Gott lässt sich nicht spotten
Auch der König sprach dem Alkohol zu. Auf dem Höhepunkt des Gelages beging Belsazar in seinem Übermut einen religiösen Frevel: „Als er betrunken war, ließ er die goldenen und silbernen Gefäße herbeibringen, die sein Vater Nebukadnezar aus dem Tempel zu Jerusalem weggenommen hatte.“ (Daniel 5,2a)
Der frühere König Nebukadnezar (605-562 v. Chr.) hatte vor Jahren durch seine außen- und innenpolitischen Erfolge Babylon zur unumstrittenen Großmacht im Nahen Osten erhoben. Diese Übermacht wurde auch dem kleinen Königreich Juda zum Verhängnis. Als dessen König Jojakim den Tribut an Babylon verweigerte, belagerte Nebukadnezar daraufhin Jerusalem, verschonte zwar die Stadt selber, ließ aber tausende Juden zwangsweise nach Babylon bringen. Ein Jahrzehnt später lehnte sich der unbelehrbare jüdische König Zedekia mit Verbündeten militärisch gegen die überlegenen Babylonier auf und verlor alles: Jerusalem wurde völlig vernichtet und die verbliebene Elite verschleppt.
Auch den Tempel Gottes legten die Babylonier diesmal in Schutt und Asche. Aber nicht alle Kultgeräte wurden dabei vernichtet, denn etliche waren schon vor Jahren als Kriegsbeute nach Babylon gebracht worden: „Und der Herr gab in Nebukadnezars Hand Jojakim, den König von Juda, und einen Teil der Geräte aus dem Hause Gottes. Die ließ er ins Land Schinar bringen, in den Tempel seines Gottes, und tat die Geräte in die Schatzkammer seines Gottes.“ (Daniel1,2) Nebukadnezar hatte einen besonders prächtigen Tempel für den babylonischen Hauptgott Marduk errichten lassen und schmückte diesen nun mit dem Raubgut aus Juda.
Und diese heiligen Kultgeräte aus dem jüdischen Tempel ließ nun der neue König zur Belustigung seiner Gäste herbei holen. Belsazar sah kein Risiko in seiner Verhöhnung der Religion eines unterworfenen Volkes. Denn wie mächtig konnte der Gott der Juden schon sein, wenn er offensichtlich nicht zu verhindern vermochte, dass sein Volk besiegt, nach Mesopotamien deportiert und sein Tempel zerstört wurde.
Das Gelächter war groß, als die heiligen Geräte herein gebracht wurden, und alle Gäste machten begeistert bei dem Frevel des Königs mit - und legten noch eins drauf: „Und als sie so tranken, lobten sie ihre eigenen goldenen, silbernen, ehernen, eisernen, hölzernen und steinernen Götter.“ (Daniel 5,4) Der militärische Erfolg schien den Babyloniern Recht zu geben: ihre Götter hatten den Gott der Juden in die Schranken gewiesen.
Lange konnten sich die Festgäste allerdings nicht an ihrem Triumph erfreuen: „Im gleichen Augenblick gingen hervor Finger wie von einer Menschenhand, die schrieben gegenüber dem Leuchter auf die getünchte Wand in dem königlichen Saal. Und der König erblickte die Hand, die da schrieb.“ (Daniel 5,5) Belsazar, eben noch ausgelassen und in bester Feierlaune, wurde bleich, seine Beine zitterten, und er wurde starr vor Schreck. Angst breitete sich im Saale aus: „So aber lautet die Schrift, die dort geschrieben steht: Mene mene tekel u-parsin.“ (Daniel 5,25)
Daniel, einer aus dem besiegten Juda deportierter Gefangener, von dem bekannt war, dass er Träume zu deuten, dunkle Sprüche zu erraten und Geheimnisse zu offenbaren verstand, wurde geholt, um das Rätsel um die Schrift an der Wand zu lösen: „Mene, das ist, Gott hat dein Königtum angezählt und beendet. Tekel, das ist, man hat dich auf der Waage gewogen und zu leicht befunden. Peres, das ist, dein Reich ist zerteilt und den Medern und Persern gegeben.“ (Daniel 5,26-28)
Daniel erinnerte Belsazar an das Schicksal Nebukadnezars, dem Gott, der Höchste, einst Königreich, Macht, Ehre und Herrlichkeit gegeben hatte: „Als sich aber sein Herz überhob und er stolz und hochmütig wurde, da wurde er vom königlichen Thron gestoßen und verlor seine Ehre.“ (Daniel 5,20) Und dieses Schicksal prophezeite Daniel nun auch Belsazar, der in seinem Machtrausch höhnisch die göttliche Autorität herausgefordert hatte: „Gott der Höchste hat Gewalt über die Königreiche der Menschen und gibt sie, wem er will. Aber du, Belsazar, sein Sohn, hast dein Herz nicht gedemütigt, obwohl du das alles wusstest!“ (Daniel 5,21c.22) Noch in derselben Nacht wird der König nicht nur seine Macht, sondern auch sein Leben verlieren.
Ein anderer König, viele Jahrhunderte später (er regierte von 1285-1314 n. Chr.), glaubte sich in seiner Gottesverehrung auf der sicheren Seite: Philipp IV. der Schöne, König von Frankreich, war von vorbildlicher persönlicher Frömmigkeit. Er besuchte täglich die Messe und fastete regelmäßig. Als Zeichen seiner Demut vor Gott trug der König ein Büßerhemd und ließ sich mit einer kleinen Kette geißeln. Philipp IV. führte ein Leben in Bescheidenheit, unterschied sich darin von seinen prunkliebenden Standesgenossen.
Und doch hat dieser unbestritten fromme König der christlichen Kirche so schwere Schläge versetzt, dass sie sich davon sehr lange Zeit nicht mehr erholte. Aus Macht- und Geldgier zerstörte er brutal den Templerorden und entmachtete die Päpste. Und Philipp IV. ließ auch keinerlei christliche Barmherzigkeit erkennen, als er in einen aufsehenerregenden Familienskandal verstrickt wurde und die Beschuldigten mit äußerster Härte bestrafen ließ. Dass er es sich mit Gott verscherzen könnte, kam dem König nicht in den Sinn, er glaubte fest daran, dass er wegen seiner persönlichen Frömmigkeitsleistung in der Gunst Gottes steht. Philipp hat offenbar den ersten Johannesbrief nicht gelesen: „Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?“ (1 Johannesbrief 4,20)
König Philipps Abweichen vom rechten Weg des Evangeliums begann mit der Verfolgung des Templerordens, dessen Reichtum der König an sich bringen wollte. Die Templer waren zu Bankiers der Christenheit aufgestiegen mit ihrer Zentrale in Paris und hatten einen Berg von Geld angehäuft, nachdem sie ihre Gründungsaufgabe, die Verteidigung des Königreiches Jerusalem, aufgeben und das Heilige Land verlassen mussten.
Die Verhaftung der Templer erfolgte im Oktober 1307. Am 13. wurden der Großmeister und die Ordensmitglieder überrumpelt und gleichzeitig verhaftet. Viele starben bereits unter der Folter, die mit größter Brutalität durchgeführt wurde, um gotteslästerliche Geständnisse zu erzwingen, die die Hinrichtung am Scheiterhaufen rechtfertigten. Von der skrupellosen Gewaltanwendung des Königs eingeschüchtert, duckte sich Papst Clemens V. weg und hob am 22. April 1312 den Orden auf. Die erfolgreiche Vernichtung des Templerordens fand am 18. 3. 1314 ihren Abschluss in der Verbrennung des Großmeisters und seines Stellvertreters in Paris.
König Philipp IV. konnte mit seinem überwältigenden Erfolg zufrieden sein und war es auch. Nicht nur, dass er sich über den Geldzuwachs freuen konnte, er hatte auch eine vermeintliche Konkurrenz-Institution im Land ausgeschaltet. Philipp IV. stand auf dem Höhepunkt seiner Macht und genoss seine unbestrittene Autorität. Dazu konnte er sich über eine – wie er annahm – gesicherte Thronfolge freuen. Der König sah mit Stolz auf seine drei gesunden, erwachsenen Söhne, von denen jeder zur Nachfolge berechtigt war.
Aber es kam anders, als der König, der so viel Wert auf seine fromme, sogar asketische Lebensführung legte, geplant hatte. Offenbar war Gott von dessen „christlichem Verhalten“ nicht beeindruckt und nahm ihm im Augenblick des Triumphs alles weg. Es erschien Philipp keine warnende Schrift an der Wand, diesmal wählte Gott ein anderes warnendes Signal an den hochmütigen Herrscher. Aber es war genauso deutlich und ebenso zu spät, alles wieder gut zu machen.
Papst Clemens V. starb am 20. 4. 1314 an einer nicht geklärten Krankheit. Er hatte sich während seiner Amtszeit als christlicher Oberhirte unter den „Schutz“ des französischen Königs begeben und seit 1309 im französischen Avignon, das sich aber im päpstlichen Besitz befand, residiert. Dort verblieben auch seine Nachfolger, der Vatikan verwaiste. Erst 1377 kehrte Papst Gregor XI. nach Italien zurück und machte Rom wieder zum Mittelpunkt des Christentums. Damit ging eine schwere Zeit der Verunsicherung der Kirche und des Glaubens zu Ende.
Auch die Politik von König Philipp IV. hatte schwerwiegende Folgen für sein Land. Er hatte alles getan, um ein mächtiges Königreich zu errichten. Als er mit 46 Jahren am 29. 11. 1314 überraschend an den Folgen eines Reitunfalls starb, schien aber sein Werk durch die legitime Thronfolge dreier Söhne abgesichert zu sein. Doch das sollte sich als Irrtum herausstellen. Es begann Anfang 1314, dem Jahr seines größten Triumphs, mit einem Familienskandal am französischen Hof: zwei Schwiegertöchter des Königs wurden wegen Ehebruchs verstoßen und in den Kerker geworfen, ihre Liebhaber grausam hingerichtet. Die Untreue der Frauen gefährdete die Legitimität der königlichen Enkel und musste auf Befehl des Königs ohne Nachsicht unterbunden werden. Die betroffenen Söhne heirateten neu, es stellten sich auch männliche Nachkommen ein, alles schien gut zu werden. Aber ab Philipps Ableben war der Tod ständiger Gast im Hause Kapetinger, der Königsdynastie. Die drei Söhne folgten dem Vater in rascher Folge auf den Thron. Und deren Söhne starben alle im Säuglingsalter. Das Überleben der Töchter brachte nichts, denn die weibliche Thronfolge gab es in Frankreich nicht. 1328 erlosch die direkte Linie der Kapetinger.
Allerdings überlebte zur Tragödie Frankreichs doch ein Enkel von Philipp IV. und erreichte das Erwachsenenalter: der Sohn seiner Tochter Isabella, die mit dem englischen König Edward II. verheiratet war. Dieser einzige Enkel Edward III., König von England, erhob nun auch Anspruch auf den französischen Thron seines Großvaters, da er ja schließlich der letzte Kapetinger im Mannesstamm war. Die französischen Adeligen sprachen ihm aber das Thronfolgerecht ab, weil er es über seine Mutter bekam und in Frankreich Frauen nicht thronfolgeberechtigt waren. Sie wählten als König einen Abkömmling aus einer Seitenlinie: Philipp von Valois. Edward III. gab aber nicht klein bei und löste mit dem militärischen Einmarsch auf dem Kontinent den 100jährigen Krieg aus, der Frankreich in Schutt und Asche legen wird.
Niemand kann sich damit heraus reden, dass er nicht weiß, welches Verhalten Gott von einem gläubigen Menschen erwartet. Die Bibel gibt klare Auskunft darüber: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott!“ (Micha 6,8)
Die Warnung davor, dass es schwerwiegende Auswirkungen haben kann, wenn man Gott nicht ernst nimmt, gilt jedem einzelnen von uns. Niemand sollte außer Acht lassen, dass Gott eine Macht ist, die über uns steht. Wir beginnen nicht zufällig das Glaubensbekenntnis mit den Worten „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde“. Dieser Glaube hat Konsequenzen für unsere Lebensweise, und zwar in ihrer Gesamtheit und nicht nur dort, wo es bequem und nützlich ist. Der Verfasser des ersten Johannesbriefes warnt vor Scheinheiligkeit: „Meine Kinder, lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern mit der Tat und mit der Wahrheit.“ (1 Johannesbrief 3,18) Denn Gott sieht genau hin, und nichts entgeht seiner Allwissenheit!
Ein sehr wachrüttelnder Beitrag, der zum Nachdenken anregt. Es ist gut, dass wir uns das immer wieder vor Augen führen!
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