Montag, 11. Mai 2015


Die Erscheinungen Jesu nach Ostern

Obwohl Jesus seinen Jüngern in Galiläa immer wieder angekündigt hat, er werde am 3. Tage von den Toten auferstehen, begreifen sie das Osterereignis nicht und stehen fassungslos und ungläubig vor dem leeren Grab. Die Jünger können sich das Verschwinden der Leiche nicht erklären. Sie sind ratlos. Verwirrt und verängstigt bleiben sie weiterhin verborgen vor der Öffentlichkeit in ihren Unterkünften. Die Angst des Hohepriesters, die Jünger könnten den Leichnam Jesu stehlen und dann allen die frohe Botschaft von seiner Auferstehung verkünden, ist unbegründet. Denn ganz offensichtlich glauben die Jünger selbst nicht daran, dass Jesu Prophezeiung in Erfüllung gegangen ist. Das leere Grab überzeugt sie nicht. Sie halten Jesus trotzdem für tot.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die vereinsamten Jünger in ihre galiläische Heimat zurückkehren werden - zu ihren Familien, in ihre Berufe. Dies alles haben sie für Jesus zurückgelassen, und nun ist die Bewegung, die er ins Leben gerufen hat, mit der Kreuzigung des Rabbis gescheitert. Was hält sie also noch in Jerusalem? In den Tagen nach der Hinrichtung haben sie das Bedürfnis, zusammen zu sitzen und gemeinsam um den getöteten Meister zu trauern, aber bald werden sie in ihr altes Leben zurückkehren, und nur die Erinnerung an aufregende Jahre wird ihnen bleiben.


Jetzt, nach Jesu Kreuzigung, haben sie offensichtlich vergessen, dass der Herr sie gelehrt hat, dass er am 3. Tage von den Toten auferstehen wird. Leicht zu überzeugen waren die Jünger noch nie. Schon während der Zeit von Jesu Wanderungen in Galiläa zeigten sich seine Jünger oft begriffsstutzig. Sie verstanden meistens Jesu Gleichnisse nicht, waren eifersüchtig aufeinander, kamen sofort in Panik, wenn sie von Naturgefahren bedroht wurden, und liefen letztendlich in Todesangst davon.

Trotzdem hat Jesus das Vertrauen in sie nie verloren. Der Rabbi aus Nazareth hatte ja nicht deshalb Schüler um sich gesammelt, damit er nicht allein durch die Gegend wandern muss, sondern dass sie nach seiner Rückkehr in den Himmel seine Mission auf der Erde fortsetzen. Denn für Jesus beginnt der Siegeszug seiner Mission erst jetzt, nachdem er den Tod überwunden hat. Seine Jünger lehrte er in den Jahren seines öffentlichen Wirkens die frohe Botschaft mit der Zielsetzung, dass sie nach Ostern das Evangelium in die Welt hinaus tragen.
Das jedenfalls war der Plan von Jesus, aber er scheint zum Scheitern verurteilt. Denn solange seine Jünger seine leibliche Auferstehung anzweifeln, können sie nicht als Aposteln in die Welt hinausziehen und den Menschen das Evangelium bringen. Der auferstandene Jesus muss sich persönlich seinen zweifelnden Jüngern zeigen, damit seine messianische Aufgabe nicht scheitert.

Jesus tritt also persönlich unter sie, um ihnen seine leibliche Auferstehung zu beweisen, aber selbst seine Erscheinung räumt ihre Zweifel nicht völlig aus. Manche von den Jüngern verlangen sogar weitere Beweise, wie Thomas, der erst daran glaubt, nachdem er seine Hände in die Wundmale Jesu legen konnte.
Warum sind die Jünger so schwer davon zu überzeugen, dass ihr verehrter Meister aus dem Reich des Todes zurückgekehrt ist und lebt? Sie haben doch in Galiläa selbst miterlebt, wie er die verschiedensten Wunder vollbracht hat. Sie wissen, dass er Dinge tun kann, die naturwissenschaftlich nicht zu erklären sind. Er heilte unheilbar Kranke, er stillte Sturm und Wellen. Was ist also los mit den Jüngern?

Offenbar stehen sie unter Schock. Im Grunde genommen sind sie einfache Leute, die fest im realen Leben verankert sind. Zwar kennen sie die Messiasprophezeiungen der alttestamentlichen Propheten, aber die Jünger erwarten nicht, dass diese gerade in ihrer Lebenszeit in Erfüllung gehen.
Nichts deutet auf das Außergewöhnliche hin, als Jesus von Nazareth, einer unter vielen Wanderpredigern, Männer in Galiläa auffordert, mit ihm zu gehen und ihn auf seinen Wanderungen zu begleiten. Sie schließen sich begeistert einem frommen Mann an, dessen Herkunftsfamilie bekannt ist. Sein Konflikt mit der hohen Geistlichkeit bringt ihn ans Kreuz, und er stirbt einen qualvollen Tod - wie viele Aufrührer und Revolutionäre vor Jesus. Alles bleibt im Bereich des Realistischen und Erklärbaren.
Anders verhält es sich mit der Auferstehung von den Toten im Diesseits. Das ist ein Vorgang, der im alltäglichen jüdischen Denken nicht vorkommt und den die Jünger nicht nachvollziehen können. Sie sind mit einer ganz außergewöhnlichen Wendung der Ereignisse konfrontiert und sind ihr nicht gewachsen.

Aber wieso haben die Jünger den auferstandenen Jesus nicht an seinem Aussehen erkannt? Sie wussten doch, wie Jesus aussieht. Sein Gesicht war ihnen doch vertraut.
Die Emmausjünger halten Jesus für einen Fremden, als er mit ihnen geht und sich mit ihnen unterhält. Offenbar hat der Auferstandene eine normale Gestalt und ist kein Geistwesen, weil die beiden Männer unbefangen mit dem Unbekannten reden und ihn sogar in ihr Haus zum Essen einladen. Und erst jetzt, als Jesus auf eine ganz spezielle Weise, die nur ihm eigen ist, das Brot bricht, begreifen die Emmausjünger, wer ihr Gast ist. Aber kaum erkennen sie ihn, verschwindet Jesus wieder, ohne weiter am Essen teilzunehmen. Geht er wortlos weg? Wird er unsichtbar? Der Evangelist Lukas führt es nicht weiter aus, aber er berichtet, dass die zwei Männer aus Emmaus sofort nach Jerusalem zurückkehren und den elf verbliebenen Jüngern das Vorgefallene berichten. Und noch während sie alle staunen, erscheint Jesus in ihrer Mitte. Man möchte meinen, dass sie jetzt endlich begreifen, dass die Auferstehung ein reeller Tatbestand ist. Aber nein, sie erschrecken wieder nur und glauben, einen Geist vor sich zu haben. Das persönliche Erscheinen des Auferstandenen kommt für die trauernden Jünger so unerwartet, dass sie ihren Augen nicht trauen.

Wie überfordert die Jünger mit der Auferstehung Jesu sind, lässt sich daran erkennen, dass sie selbst dann noch zweifeln, als ihnen der Auferstandene selbst gegenüber steht. Erst nachdem Jesus durch Brotbrechen und Wundmale seine „Identität“ nachweist, glauben sie an seine leibliche Auferstehung und lösen sich aus ihrer Erstarrung, in die nach seiner Kreuzigung gefallen sind. Jetzt endlich erfasst sie ein ungeheures Glücksgefühl und euphorische Freude.

Jesus erscheint, Jesus verschwindet wieder. Wo wohnt er zwischen Auferstehung und Himmelfahrt oder braucht er keine Unterkunft mehr?
Der Evangelist Johannes schreibt in seinem Prolog: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns; und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“(1,14) In Jesus von Nazareth hat sich Gott eine menschliche Gestalt gegeben, um die Menschen, die er erschaffen hat von der Sünde zu erretten. Nun hat er seine irdische Mission, die von der Predigt vom Reich Gottes über die Kreuzigung bis zur Auferstehung von den Toten reicht, erfüllt und kann wieder „vom Fleisch zum Wort“ werden. Langsam vollzieht sich die Rückverwandlung der menschlichen Natur Jesu in die göttliche Natur Christi. Nach der Rückkehr in den Himmel ist Jesus nur noch Gott und wird auch nur noch als „Dominus / Herr“ angesprochen und verehrt.

Heute begegnen wir Jesus nur noch in seiner göttlichen Gestalt, d.h. wir können ihn nicht sehen, aber wir fühlen seine Gegenwart. Sichtbar wird Jesus erst wieder am Ende der Zeit, wenn die Apokalypse anbricht, wie der Evangelist Markus schreibt: „Aber zu jener Zeit, nach dieser Bedrängnis, wird die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren, und die Sterne werden vom Himmel fallen,und die Kräfte der Himmel werden ins Wanken kommen. Und sie werden sehen den Menschensohn (Jesus Christus) kommen in den Wolken mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ (13,24-26)

Historisch anerkannt ist der biblisch bezeugte Auferstehungsglaube, nicht die Auferstehung selbst. Sie wird indirekt bewiesen durch die radikale Verhaltensänderung der Jünger. Sie verwandeln sich innerhalb weniger Tage von mutlos Trauernden zu engagierten Verkündigern der frohen Botschaft des Evangeliums, ohne dass sich ein sichtbarer Einfluss von außen feststellen ließe.

Leider glauben heute immer weniger Christen an die leibliche Auferstehung Jesu von den Toten. Aber gerade sie ist das Kernstück der christlichen Lehre, das Fundament unseres Glaubens. Nur weil Jesus den Tod überwunden hat, werden auch wir aus unseren Gräbern in ein neues Leben zurückkehren. Ist Jesus als Leiche verwest, ist das auch für die Menschen die Endstation. In diesem Fall gibt es keine Hoffnung auf ein Leben im Reich Gottes, weil es gar kein Reich Gottes gibt. Dann ist die christliche Religion nichts weiter als eine riesige Illusion, oder überspitzt ausgedrückt: ein Irrglaube, und Ostern nur noch ein Fest des Osterhasen, der gefärbte Eier bringt.
Doch wir dürfen nicht resignieren und die christliche Kirche verloren geben. Denn so wie Jesus damals seinen Jüngern geholfen hat, an seine leibliche Auferstehung von den Toten zu glauben, so tut er das auch heute für uns. Er wird den richtigen Weg finden, um die Zweifler zu überzeugen.



1 Kommentar:

  1. Es ist schwer, plötzloich etwas zu erleben mit dem man nicht rechnet. Es heißt zwar immer, man soll glauben, aber wie schwer fällt es uns im Alltag und wie oft zweifeln wir wenn jemand kommt und uns etwas prädigt?
    ich kann verstehen, wie sich die Jünger gefühlt haben, aber man erkennt auch Gottes Gnade, dass er nicht aufgab bei ihnen.

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