstehung ihres Rabbis nicht
gerechnet haben. Sie waren völlig überrascht.
Hätten
nicht die Frauen aus dem Jüngerkreis am Morgen des dritten Tages,
nach dem Ende das Sabbats, den Wunsch gehabt, den Leichnam Jesu nach
den religiösen Vorschriften mit würzigen Kräutern wie Myrrhe zu
einzureiben, hätten die Jünger nicht einmal bemerkt, dass die
Auferstehung stattgefunden hat. Denn die Männer waren dem
Bestattungsort ferngeblieben.
Das
leere Grab war für die Anhänger des Wanderpredigers ein
unerwartetes Wunder, dem sie fassungslos gegenüber standen, wie alle
vier Evangelisten berichten. Aber das leere Grab selbst überzeugte
sie nicht, sondern erst die Erscheinungen des Auferstandenen räumten
ihre Zweifel aus. Einer
von ihnen, Thomas, verlangte sogar als Beweis, dass er seine Finger
in die Wundmale Jesu legen konnte.
Das
leere Grab war ein erster Hinweis auf die leibliche Auferstehung
Jesu, aber es hat als solches keinerlei Heilsbedeutung, weder damals
noch heute. Deshalb ist es völliger Unsinn, in frommer Andacht vor
der Steinplatte in der Jerusalemer Grabeskirche zu stehen und
ehrfurchtsvoll daran zu glauben, dass genau dort der Leichnam Jesu
gelegen hatte. Selbst wenn das stimmen würde – was mit Sicherheit
nicht der Fall ist, weil es keine nachweisbare Markierung dafür gibt
– hat es keine Bedeutung für das Erlösungswerk Gottes. Denn
entscheidend ist, dass Jesus den Tod überwunden hat und aus dem Grab
ins Leben zurückgekehrt ist. Auch die Jünger haben an die
Auferstehung erst geglaubt, als ihnen der auferstandene Jesus
begegnet ist, mit ihnen gesprochen und Tischgemeinschaft gehalten
hat. Zum leeren Grab sind sie nicht mehr zurückgekehrt. Was hätten
sie dort auch tun sollen?
Die
Auferweckung Jesu von den Toten zeigt, dass Gott nicht nur die Seele
des Menschen sondern auch den Leib des Menschen erlösen wird. Eines
Tages, wenn Gott die Apokalypse einleitet, werden wir als die
Persönlichkeit, die wir im Diesseits sind, aus unseren Gräbern
zurückkehren mit der Chance auf ein neues Leben bei Gott.
Das
ist die Hoffnung, die wir Jesus verdanken: der Tod bedeutet nicht
unbedingt das Ende: „Ich bin in die Welt
gekommen als ein Licht, damit, wer an mich glaubt, nicht in der
Finsternis bleibe!“ (Joh 12,46)
sehr interessant! und schön ausführlich erklärt! hat mir sehr gut gefallen :)
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