Samstag, 28. Mai 2016


Jesus und Nikodemus

„Es war aber ein Mensch unter den Pharisäern mit Namen Nikodemus,
einer von den Oberen der Juden.
Der kam zu Jesus bei Nacht und sprach mit ihm.“
(Johannes 3,1.2a)

Das Beispiel des Nikodemus zeigt, dass nicht jeder Pharisäer Jesus als Irrlehrer ablehnte. Wie problematisch es aber war, als jüdischer Geistlicher, noch dazu in einer gehobenen Position, dem Rabbi aus Galiläa unvoreingenommen gegenüber zu treten, sieht man daran, dass er sich in der Nacht zu Jesus schleichen musste.

Dabei war er noch gar kein Anhänger des Wanderpredigers aus Nazareth. Er wollte erst einmal ein Gespräch mit ihm führen und sich eine eigene Meinung bilden. Diese Haltung fehlte seinen Standesgenossen: sie sahen in Jesus nur den Feind, den es zu vernichten galt. Nikodemus dagegen wollte sich mit dem „religiösen Konkurrenten“ fair auseinandersetzen.

Schon seine Begrüßungsworte, die Nikodemus an Jesus richtete, zeigten, dass er ihn für den von den alttestamentlichen Propheten angekündigten Messias hielt: „Meister, wir wissen, du bist ein Lehrer, von Gott gekommen, denn niemand kann die Zeichen tun, die du tust, es sei denn Gott mit ihm.“ (Johannes 3,2b) Nun wollte er letzte Sicherheit haben und mehr über Jesu Mission wissen, bevor er sich ihm auch öffentlich anschloss.

Die brennende Frage, die den Pharisäer zu Jesus getrieben hatte, war die Frage nach der Erlösung von den Sünden, um ins Reich Gottes aufgenommen zu werden.Und er bekam von Jesus die Antwort, auf die er gehofft hatte und die sein weiteres Leben verändern wird: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,16) Denn Gott habe seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde. Und Jesus fügte hinzu, dass diese Erlösung für ihn selbst große körperliche Qualen bedeute: „Und wie Moses in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Messias erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,14.15)

Die Bedeutung dieser Worte verstand Nikodemus in ihrem ganzen Ausmaß nicht. Dass der Weg der Erlösung über die Kreuzigung des Messias führen werde, lag für ihn außerhalb jeder Vorstellungskraft. Er unterschätzte den unbedingten Vernichtungswillen seiner geistlichen Standesgenossen. 
Aber beim Verabschieden war aus dem Pharisäer Nikodemus ein überzeugter Anhänger Jesu geworden. Dementsprechend würde er sein bisheriges Leben nicht mehr in derselben Weise fortführen können. Wie es mit ihm in den nächsten Tagen und Wochen aber weiterging, schreibt der Evangelist Johannes nicht. Für Nikodemus stand immerhin seine ganze Existenz auf dem Spiel, denn sein Einkommen und sein soziales Ansehen waren von seiner hohen Position unter den Pharisäern abhängig. Sein öffentliches Bekenntnis zum Nazarener würde ihn in seiner Gesellschaftsschichte isolieren.

Offenbar ging Nikodemus den Weg der kleinen Schritte und blieb im Kreis der führenden Pharisäer. Denn eines Tages schickten der Hohepriester und die höchsten Pharisäer Knechte aus, um Jesus zu ergreifen und zu ihnen zu bringen, weil im Volk Zwietracht über die Bedeutung seiner Person entstanden war. Die Knechte kehrten mit leeren Händen zurück, „weil noch nie ein Mensch so geredet hat wie dieser.“ (Johannes 7,46) Die jüdischen Geistlichen waren empört: „Habt ihr euch auch verführen lassen? Glaubt denn einer von den Oberen der Pharisäer an ihn? Nur das Volk tut's, das nichts vom Gesetz weiß; verflucht sei es!“ (Johannes 7,47-49

Und in dieser aufgeheizten Situation erhob Nikodemus mutig seine Stimme für den verhassten Rabbi aus Nazareth: „Richtet denn unser Gesetz einen Menschen, ehe man ihn verhört und erkannt hat, was er tut?“ (Johannes 7,51) Sofort wurde Nikodemus verdächtig: „Bist du auch ein Galiläer?“ (Johannes 7,52a

Für ihn wurde es zunehmend unausweichlich, sich ganz zu Jesus zu bekennen oder ihn fallen zu lassen.

Am Ende des Johannes Evangeliums erfahren wir, dass Nikodemus seinem Leben als Pharisäer den Rücken gekehrt und sich der Jesus-Bewegung angeschlossen hat. Nach dem Tod Jesu am Kreuz kümmerte er sich zusammen mit Josef von Arimathäa um die Bestattung: „Es kam aber auch Nikodemus, der vormals in der Nacht zu Jesus gekommen war, und brachte Myrrhe gemischt mit Aloe, etwa hundert Pfund.“ (Johannes 19,39)
Die beiden Männer banden den Leichnam Jesu in Leinentücher mit wohlriechenden Ölen und legten ihn in ein Grab, das noch nie benutzt worden war. 
 
In welcher Weise Nikodemus nach der Auferstehung Jesu sein christliches Leben gestaltet hat, ist nicht bekannt. In der Apostelgeschichte wird er nicht mehr erwähnt. Doch da bald nach Pfingsten die Christenverfolgungen durch die jüdischen Geistlichen begannen, ist unwahrscheinlich, dass er weiterhin ein Oberer der Pharisäer bleiben konnte. Aber die Hoffnung auf das Reich Gottes war ihm offenbar den Verzicht auf seinen gehobenen Lebensstandard wert.

Durch den Glauben an Jesus Christus hatte Nikodemus seinen Seelenfrieden gefunden und war durch seine öffentliche Parteinahme beim Begräbnis Jesu bereit, die Konsequenzen dafür zu tragen. Das hieß, sich dem Willen Gottes anzuvertrauen, egal wohin ihn sein künftiger Weg als Jünger Jesu führen werde. „Die Füchse haben Gruben, und die Vögel unter dem Himmel haben Nester, aber der Messias hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.“ (Matthäus 8,20) warnte Jesus sein Anhänger vor der Ungewissheit, in die die Nachfolge sie führen würde.

Aber kann uns das abschrecken? Auf jeden Fall nicht die, die wirklich an Jesus Christus glauben, denn sie vertrauen dem Herrn uneingeschränkt. Denn wir leben in der Gewissheit, dass sich Jesus um uns kümmert, denn das verspricht er uns in der Bergpredigt: „Darum sollt ihr nicht sorgen und sagen: Was werden wir essen? Was werden wir trinken? Womit werden wir uns kleiden? Nach dem allen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiß, dass ihr all dessen bedürft. Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das alles zufallen.“ (Matthäus 6,31-33)

1 Kommentar:

  1. ich finde die stelle mit nikedomus interessant, vor allem, weil das so wenig vorkommt!
    Ja, dass wir zu viel nach der welt trachten, das stimmt, denn das ist das an was wir uns klammern.

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