Jesus
in Jerusalem
Eines
Tages begann Jesus seinen überraschten Jüngern anzukündigen, dass
sein Wirken in Galiläa bald zu Ende sein werde: „Ich
muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und
Hohepriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei
Tagen auferstehen.“
(Markus 8,31)
Vehement
wiesen Petrus und die anderen Elf Jesu Worte zurück und waren sich
einig, dass dies keinesfalls passieren dürfe. Sie konnten sich ein
Leben ohne ihren hoch verehrten Meister, für den sie alles
zurückgelassen hatten, nicht vorstellen.
Aber
ihr Einspruch half nichts, der Aufbruch nach Jerusalem, dem heiligen
Zentrum der jüdischen Religion, kam bald darauf. Mit einem
beklemmenden Gefühl und großen Sorgen folgten die Jünger ihrem
Herrn in jene Stadt, in der die jüdische Geistlichkeit ein strenges
religiöses Regiment führte. Würde Jesus dort wirklich den Tod zu
erwarten haben?
Doch
dann die große Überraschung: Jesus wurde bei seiner Ankunft von den Jerusalemern mit frenetischem Jubel begrüßt: „Hosianna
dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn!
Hosianna in der Höhe!“ (Matthäus
21,9) Und die Leute breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere
hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf die Straße.
Der
Grund dafür war, dass der Wanderprediger aus Nazareth einen
symbolträchtigen Auftritt gewählt hatte. Er ging nicht einfach wie
andere Pilger durch eines der zahlreichen Stadttore, sondern ritt auf
einem Esel hinein. Jesus tat dies nicht aus Bequemlichkeit, sondern
um mit seinem auffälligen Erscheinen eine besondere Aussage zu
machen. Er wollte den Menschen vor Augen führen, dass er der vom
Volk Israel heiß ersehnte Erlöser ist. Deshalb erfüllte er mit
seinem Auftritt die Vorhersage des Propheten Sacharja: „Juble
laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König
kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, demütig und auf einem
Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin.“
(Sacharja 9,9) Daran
würden sie das Kommen des echten Messias erkennen. Die Menschen in
Jerusalem, die alle in den Synagogen über die Messiasprophezeiung
gelernt hatten, begriffen sofort die sensationelle Botschaft, als
Jesus auf einem Esel reitend in die heilige
Stadt einzog.
Nur
wenige Tage später werden dieselben Menschen Jesus ihren Hass
entgegenschleudern und lauthals schreien: „Kreuzige,
kreuzige ihn!“ (Lukas
23,21) Und um ihre Wut gegen den Mann aus Galiläa noch zu
unterstreichen, werden sie sich selbst verfluchen: „Sein
Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Matthäus
27,25)
Was
war passiert? Wieso diese radikale Kehrtwendung vom „Hosianna“
zum „Kreuzige“?
Dass
die Menschenmenge von den Priestern und Pharisäern, den Todfeinden
Jesu, aufgehetzt worden war, ist schon klar, aber dass die führenden
Geistlichen dies überhaupt konnten, musste tiefere Gründe haben.
Ganz offensichtlich hatte Jesus die Menschen in Jerusalem enttäuscht,
aber warum nur? Offenbar gab es ein Missverständnis auf seiten der
jüdischen Bevölkerung.
Seit
Jahrzehnten übten die Römer in Palästina die politische
Vorherrschaft aus. Sie kassierten Steuern, hatten das alleinige Recht
auf Verhängung der Todesstrafe und überall waren Legionen
stationiert.
Aber die Besatzungsmacht übte andererseits religiöse
Toleranz aus und bemühte sich, die Riten und Bräuche der von ihnen
unterjochten Völker zu respektieren. Auch die Juden durften ihren
Glauben frei ausleben, aber trotzdem empfanden sie es als Entweihung,
dass sich Heiden im Heiligen Land breit gemacht hatten.
Deshalb
sehnten sich die Juden nach einem Befreier von der heidnischen
Vorherrschaft. Jesus aber lehnte diese Forderung entschieden ab: „So
gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“
(Matthäus 22,21) Damit
anerkannte Jesus die verhasste Fremdherrschaft und wies die Forderung
nach einer politischen Rolle zurück: „Mein
Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Johannes
18,36a) hielt er dem Statthalter Pontius Pilatus entgegen. Das
Reich Gottes, das Jesus meinte, befindet sich erst in der
jenseitigen, noch nicht sichtbaren Welt. Seine Aufgabe als
Wanderprediger war es gewesen, die Menschen zur Umkehr in ihrem Lebenswandel
aufzurufen, damit sie nach der Apokalypse, dem Weltuntergang, Einlass
in das himmlische Gottesreich finden würden. Unablässig hatte er
seine Zuhörerschaft ermahnt: „Die Zeit ist erfüllt,
und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das
Evangelium!“ (Markus
1,15)
Die
Mehrzahl der Juden dagegen hing einer politischen Messiaserwartung an
und stellte sich das Reich Gottes im diesseitigen Palästina vor, dem
ihnen von Gott verheißenen Land, in dem Milch und Honig fließen.
Die Israeliten sahen die Aufgabe des Messias darin, das für das
Gottesreich bestimmte und als Eigentum Gottes Heilige Land von den
heidnischen Eindringlingen zu befreien - wenn nötig mit
Waffengewalt, vielleicht auch mit Unterstützung himmlischer
Heerscharen. Der jüdische Messias, wie ihn sich auch die Jerusalemer
zur Zeit Jesu vorstellten, sollte die Römer aus Palästina
vertreiben.
Jesus
hatte durch sein öffentliches Wirken als Wanderprediger in Galiläa
und seinen symbolträchtigen Einzug als Messias Erwartungen in
Jerusalem geweckt, die er nicht erfüllen konnte und wollte. Als
sich Jesus dann auch noch öffentlich von den politischen Wünschen
distanzierte, schlug aus enttäuschter Hoffnung die Begeisterung der
Menschen in Hass um.
Der
römische Präfekt hätte den Prediger aus Nazareth, den er für
unschuldig hielt, retten können, brachte aber angesichts der
wütenden Menge nicht den Mut dazu auf. Jesus musste den Gang nach
Golgatha antreten. Er starb am Nachmittag desselben Tages und wurde
noch schnell vor Beginn des Passafestes in ein Felsengrab gelegt.
Die
Menschenmenge zerstreute sich. Die Anhänger Jesu zogen sich
verzweifelt in Privathäuser zurück, um zu trauern. Und die
jüdischen Geistlichen glaubten, ihren schärfsten Kritiker endgültig
besiegt zu haben. Aber sie sollten sich irren. Denn drei Tage
später zeigte sich, dass Jesus tatsächlich der von Sacharja
prophezeite Messias war. Denn er kehrte aus dem Tod in das Leben
zurück.
Und
als 50 Tage später, zu Pfingsten, Petrus öffentlich die
Auferstehung Jesu verkündete, ließen sich viele Juden, die Jesus
hatten sterben sehen, taufen. Die Predigt des Jüngers öffnete ihnen
die Augen, und sie begriffen, dass sie die Messiasprophezeiung
missverstanden hatten.
Und
so bekannten sich ab dieser Zeit immer mehr Menschen zu Jesus
Christus, unserem Herrn und Heiland, und richteten die Prioritäten
ihres Lebens nach seinem Evangelium aus: „Trachtet
zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird
euch alles andere zufallen.“ (Matthäus
6,33)
sehr schön, inspiriert! :)
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