Die
Zwei-Schwerter-Lehre
„Denn
wer das Schwert nimmt,
der
soll durchs Schwert umkommen.“
(Matthäus
26,52)
Papier
ist geduldig, heißt es – und das gilt ganz besonders für heilige
Glaubensbücher. Nichts kann so leicht verfälscht und für
politische Zwecke umgedeutet und missbraucht werden wie religiöse
Texte. Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen, bemühen sich
besonders eindringlich, nach den Geboten und Regeln ihrer Religion zu
leben. Das kann sich aber zu einer bedrohlichen Situation entwickeln.
Denn je gläubiger jemand ist, desto leichter kann er von Fanatikern
manipuliert werden. Wer will schon zurückstehen, wenn andere alles
für den – vermeintlich richtigen – Weg mit Gott aufgeben?
Die
größte Gefahr geht von jenen aus, die Zitate aus den
Glaubensbüchern aus dem Zusammenhang reißen und damit den Eindruck
erwecken, sie wären theologisch gebildet. Das verleiht ihnen bei
vielen Mitgliedern ihrer Glaubensgemeinschaft, die sich selbst nicht
sehr intensiv mit den heiligen Schriften beschäftigen, eine hohe
Glaubwürdigkeit dort, wo Vorsicht angebracht wäre.
Haben
Ideologen einmal in der Gesellschaft Fuß gefasst, wird es immer
schwerer sie einzubremsen. Da sie sich als Auserwählte betrachten,
sehen sie sich letztendlich legitimiert, ihre ganz persönlichen
Vorstellungen von ihrer Religion mit Gewalt durchzusetzen, wenn ihnen
die Mitmenschen nicht freiwillig folgen wollen. In Wahrheit handelt
es sich nicht um religiösen Eifer, sondern es geht um Macht und
Herrschaftsansprüche unter dem Deckmantel des aufrichtigen Glaubens.
Gutes
kommt dabei nicht heraus, wie man täglich aus den Medien erfahren
kann. Und selbst wenn man noch so weit in die Geschichte zurückgeht,
muss man feststellen, dass Gewalt im Namen Gottes noch nie Segen
gebracht hat.
Ein
besonders tragisches Beispiel mit sehr weitreichenden blutigen Folgen
ist der Machtkampf zwischen dem französischen König Philipp IV. dem
Schönen, der von 1285-1314 regierte, und Papst Bonifaz VIII., der
von 1294 – 1303 die Tiara trug.
Bonifaz
VIII. war als Neffe von Papst Alexander IV. in der Kurie groß
geworden. Von 1275-94 war er päpstlicher Legat. Als solcher fiel er
in Frankreich durch seinen hochfahrenden und autoritativen Charakter
und die Härte seines Wesens unangenehm auf. Er umgab
sich als Papst mit kostspieligem Prunk, kleidete sich gern als
römischer Imperator und betrieb Machtpolitik für seine Familie.
Sein
Gegenspieler König
Philipp IV. aus der Dynastie der Kapetinger war ein sehr frommer
Mann. Er fastete regelmäßig, trug ein Büßerhemd und ließ sich
mit einer kleinen Kette geißeln. Er war untadelig und bescheiden in
seinem Privatleben und führte mit seiner Gemahlin Johanna von
Navarra eine vorbildliche Ehe. Aber Philipp IV., der wegen seines
attraktiven Aussehens den Beinamen 'der Schöne' bekam, war zutiefst
erfüllt von seiner göttlichen Sendung als König von Frankreich und
duldete keine andere irdische Autorität über sich. Wer sich ihm
nicht beugte, wurde mitleidlos und grausam aus dem Weg geräumt. Das
galt auch für kirchliche Autoritäten.
Aber
unterwürfig war eben auch Papst Bonifaz VIII. nicht. Und auch er war
von seiner göttlichen Sendung erfüllt und anerkannte als
Stellvertreter Christi auf Erden keine andere Autorität über sich
als Gott selbst.
Der
Machtkampf der beiden Kontrahenten gipfelte letztendlich in der
Frage: Ist
die staatliche Gewalt generell der päpstlichen unterworfen? Bonifaz
VIII. glaubte, die Frage eindeutig beantwortet zu haben, als er im
Jahre 1302 die Bulle „Unam sanctam“
erließ. Der Papst berief sich auf die Stelle im Lukasevangelium, als
die Jünger nach dem letzten Abendmahl Jesus zwei Schwerter reichen
wollten: „Herr,
siehe, hier sind zwei Schwerter.“
(Lukas
22,38a).
Überzeugt,
fest auf dem Boden der biblischen Theologie zu stehen, ließ Bonifaz
VIII.
festschreiben, dass sich sowohl das geistliche als auch das weltliche
Schwert als Symbole der irdischen Macht in der Hand der Kirche
befänden. Das geistliche wird von der Kirche geführt, das weltliche
für die Kirche nach dem Willen und Einverständnis des Papstes. Die
Überordnung der geistlichen über die weltliche Gewalt sei von Gott
gewollt. Ein König ist also nur ein Untertan des Papstes - wie jeder
andere Getaufte auch.
Demzufolge
ist der Papst auch berechtigt, einen Herrscher bei Vergehen zu
richten. Und in diesem Sinne bereitete Bonifaz die Exkommunikation
von Philipp IV. vor, um ihm zu beweisen, dass er, der Papst, der Herr
auf Erden ist. Das hätte den Sturz des Königs bedeutet,
denn einem Herrscher, der von den Sakramenten ausgeschlossen ist,
brauchte keiner im Lande loyal und gehorsam zu sein.
Es
überrascht nicht, dass Philipp IV. seinem Untergang nicht tatenlos
zusah. Er verhinderte seine Exkommunikation mit Gewalt. Sein Kanzler
Nogaret und die mit dem Papst verfeindete Familie der Colonna
überfielen Bonifaz in Agnani und setzten ihn gefangen.
Wahrscheinlich wurde er auch ins Gesicht geschlagen. Am nächsten Tag
befreite ihn zwar die Bevölkerung und brachte ihn nach Rom zurück,
aber von diesem Gewaltakt erholte er sich nicht mehr. Einen Monat
später am 11.10.1303 starb Bonifaz VIII. als gebrochener Mann. Der
französische König war überzeugt, aus der Konfrontation als Sieger
hervor gegangen zu sein.
Aber
es sollte sich im Laufe der Jahre zeigen, dass tatsächlich keine
Partei wirklich gewonnen hat. Der grundlegende Irrtum, der die
anderen Fehlentscheidungen ins Rollen brachte, war die unsinnige
Verwendung eines halben Bibelverses, der in seiner zweiten Hälfte
die Bulle „Unam sanctam“ ad Absurdum führte und deshalb vom
Papst ignoriert wurde. Denn Jesus lehnte die Verwendung der
Schwerter, die ihm die Jünger hinhielten, klar ab: „Er
aber sprach zu ihnen: Es ist genug.“
(Lukas
22,38b)
Und als die unbelehrbaren Jünger bei seiner Verhaftung in Gethsemane
doch zum Schwert griffen, drohte Jesus: „Wer
das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.“
(Matthäus
26,52)
Offenbar
haben sowohl Papst Bonifaz VIII. als auch König Philipp IV. nur die
Texte in der Bibel gelesen, die ihren Plänen nützlich waren: zu
ihrem Unglück und das der Menschen, die von ihren Entscheidungen
betroffen waren.
Das
Papsttum geriet nach Bonifaz' Tod unter französische Kontrolle. Zum
neuen Papst Clemens V. (1305-1314) wurde nach massiver Einflussnahme
Philipps der Erzbischof von Bordeaux gewählt, der seine
Residenz in Avignon, einem Randgebiet des französischen
Königreiches, aufschlug und Rom fern blieb. Es begann das
„Babylonische Exil“ (in Anlehnung an das Exil der Juden in
Babylon), das 70 Jahre dauerte. Als Päpste dann endlich wieder ab
1377 in Rom residierten, kam es zum „Großen Schisma“
(1378-1415): Kardinäle in Avignon wählten trotzig einen Papst und
Kardinäle in Rom auch: aber wer von den beiden war jetzt der
Rechtmäßige? Die christliche Kirche begann in Streit und Machtkampf
zu versinken, die einfachen Gläubigen blieben auf der Strecke.
Das
Konzil von Konstanz (1414-18) trat zusammen, um die Spaltung zu
beseitigen und wieder Ordnung in die Kirche zu bringen. Martin V.
(1417-31) wurde zum alleinigen Papst gewählt. Und weil man schon
beim Ordnen war, beseitigte man den kritischen Prager
Theologieprofessor Jan Hus und verbrannte ihn als Ketzer. Die Folge
dieser Gewalttat waren die blutigen Hussitenkriege in Böhmen
(1419-1436).
Der
siegestrunkene Philipp IV. kostete seine neue Überlegenheit über
das Papsttum skrupellos aus. Mit einem willfährigen Papst
ausgestattet ging der König nun gegen eine andere mächtige
religiöse Organisation in seinem Königreich vor.
Der
reiche und unabhängige Tempelorden, der seine Zentrale in Paris
hatte, war ihm schon lange ein Dorn im Auge. In
einer Überraschungsaktion am 13. Oktober 1307 wurden der Großmeister
und alle Templer in Frankreich gleichzeitig verhaftet. Viele
starben bereits unter der Folter aufgrund größter Brutalität.
Der
Papst in Avignon hielt sich mit Kritik zurück und hob gehorsam am
22. April 1312 den Orden auf. Am 18.3.1314 setzte die Verbrennung des
Großmeisters und seines Stellvertreters in Paris den Schlusspunkt
der Aktion. König Philipp IV. war zufrieden: nicht nur, dass seine
Schatztruhen nun prall gefüllt waren, er war auch zum unumschränkten
Herrscher im Land aufgestiegen, weil er jede Konkurrenz erfolgreich
mit Gewalt ausgeschaltet hatte. Der fromme Philipp kannte keine
Barmherzigkeit, wenn es um seine Königswürde ging.
Nicht
alle Untertanen teilten das Triumpfgefühl ihres Herrschers. Die
zuschauende Menge bei der Verbrennung der Templer war bestürzt und
sah darin einen Frevel, für den die Verantwortlichen würden
bezahlen müssen. Und so kam es auch. Innerhalb der nächsten sechs
Monate starben die Drahtzieher: König Philipp IV., sein Kanzler
Nogaret und Papst Clemens V. Es verbreitete sich das Gerücht, der
Großmeister habe sie vor den Richterstuhl Gottes geladen.
König
Philipp IV. erlag mit 46 Jahren am 29.11.1314 den Verletzungen eines
Reitunfalls. Aber er starb in dem Bewusstsein, sein Haus gut bestellt
zu haben: seine Thronfolge schien mit drei gesunden, zeugungsfähigen
Söhnen gesichert und die französische Krone hatte keine Konkurrenz
mehr zu fürchten. Doch das sollte sich als Irrtum heraus stellen.
Die
drei Söhne folgten dem Vater in rascher Folge auf den Thron: Ludwig
X. starb am 5.6.1316; Philipp V. am 7.1.1322; Karl IV. am
1.2.1328. Ihre Söhne überlebten das Säuglingsalter nicht. Die weibliche Thronfolge gab es nicht. 1328 erlosch
die direkte Linie der Kapetinger.
Tragischerweise
für Frankreich erreichte doch ein Enkel von Philipp IV. das
Erwachsenenalter: der englische König Edward III., dessen Mutter die
Tochter von Philipp IV. war. Selbstverständlich erhob Edward III.
sofort nach dem Tod des letzten Onkels Anspruch auf den französischen
Thron. Die französischen Adeligen sprachen ihm aber das
Thronfolgerecht ab, weil er es über seine Mutter Isabella
beanspruchte und in Frankreich Frauen nicht thronfolgeberechtigt
waren. Sie wählten als König einen Abkömmling aus der Seitenlinie
der Valois. Das nahm der englische König jedoch nicht hin und setzte
mit einem Heer nach Frankreich über. Damit löste er den 100jährigen
Krieg um die Krone Frankreichs aus mit tausenden Todesopfern.
Gewonnen
hat im Machtkampf der Obrigkeiten keiner, verloren aber alle.
Entscheidend
ist, was Glaubensbücher tatsächlich lehren, und nicht, was einige
wenige daraus machen. Wer seinen Glauben ernst nimmt, kommt nicht
umhin, selbst die heiligen Schriften zu lesen und darf sich nicht
darauf verlassen, was manche „Fromme“ behaupten, an Weisheiten
darin zu finden.
Aus
einem so umfangreichen Buch wie der Bibel, die in einem Zeitraum von
über 1000 Jahren geschrieben wurde (ca. 1000 v. Chr. - ca. 150
n.Chr.), kann man sich leicht alles das herauspicken, was für den
eigenen Zweck brauchbar ist. Mit christlicher Lehre hat das aber dann
nicht mehr viel zu tun.
Viele
Forderungen, die Jesus an die Nachfolge stellt, sind unbequem
und schwer zu erfüllen. So will Jesus eine Gesellschaft, die auf
Nächstenliebe und Barmherzigkeit aufgebaut ist und nicht auf
egoistischem Machtstreben. Und deshalb warnt Jesus alle die, die
Gewalt als legitimes Instrument zur Durchsetzung religiöser
Interessen befürworten, dass ihnen das keinen Erfolg bringen wird:
„Selig sind die Sanftmütigen, denn sie
werden das Erdreich besitzen.“ (Matthäus
5,5)
sehr interessant, anhand eines geschichtlichen Beispieles dies vor Augen zu führen.
AntwortenLöschenEs ist traurig, weil die Religion soll Menschen helfen, und sie sollen sie nicht so missbrauchen