Sonntag, 13. März 2016


Jesus in Jerusalem

Eines Tages begann Jesus seinen überraschten Jüngern anzukündigen, dass sein Wirken in Galiläa bald zu Ende sein werde: „Ich muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und nach drei Tagen auferstehen.“ (Markus 8,31)
Vehement wiesen Petrus und die anderen Elf Jesu Worte zurück und waren sich einig, dass dies keinesfalls passieren dürfe. Sie konnten sich ein Leben ohne ihren hoch verehrten Meister, für den sie alles zurückgelassen hatten, nicht vorstellen.

Aber ihr Einspruch half nichts, der Aufbruch nach Jerusalem, dem heiligen Zentrum der jüdischen Religion, kam bald darauf. Mit einem beklemmenden Gefühl und großen Sorgen folgten die Jünger ihrem Herrn in jene Stadt, in der die jüdische Geistlichkeit ein strenges religiöses Regiment führte. Würde Jesus dort wirklich den Tod zu erwarten haben?


Doch dann die große Überraschung: Jesus wurde bei seiner Ankunft von den Jerusalemern mit frenetischem Jubel begrüßt: „Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe!“ (Matthäus 21,9) Und die Leute breiteten ihre Kleider auf den Weg, andere hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf die Straße.

Der Grund dafür war, dass der Wanderprediger aus Nazareth einen symbolträchtigen Auftritt gewählt hatte. Er ging nicht einfach wie andere Pilger durch eines der zahlreichen Stadttore, sondern ritt auf einem Esel hinein. Jesus tat dies nicht aus Bequemlichkeit, sondern um mit seinem auffälligen Erscheinen eine besondere Aussage zu machen. Er wollte den Menschen vor Augen führen, dass er der vom Volk Israel heiß ersehnte Erlöser ist. Deshalb erfüllte er mit seinem Auftritt die Vorhersage des Propheten Sacharja: „Juble laut, Tochter Zion, jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir, gerecht und siegreich ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin.“ (Sacharja 9,9) Daran würden sie das Kommen des echten Messias erkennen. Die Menschen in Jerusalem, die alle in den Synagogen über die Messiasprophezeiung gelernt hatten, begriffen sofort die sensationelle Botschaft, als Jesus auf einem Esel reitend in die heilige Stadt einzog.

Nur wenige Tage später werden dieselben Menschen Jesus ihren Hass entgegenschleudern und lauthals schreien: „Kreuzige, kreuzige ihn!“ (Lukas 23,21) Und um ihre Wut gegen den Mann aus Galiläa noch zu unterstreichen, werden sie sich selbst verfluchen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!“ (Matthäus 27,25)
Was war passiert? Wieso diese radikale Kehrtwendung vom „Hosianna“ zum „Kreuzige“?
Dass die Menschenmenge von den Priestern und Pharisäern, den Todfeinden Jesu, aufgehetzt worden war, ist schon klar, aber dass die führenden Geistlichen dies überhaupt konnten, musste tiefere Gründe haben. Ganz offensichtlich hatte Jesus die Menschen in Jerusalem enttäuscht, aber warum nur? Offenbar gab es ein Missverständnis auf seiten der jüdischen Bevölkerung.

Seit Jahrzehnten übten die Römer in Palästina die politische Vorherrschaft aus. Sie kassierten Steuern, hatten das alleinige Recht auf Verhängung der Todesstrafe und überall waren Legionen stationiert. 
Aber die Besatzungsmacht übte andererseits religiöse Toleranz aus und bemühte sich, die Riten und Bräuche der von ihnen unterjochten Völker zu respektieren. Auch die Juden durften ihren Glauben frei ausleben, aber trotzdem empfanden sie es als Entweihung, dass sich Heiden im Heiligen Land breit gemacht hatten.
Deshalb sehnten sich die Juden nach einem Befreier von der heidnischen Vorherrschaft. Jesus aber lehnte diese Forderung entschieden ab: „So gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.“ (Matthäus 22,21) Damit anerkannte Jesus die verhasste Fremdherrschaft und wies die Forderung nach einer politischen Rolle zurück: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (Johannes 18,36a) hielt er dem Statthalter Pontius Pilatus entgegen. Das Reich Gottes, das Jesus meinte, befindet sich erst in der jenseitigen, noch nicht sichtbaren Welt. Seine Aufgabe als Wanderprediger war es gewesen, die Menschen zur Umkehr in ihrem Lebenswandel aufzurufen, damit sie nach der Apokalypse, dem Weltuntergang, Einlass in das himmlische Gottesreich finden würden. Unablässig hatte er seine Zuhörerschaft ermahnt: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1,15)

Die Mehrzahl der Juden dagegen hing einer politischen Messiaserwartung an und stellte sich das Reich Gottes im diesseitigen Palästina vor, dem ihnen von Gott verheißenen Land, in dem Milch und Honig fließen. Die Israeliten sahen die Aufgabe des Messias darin, das für das Gottesreich bestimmte und als Eigentum Gottes Heilige Land von den heidnischen Eindringlingen zu befreien - wenn nötig mit Waffengewalt, vielleicht auch mit Unterstützung himmlischer Heerscharen. Der jüdische Messias, wie ihn sich auch die Jerusalemer zur Zeit Jesu vorstellten, sollte die Römer aus Palästina vertreiben.
Jesus hatte durch sein öffentliches Wirken als Wanderprediger in Galiläa und seinen symbolträchtigen Einzug als Messias Erwartungen in Jerusalem geweckt, die er nicht erfüllen konnte und wollte. Als sich Jesus dann auch noch öffentlich von den politischen Wünschen distanzierte, schlug aus enttäuschter Hoffnung die Begeisterung der Menschen in Hass um.

Der römische Präfekt hätte den Prediger aus Nazareth, den er für unschuldig hielt, retten können, brachte aber angesichts der wütenden Menge nicht den Mut dazu auf. Jesus musste den Gang nach Golgatha antreten. Er starb am Nachmittag desselben Tages und wurde noch schnell vor Beginn des Passafestes in ein Felsengrab gelegt.
Die Menschenmenge zerstreute sich. Die Anhänger Jesu zogen sich verzweifelt in Privathäuser zurück, um zu trauern. Und die jüdischen Geistlichen glaubten, ihren schärfsten Kritiker endgültig besiegt zu haben. Aber sie sollten sich irren. Denn drei Tage später zeigte sich, dass Jesus tatsächlich der von Sacharja prophezeite Messias war. Denn er kehrte aus dem Tod in das Leben zurück.

Und als 50 Tage später, zu Pfingsten, Petrus öffentlich die Auferstehung Jesu verkündete, ließen sich viele Juden, die Jesus hatten sterben sehen, taufen. Die Predigt des Jüngers öffnete ihnen die Augen, und sie begriffen, dass sie die Messiasprophezeiung missverstanden hatten.
Und so bekannten sich ab dieser Zeit immer mehr Menschen zu Jesus Christus, unserem Herrn und Heiland, und richteten die Prioritäten ihres Lebens nach seinem Evangelium aus: „Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch alles andere zufallen.“ (Matthäus 6,33)

1 Kommentar: