Die
Heilung der blutflüssigen Frau
(Markus
5,25-34; Lukas 8,43-48; Matthäus 9,20-22)
Jesus
wandert mit seinen Jüngern am Ufer des Sees Genezareth entlang. Er
ist von seinen Anhängern umringt, als Jairus, Vorsteher einer
Synagoge, mit einer Bitte an ihn herantritt. Seine Tochter liegt im
Sterben, und er fleht Jesus verzweifelt um Hilfe an. Ohne zu zögern
geht der Rabbi mit ihm, die Menschenmenge folgt ihnen. Darunter
befindet sich auch eine Frau, die seit 12 Jahren von einem ständigen
Blutfluss geplagt wird.
Auch
sie ist verzweifelt. Die Frau hat bereits all ihr Geld für Ärzte
ausgegeben, aber keiner konnte ihr helfen. Der Rabbi aus Nazareth ist
ihre letzte Hoffnung.
Im
Schutz der Menge schleicht sie sich von hinten an Jesus heran und
berührt sein Gewand. Denn sie ist überzeugt: „Wenn
ich nur seine Kleider berühren könnte, so würde ich gesund!“
(Mk 5,28) Entsprechend dem
jüdischen Gesetz ist sie unrein, solange sie blutet. Und so wagt sie
es als „Unreine“ nicht, den frommen Lehrer direkt um Hilfe zu
bitten.
Aber
natürlich bemerkt Jesus die Berührung und dreht sich fragend um:
Wer war das? Zitternd vor Angst fällt die Frau vor Jesus auf die
Knie und gesteht unter Tränen. Sie befürchtet, dass der Rabbi sie
schelten wird, weil sie ihn durch ihre Berührung kultisch
verunreinigt hat.
Jesus
tut aber nichts dergleichen. Er sieht nur ihren Glauben und ihr
Vertrauen und hilft ihr. Er sagt zu der Frau die tröstlichen Worte:
„Meine Tochter, dein Glaube hat dich gesund
gemacht; geh hin in Frieden und sei gesund von deiner Plage!“
(Mk 5,34)
Überglücklich
kehrt die Frau nach Hause zurück. Jesus hat nicht nur ihr Leiden
geheilt, sondern ihr auch wieder eine Zukunft in der Gesellschaft
gegeben.
Entsprechend
Leviticus (3 Mose) 15,19-33 gilt eine menstruierende Frau als unrein:
„Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat, so soll
sie 7 Tage für unrein gelten. Wer sie anrührt, der wird unrein bis
zum Abend. Und alles, worauf sie liegt, solange sie ihre Zeit hat,
wird unrein, und alles, worauf sie sitzt, wird unrein.“ (Lev
15,19.20)
Der
Blutfluss, d.h. die Monatsblutung, bedeutet somit den zeitlichen
Ausschluss aus Familienleben und Synagoge bzw. Tempel, solange die
Blutung anhält. Wenn sie endet, muss eine vorgeschriebene Reinigung,
entweder durch Untertauchen in einem rituellen Bad („Mikwa“) oder
durch ein Opfer beim Priester, vorgenommen werden. Danach kann die
Frau ihren Platz in der Gemeinschaft wieder einnehmen.
Hart
wird die Situation für eine Frau, wenn sie unter Zwischenblutungen
leidet: „Wenn aber eine Frau den Blutfluss
eine lange Zeit hat, zu ungewöhnlicher Zeit oder über die
gewöhnliche Zeit hinaus, so wird sie unrein, solange sie ihn hat.“
(Lev 15,25)
Die
unbekannte Frau hat also viele Jahre gesellschaftlicher und
religiöser Isolation hinter sich. Sie ist am Ende ihrer Kraft und
sucht als letzte Hoffnung den berühmten Wanderprediger aus Nazareth
auf. Sie hat gehört, dass er sich der Ausgegrenzten und Verachteten
annimmt, auch gegen den Widerstand der jüdischen Geistlichkeit, die
ihn dafür hart kritisiert. Obwohl sie seit langem vom religiösen
Leben ausgeschlossen ist, hat sie ihren Glauben an Gott nicht
verloren. Sie ist fest davon überzeugt, dass Jesus von Nazareth der
von den Propheten verheißene Gesandte Gottes ist und von diesem die
Vollmacht zum Heilen erhalten hat.
In
dieser Gewissheit macht sie sich auf den Weg zu Jesus, hat aber dann
nicht den Mut, vor ihn zu treten. Weggehen kann sie aber auch nicht.
Und so wählt sie den Mittelweg und berührt heimlich seine Kleidung.
Sie kennt das Gesetz und weiß, dass Jesus durch die Berührung der
unreinen Frau selbst unrein
wird. Sie denkt, dass er es gar nicht spüren kann, wenn sie sein
Kleid nur am Saum anfasst, aber vor Jesus kann man nichts
verheimlichen.
Doch
zu ihrer großen Erleichterung reagiert Jesus keineswegs verärgert,
sondern ist von ihrem Glauben tief beeindruckt. Er sieht eine
verzweifelte Frau vor sich, die seiner Hilfe voll vertraut.
Jesus
bedeuten Äußerlichkeiten nichts: das Gesetz der Tora (5 Bücher
Mose) verliert für ihn seine Bedeutung, wenn es um die Nächstenliebe
geht. Gott zu dienen bedeutet für ihn aus Liebe zu handeln und
nicht, Normen und Regeln um jeden Preis einzuhalten. Deshalb kann ihn
auch kein hilfesuchender Mensch verunreinigen, sei es durch Blut oder
Aussatz. Jesus unterzieht sich selbst nach der Berührung von Toten
keinen kultischen Reinigungsbädern. Auch nachdem ihn die
blutflüssige Frau berührt hat, geht er unmittelbar weiter
in das Haus des Jairus und macht dessen Tochter gesund.
Jesus
hat eine andere Definition von Reinheit und Unreinheit als die
Pharisäer und Schriftgelehrten. Er behält sie auch nicht für sich,
sondern wirft den jüdischen Geistlichen in aller Öffentlichkeit
vor: „Ihr hebt Gottes Wort auf durch eure
Satzungen, die ihr überliefert habt!“(Mk
7,13)
Nicht
das, was die körperliche Beschaffenheit des Menschen ausmacht, kann
ihn laut Jesus verunreinigen. Sie gehört zu den Naturgesetzen, die
Gott in der Schöpfung festgelegt hat. Und warum also soll
Menstruationsblut eine Frau verunreinigen, wenn doch Gott den
monatlichen Eisprung als Form der Fortpfanzung geschaffen hat?
Ebenso
kann Jesus nirgends unreine Speisen erkennen: „Was
zum Mund hineingeht, das macht den Menschen nicht unrein; sondern was
aus dem Mund herauskommt, das
macht den Menschen unrein.“ (Mt
15,11)
Jesu
Erklärung ist einfach und verständlich: „Alles,
was zum Mund hineingeht, das geht in den Bauch und wird danach in die
Grube ausgeleert. Was aber aus dem Mund herauskommt, das kommt aus dem
Herzen, und das macht den Menschen unrein.“ (Mt
15,17.18)
Jesus
zählt im nächsten Vers in einem Sündenkatalog auf, was er unter
Unreinheiten versteht: „Denn aus dem Herzen
kommen böse Gedanken, Mord, Ehebruch, Unzucht, Diebstahl, falsches
Zeugnis, Lästerung.“ (Mt
15,19) Es ist demnach scheinheilig, bestimmte Speisen nicht zu
essen, aber einen Arbeitskollegen oder Nachbarn zu beschimpfen. Das
ist nicht fromm, sondern Frömmelei.
Damit
erklärt Jesus alle Speisen für rein, und Christen können essen was
sie wollen. Es gibt für sie keine unreinen Tiere, denn sie alle sind
Geschöpfe Gottes und er liebt sie alle.
Das gilt auch für Schweine
und Hunde. Nachdem Gott am 5. Tag die Tiere des Wassers und die Vögel
erschaffen hat und am 6. Tag die Landbewohner „sah
er, dass es gut war“. Das schließt alle Tiere ein.
Jesus
lehnt es strikt ab, Menschen aufgrund körperlicher Gebrechen oder wegen des Genusses sogenannter unreiner Speisen vom
religiösen und sozialen Leben auszuschließen. Entsprechend der
Lehre Jesu gründet der Apostel Paulus die christliche Kirche auf dem
Fundament der Nächstenliebe, einer grenzenlosen Liebe, die über dem
Gesetz steht, weil auch uns Gott grenzenlos liebt: „Denn
das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, liebe deinen Nächsten
wie dich selbst!“ (Gal
5,14)
Ich finde den Beitrag sehr gut! Man kann Menschen nicht nach körperlichen Beschaffenheiten verurteilen, denn dafur kann man nichts. Was man tut, also die Taten, sollten mehr wiegen und nicht nur das Ergebnis- das zählt nicht so sehr, wie das, was man tut.
AntwortenLöschen