Die
Erscheinungen Jesu nach Ostern
Obwohl
Jesus seinen Jüngern in Galiläa immer wieder angekündigt hat, er
werde am 3. Tage von den Toten auferstehen, begreifen sie das
Osterereignis nicht und stehen fassungslos und ungläubig vor dem
leeren Grab. Die Jünger können sich das Verschwinden der Leiche
nicht erklären. Sie sind ratlos. Verwirrt und verängstigt bleiben
sie weiterhin verborgen vor der Öffentlichkeit in ihren
Unterkünften. Die Angst des Hohepriesters, die Jünger könnten den
Leichnam Jesu stehlen und dann allen die frohe Botschaft von seiner
Auferstehung verkünden, ist unbegründet. Denn ganz offensichtlich
glauben die Jünger selbst nicht daran, dass Jesu Prophezeiung in
Erfüllung gegangen ist. Das leere Grab überzeugt sie nicht. Sie
halten Jesus trotzdem für tot.
Es ist
nur eine Frage der Zeit, bis die vereinsamten Jünger in ihre
galiläische Heimat zurückkehren werden - zu ihren Familien, in ihre
Berufe. Dies alles haben sie für Jesus zurückgelassen, und nun ist
die Bewegung, die er ins Leben gerufen hat, mit der Kreuzigung des
Rabbis gescheitert. Was hält sie also noch in Jerusalem? In den
Tagen nach der Hinrichtung haben sie das Bedürfnis, zusammen zu
sitzen und gemeinsam um den getöteten Meister zu trauern, aber bald
werden sie in ihr altes Leben zurückkehren, und nur die Erinnerung
an aufregende Jahre wird ihnen bleiben.
Jetzt,
nach Jesu Kreuzigung, haben sie offensichtlich vergessen, dass der
Herr sie gelehrt hat, dass er am 3. Tage von den Toten auferstehen
wird. Leicht zu überzeugen waren die Jünger noch nie. Schon während
der Zeit von Jesu Wanderungen in Galiläa zeigten sich seine Jünger
oft begriffsstutzig. Sie verstanden meistens Jesu Gleichnisse nicht,
waren eifersüchtig aufeinander, kamen sofort in Panik, wenn sie von
Naturgefahren bedroht wurden, und liefen letztendlich in Todesangst
davon.
Trotzdem
hat Jesus das Vertrauen in sie nie verloren. Der Rabbi aus Nazareth
hatte ja nicht deshalb Schüler um sich gesammelt, damit er nicht
allein durch die Gegend wandern muss, sondern dass sie nach seiner
Rückkehr in den Himmel seine Mission auf der Erde fortsetzen. Denn
für Jesus beginnt der Siegeszug seiner Mission erst jetzt, nachdem
er den Tod überwunden hat. Seine Jünger lehrte er in den Jahren
seines öffentlichen Wirkens die frohe Botschaft mit der Zielsetzung,
dass sie nach Ostern das Evangelium in die Welt hinaus tragen.
Das
jedenfalls war der Plan von Jesus, aber er scheint zum Scheitern
verurteilt. Denn solange seine Jünger seine leibliche Auferstehung
anzweifeln, können sie nicht als Aposteln in die Welt hinausziehen
und den Menschen das Evangelium bringen. Der auferstandene Jesus muss
sich persönlich seinen zweifelnden Jüngern zeigen, damit seine
messianische Aufgabe nicht scheitert.
Jesus
tritt also persönlich unter sie, um ihnen seine leibliche
Auferstehung zu beweisen, aber selbst seine Erscheinung räumt ihre
Zweifel nicht völlig aus. Manche von den Jüngern verlangen sogar
weitere Beweise, wie Thomas, der erst daran glaubt, nachdem er seine
Hände in die Wundmale Jesu legen konnte.
Warum
sind die Jünger so schwer davon zu überzeugen, dass ihr verehrter
Meister aus dem Reich des Todes zurückgekehrt ist und lebt? Sie
haben doch in Galiläa selbst miterlebt, wie er die verschiedensten
Wunder vollbracht hat. Sie wissen, dass er Dinge tun kann, die
naturwissenschaftlich nicht zu erklären sind. Er heilte unheilbar
Kranke, er stillte Sturm und Wellen.
Was ist also los mit den Jüngern?
Offenbar
stehen sie unter Schock. Im Grunde genommen sind sie einfache Leute,
die fest im realen Leben verankert sind. Zwar kennen sie die
Messiasprophezeiungen der alttestamentlichen Propheten, aber die
Jünger erwarten nicht, dass diese gerade in ihrer Lebenszeit in
Erfüllung gehen.
Nichts
deutet auf das Außergewöhnliche hin, als Jesus von Nazareth, einer
unter vielen Wanderpredigern, Männer in Galiläa auffordert, mit ihm
zu gehen und ihn auf seinen Wanderungen zu begleiten. Sie schließen
sich begeistert einem frommen Mann an, dessen Herkunftsfamilie
bekannt ist. Sein Konflikt mit der hohen Geistlichkeit bringt ihn ans
Kreuz, und er stirbt einen qualvollen Tod - wie viele Aufrührer und
Revolutionäre vor Jesus. Alles bleibt im Bereich des Realistischen
und Erklärbaren.
Anders
verhält es sich mit der Auferstehung von den Toten im Diesseits.
Das ist ein Vorgang, der im alltäglichen jüdischen Denken nicht
vorkommt und den die Jünger nicht nachvollziehen können. Sie sind
mit einer ganz außergewöhnlichen Wendung der Ereignisse
konfrontiert und sind ihr nicht gewachsen.
Aber
wieso haben die Jünger den auferstandenen Jesus nicht an seinem
Aussehen erkannt? Sie wussten doch, wie Jesus aussieht. Sein Gesicht
war ihnen doch vertraut.
Die
Emmausjünger halten Jesus für einen Fremden, als er mit ihnen geht
und sich mit ihnen unterhält. Offenbar hat der Auferstandene eine
normale Gestalt und ist kein Geistwesen, weil die beiden Männer
unbefangen mit dem Unbekannten reden und ihn sogar in ihr Haus zum
Essen einladen. Und erst jetzt, als Jesus auf eine ganz spezielle
Weise, die nur ihm eigen ist, das Brot bricht, begreifen die
Emmausjünger, wer ihr Gast ist. Aber kaum erkennen sie ihn,
verschwindet Jesus wieder, ohne weiter am Essen teilzunehmen. Geht er
wortlos weg? Wird er unsichtbar? Der Evangelist Lukas führt es nicht
weiter aus, aber er berichtet, dass die zwei Männer aus Emmaus
sofort nach Jerusalem zurückkehren und den elf verbliebenen Jüngern
das Vorgefallene berichten. Und noch während sie alle staunen,
erscheint Jesus in ihrer Mitte. Man möchte meinen, dass sie jetzt
endlich begreifen, dass die Auferstehung ein reeller Tatbestand ist.
Aber nein, sie erschrecken wieder nur und glauben, einen Geist vor
sich zu haben. Das persönliche Erscheinen des Auferstandenen kommt
für die trauernden Jünger so unerwartet, dass sie ihren Augen nicht
trauen.
Wie
überfordert die Jünger mit der Auferstehung Jesu sind, lässt sich
daran erkennen, dass sie selbst dann noch zweifeln, als ihnen der
Auferstandene selbst gegenüber steht. Erst nachdem Jesus durch
Brotbrechen und Wundmale seine „Identität“ nachweist, glauben
sie an seine leibliche Auferstehung und lösen sich aus ihrer
Erstarrung, in die nach seiner Kreuzigung gefallen sind. Jetzt
endlich erfasst sie ein ungeheures Glücksgefühl und euphorische Freude.
Jesus
erscheint, Jesus verschwindet wieder. Wo wohnt er zwischen
Auferstehung und Himmelfahrt oder braucht er keine Unterkunft mehr?
Der
Evangelist Johannes schreibt in seinem Prolog: „Und
das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine
Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom
Vater, voller Gnade und Wahrheit.“(1,14)
In Jesus von Nazareth hat sich Gott eine menschliche Gestalt gegeben,
um die Menschen, die er erschaffen hat von der Sünde zu erretten.
Nun hat er seine irdische Mission, die von der Predigt vom Reich
Gottes über die Kreuzigung bis zur Auferstehung von den Toten
reicht, erfüllt und kann wieder „vom Fleisch zum Wort“
werden. Langsam vollzieht sich die Rückverwandlung der menschlichen
Natur Jesu in die göttliche Natur Christi. Nach der Rückkehr in den
Himmel ist Jesus nur noch Gott und wird auch nur noch als „Dominus
/ Herr“ angesprochen und verehrt.
Heute
begegnen wir Jesus nur noch in seiner göttlichen Gestalt, d.h. wir
können ihn nicht sehen, aber wir fühlen seine Gegenwart. Sichtbar
wird Jesus erst wieder am Ende der Zeit, wenn die Apokalypse
anbricht, wie der Evangelist Markus schreibt: „Aber
zu jener Zeit, nach dieser Bedrängnis, wird die Sonne sich
verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne
werden vom Himmel fallen,und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken
kommen. Und sie werden sehen den Menschensohn (Jesus Christus) kommen
in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit.“
(13,24-26)
Historisch
anerkannt ist der biblisch bezeugte Auferstehungsglaube, nicht die
Auferstehung selbst. Sie wird indirekt bewiesen durch die radikale
Verhaltensänderung der Jünger. Sie verwandeln sich innerhalb weniger
Tage von mutlos Trauernden zu engagierten Verkündigern der frohen
Botschaft des Evangeliums, ohne dass sich ein sichtbarer Einfluss von
außen feststellen ließe.
Leider
glauben heute immer weniger Christen an die leibliche Auferstehung
Jesu von den Toten. Aber gerade sie ist das Kernstück der
christlichen Lehre, das Fundament unseres Glaubens. Nur weil Jesus
den Tod überwunden hat, werden auch wir aus unseren Gräbern in ein
neues Leben zurückkehren. Ist Jesus als Leiche verwest, ist das auch
für die Menschen die Endstation. In diesem Fall gibt es keine
Hoffnung auf ein Leben im Reich Gottes, weil es gar kein Reich Gottes
gibt. Dann ist die christliche Religion nichts weiter als eine
riesige Illusion, oder überspitzt ausgedrückt: ein Irrglaube, und
Ostern nur noch ein Fest des Osterhasen, der gefärbte Eier bringt.
Doch
wir dürfen nicht resignieren und die christliche Kirche verloren
geben. Denn so wie Jesus damals seinen Jüngern geholfen hat, an
seine leibliche Auferstehung von den Toten zu glauben, so tut er das
auch heute für uns. Er wird den richtigen Weg finden, um die
Zweifler zu überzeugen.
Es ist schwer, plötzloich etwas zu erleben mit dem man nicht rechnet. Es heißt zwar immer, man soll glauben, aber wie schwer fällt es uns im Alltag und wie oft zweifeln wir wenn jemand kommt und uns etwas prädigt?
AntwortenLöschenich kann verstehen, wie sich die Jünger gefühlt haben, aber man erkennt auch Gottes Gnade, dass er nicht aufgab bei ihnen.