Samstag, 24. November 2018


Die Heilung eines Kranken am Teich Betesda


Wo die Medizin nicht helfen kann, hoffen die Menschen auf alternative Heilmethoden. Das galt auch schon in der Antike. Beim Schaftor in Jerusalem befand sich damals ein Teich, der hieß im Hebräischen Betesda. Ihm wurden Heilungen durch ein Wunder zugeschrieben. Die Menschen glaubten, dass von Zeit zu Zeit ein Engel aus dem Himmel herab kam und das Wasser bewegte. Und derjenige unter den wartenden Patienten, der es als erster in den Teich schaffte, wurde gesund, egal an welcher Krankheit er litt. Betesda zog viele Leidende an. Für sie wurden fünf Hallen errichtet, in denen die Kranken, Blinden, Lahmen und Ausgezehrten lebten und warteten und hofften.

Eines Tages kam Jesus beim Schaftor vorbei. Dort fiel ihm ein alter Mann auf, der am Rande der Hallen auf dem Boden lag und vor sich hin starrte. Er sah schon ziemlich entmutigt aus, immerhin hielt er sich schon seit 38 Jahren als Kranker hier auf. Der Rabbi aus Nazareth blieb neben ihm stehen: „Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, sprach er zu ihm: Willst du gesund werden?“ (Johannes 5,6) Eigentlich kannte Jesus die Antwort von vornherein, aber er wollte zuerst einmal mit dem Kranken ins Gespräch kommen. Und was ihm der Mann alles zu sagen hatte, war sehr bedrückend: „Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn sich das Wasser bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein.“ (Johannes 5,7) 


 Der alte Mann war sich nicht bewusst, dass jener Rabbi aus Galiläa vor ihm stand, der in seiner Heimat schon viele unheilbar Kranke geheilt hatte. Deshalb klagte er Jesus nur sein Leid und kam nicht auf die Idee zu sagen, ja, ich will gesund werden – er freute sich schon darüber, dass ihn einer angeredet und nach seinem Befinden gefragt hatte. Das war jahrelang nicht passiert. Achtlos waren die Passanten an dem Mann vorüber gegangen. Keiner fühlte sich veranlasst ihm zu helfen, denn schließlich wartete dieser ja ohnehin auf ein Wunder, und das würde seine Probleme schon lösen! Und deshalb brauchte man sich nicht um ihn zu kümmern! Sicher, keiner der Menschen hätte ihn gesund machen können, aber Anteilnahme zeigen und Hilfe anbieten wäre möglich gewesen. Zumindest hätte sich der Kranke nicht so einsam und verlassen gefühlt. Jesus konnte beides: seine Nächstenliebe zeigen und den Mann gesund machen: „Jesus sprach zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mann gesund und nahm sein Bett und ging hin.“ (Johannes 5,8.9) Für diesen alten Mann begann nach 38 Jahren Einsamkeit ein neues Leben in der Gemeinschaft – weil ein Gesunder nicht weggeschaut hatte.

Ein Wunder ohne Hilfe kann es nicht geben, aber braucht man noch ein Wunder, wenn einem ein aufmerksamer Mitmensch hilft? Wir leben in einer Zeit, in der wir Jesus nicht mehr persönlich auf der Straße begegnen. Das heißt nicht, dass er nicht ständig präsent ist. Seit seiner Auferstehung und Rückkehr in den Himmel ist er immer um uns, auch wenn wir ihn nicht sehen können. Ein Gebet genügt, um mit ihm in Kontakt zu treten. Und zudem er hat uns sein Vermächtnis im Evangelium hinterlassen: „Was ihr tut einem von meinen geringsten Mitmenschen, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40) Das ist keine Aufforderung zu publicitywirksamen Großtaten, mit denen man etwa in den Medien Eindruck schinden kann, sondern dazu, im Alltag aufmerksam zu sein für die großen aber auch kleinen Nöte der Mitmenschen: „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten untreu ist, der ist auch im Großen untreu.“ (Lukas 16,10) 

Oft genügt eine kleine Hilfeleistung, eine nette Geste, eine aufmerksame Nachfrage im Alltag, um das Zusammenleben in der Gemeinschaft freundlicher zu gestalten und in einer Atmosphäre der Toleranz und Nächstenliebe auch die Schwächsten miteinzubeziehen. 

So wie Jesus es uns vorgezeigt hat, der nicht achtlos an einem Bedürftigen vorüber gegangen ist, sondern ihn angesprochen und gefragt hat, ob er ihm helfen kann. Das ist der Anspruch, den Jesus an uns Christen in seiner Nachfolge hat: mit offenen Augen für die Bedürfnisse unserer Mitmenschen durch den Alltag zu gehen: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Johannes 13,15) Sich darauf zu verlassen, dass schon andere oder einfach nur der Staat sich kümmern werden, ist nicht das, was Jesus von uns erwartet.

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