Samstag, 20. Februar 2016


Die biblische Frau im Wandel der Zeit


Wer kennt nicht die Geschichte von Adam und Eva? Sie ist selbst Nicht-Christen geläufig, weil die Paradiesgeschichte eines der beliebtesten Motive in Kunst und Werbung ist.
Im 2. Kapitel des 1. Buch Mose steht geschrieben, dass Gott zuerst den Mann erschuf: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde vom Acker und blies ihm den Odem des Lebens in seine Nase; so wurde der Mensch ein lebendiges Wesen.“ (1 Mose 2,7) Aber dem Mann fehlte die Gefährtin an seiner Seite: „Und Gott sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei: ich will ihm eine Gehilfin machen, die um ihn sei.“ (1 Mose 2,18) Eine fatale Bibelstelle für die Position der Frau in der christlichen Kirche. Denn eine "Gehilfin" befindet sich in einer untergeordneten Position. Stünde dort das Wort "Partnerin", wäre die Sachlage eine ganz andere.  
Verschlechtert wird die Stellung der Frau noch durch den Bericht über die Erschaffung von Eva: „Da ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloss ihre Stelle mit Fleisch. Und Gott der Herr baute ein Weib aus der Rippe, die er von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm. Da sprach der Mensch: Das ist doch Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch; man wird sie Männin nennen, weil sie vom Manne genommen ist.“ (1 Mose 2,21.23) Die Frau als „Ableger“ des Mannes?

Obwohl nachgewiesen ist, dass Männer und Frauen die gleiche Anzahl von Rippen haben, wird dieser Schöpfungsbericht seit zwei Jahrtausenden bis in unsere Zeit herangezogen, um den Frauen in weiten Teilen des Christentums den Platz unter dem Mann zuzuweisen und als gottgewollt zu begründen. Dass Jesus dies keineswegs so gehalten hat, wird mit fadenscheinigen theologischen Argumenten abgetan.
Noch immer schließen die römisch-katholische und die orthodoxe Kirche Frauen vom Priesteramt aus mit der Begründung, dass Jesus nur Männer zu seinen 12 Jüngern gemacht hat. Dabei müsste sich auch in diesen Kirchen längst durchgesetzt haben, dass die Zahl 12 und das männliche Geschlecht nur eine Analogie zu den 12 Söhnen Jakobs im Alten Testament ist, die das alte Gottesvolk Israel begründet haben. Und die Parallele zu den 12 Jüngern im Neuen Testament soll belegen, dass Jesus mit ihnen das neue Gottesvolk der Christen begründet hat.
Bewiesen wird dies durch einen Vergleich der Jüngerlisten, die in den ersten drei Evangelien (Johannes, der 4. Evangelist, lässt diese Aufzählung weg) stehen. Wenn man Matthäus 10,2-4; Markus 3,16-19 und Lukas 6,14-16 gegenüberstellt, wird man feststellen, dass die Namen nicht gänzlich übereinstimmen. Das muss zu denken geben.

Jesus hat die Frauen um ihn immer gleichwertig behandelt. Unterwürfige Frauen sind unter seinen Anhängern nicht zu finden. Das beginnt schon mit seiner Mutter, einer selbstbewussten Hausfrau, die mit der Berufswahl ihres ältesten Sohnes nicht einverstanden war: anstatt den Zimmermann-Betrieb des Vaters weiterzuführen und sich um die jüngeren Geschwister zu kümmern, zog er als mittelloser Wanderprediger durchs Land. Das demutsvolle Bild, das katholische und orthodoxe Theologie von Maria, der Mutter Jesu, zeichnen, hat nichts mit der resoluten Frau zu tun, die in den Evangelien auftritt. Und unterwürfig sind auch nicht die Jüngerinnen Jesu, die in seine Nachfolge getreten sind. Viele von ihnen sind Angehörige der höheren Gesellschaftsschichte oder besitzen zumindest ein Haus und leben in guten Verhältnissen. Doch nirgends steht etwas davon, dass sie ihre Ehemänner oder Brüder um Erlaubnis fragen mussten, ob sie den Rabbi aus Nazareth unterstützen dürfen. Die Frauen um Jesus trafen ihre eigenen Entscheidungen in einer Zeit, als die Frauen rechtlos waren. Und Jesus unterstützte sie vorbehaltlos darin.

Aber das hat schon der unbekannte Verfasser des 1. Timotheusbriefes nicht verstanden: „Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva.“ (1 Tim 2,11-13) Der Autor des 1. Timotheusbriefes hat entweder die Evangelien nicht gekannt oder sich trotzdem nicht an Jesus Christus ein Beispiel genommen, sondern dem patriachalischen Weltbild seiner Zeit den Vorzug gegeben.
Ich halte mich lieber an das, was Jesus vorgelebt und gelehrt hat, denn er allein ist unser Maßstab. Und schon Paulus hat stets betont, dass ein Herrenwort, also die Predigt Jesu, über der Meinung eines einzelnen, also auch eines Briefschreibers, steht.

Die Bücher der Bibel wurden in etwa zwischen 1000 v.Chr. und 150 n.Chr. verfasst. Das ist ein immenser Zeitrahmen, in dem sich die Lebensformen der Erdbewohner stark geändert haben. Und dann muss man noch die rund 2000 Jahre bis zur Gegenwart dazurechnen. Unser Lebensstil heute hat nichts mehr gemein mit dem Alltag der Menschen im Altertum.
Der umstrittene Schöpfungsbericht im 2. Kapitel des 1. Buch Mose vermittelt uns das bäuerliche Weltbild einer längst vergangenen Zeit. 
Damals war die Frau die wichtigste „Hilfskraft“ des Bauern, seine Gefährtin, die ihm bei der Feldarbeit half, seine Kinder zur Welt brachte und seinen Haushalt führte. Der genannte Text wurde ungefähr um 1000 v. Chr. geschrieben, in einer Zeit mit einer völlig anderen Gesellschaftsordnung als die, die wir heute in der westlichen Welt haben. 
 Wir können demnach nicht jene Familienregeln wortgetreu übernehmen, die vor über 3000 Jahren Gültigkeit gehabt haben. Bekanntlich hat das auch schon Jesus nicht gemacht, und er stand diesem Text um 2000 Jahre näher als wir das heute tun.

 Aber sehr viele christliche Männer halten zäh an ihrer Vorherrschaft fest und ignorieren die biblischen Texte, die Männer und Frauen gleichsetzen. Aber ungeachtet der nach wie vor nicht in allen christlichen Gemeinschaften gelebten Gleichberechtigung der Frau gibt es in den christlichen Kirchen doch einen Fortschritt gegenüber anderen Religionen: in den Gotteshäusern ist kein eigener Bereich für die Frauen vorgeschrieben, sondern sie können sitzen, wo sie wollen, und selbstverständlich mitten unter den Männern.

1 Kommentar:

  1. dieser 1. Timotheusbrief ist ganz schön heftig, steht das wirklich so in der Bibel? Das trifft mich etwas. Aber ich halte mich auch an das, was Jesus gelehrt hat! Immerhin ist er Gott/Gottes Sohn, also vertraue ich ihm mehr als einem Verfasser...

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