verlorenen Schaf
Ein
Gott, der sich um Menschen bemüht - wie Jesus ihn verkündete - war
in der Antike etwas völlig Neues. In allen Kulturen und Religionen
kannte man es nur umgekehrt: die Gottheit bzw. die Götter herrschten
absolut über die Welt und verlangten von ihren irdischen Geschöpfen
Unterwürfigkeit und Dienstbarkeit. Die Menschen mussten sich durch
Opferungen in den Tempeln die Gunst der im Himmel thronenden Götter
erkaufen. Es war eine Win-Win-Situation: gibst du der Gottheit, gibt
sie auch dir!
Auch
das Judentum praktizierte es so, nicht nur durch Tieropfer im Tempel
von Jerusalem, sondern auch durch die rigorose Befolgung der
Reinheits- und Kultgebote. Die Pharisäer predigten den Gläubigen,
dass Gott ihnen nur dann gewogen ist, wenn sie seine Vorschriften
streng einhielten.
Doch
dann kam Jesus, der Rabbi aus Nazareth, und verkündete genau das
Gegenteil. Er sprach vom Gott der Liebe, den solche
Gehorsamsleistungen nicht interessieren. Die Menschenmenge um Jesus
herum horchte erstaunt auf.
Damit
seine Anhänger verstanden, was er meinte, erzählte Jesus
ihnen ein Gleichnis aus ihrer Lebenswelt: „Welcher
Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat und, wenn er eins von
ihnen verliert, nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt und
geht dem verlorenen nach, bis er‘s findet? Und wenn er‘s gefunden
hat, so legt er sich‘s auf die Schultern voller Freude. Und wenn er
heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen:
Freut euch mit mir, denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren
war!“
(Lukas
15,4-6)
Dieses
Beispiel verstanden alle. Das Bild vom besorgten Schafhirten war
allen Zuhörern geläufig. Schließlich gehörte die Kleintierzucht
mit Schafen zu den Haupteinnahmequellen galiläischer Bauern. Schon
die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob waren als Nomaden mit ihren
Herden durch Kanaan gezogen.
Jedes
einzelne Tier war für den Besitzer wertvoll, deshalb achtete er
darauf, keines zu verlieren. Und darin liegt der tiefere Sinn dieser
Geschichte. Die Schafe sind wir Menschen, der Besitzer Gott, unser
Schöpfer. Seine Liebe gehört ausnahmslos allen Erdbewohnern und
lässt sich auch nicht durch unsere Sünden und unser Fehlverhalten
zum Erlöschen bringen. Und aufgrund dieser Liebe will Gott, dass
alle Menschen nach der Apokalypse in sein Himmelreich eingehen. Er
will keines seiner Geschöpfe verlieren, sondern am Ende der Zeit
sicher in sein Reich hinein bringen. Deshalb ergreift Gott die
Initiative und bemüht sich, auch jene zurückzugewinnen, die sich
auf Abwegen verirrt haben: die nicht mehr an ihn glauben; die sich
anderen Gottheiten zugewandt haben; die das Evangelium als veraltet
ablehnen.
Die
Aufgabe, die Schafe am Ende des Tages sicher nach Hause in den Stall
zu bringen, fiel dem Hirten zu, den der Besitzer engagiert hatte. Zu
seinem Hirten hat Gott Jesus bestimmt: „Denn
also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab,
damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das
ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt
gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn
gerettet werde.“
(Johannes
3,16.17). Der Messias soll durch die Verkündigung des Evangeliums den vom
rechten religiösen Weg Abgekommenen zeigen, wie sie zu Gott
zurückfinden können. Und auch wenn dies ein längerer
Entwicklungsprozess ist, wartet Gott voller Geduld: „So
wird Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr
als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.“
(Lukas
15,7)
Für Gott entscheidend ist die Gesinnung und nicht die kultische
Leistung. „Dein
Glaube hat dir geholfen!“
versicherte Jesus immer jenen, die sich mit einem Anliegen an ihn
gewandt hatten.
Ein
Gott der Liebe ist aber nicht nur eine Beruhigung, um beim Jüngsten
Gericht bestehen und ins Paradies eingehen zu können. Gottes Liebe
erschöpft sich nicht im Hinblick auf das ewige Leben, sondern bietet
uns Schutz und Geborgenheit und Zuversicht in unserer unsicheren
Welt. Der christliche Glaube ist das Fundament eines ganzheitlichen
Lebens: das Vertrauen auf Jesus Christus nimmt uns die Angst,
Leistungsansprüche von Gott und Gesellschaft nicht erfüllen zu
können, weil diese durch das Evangelium keine Bedeutung mehr haben.
Und in weiterer Folge verändert diese Einstellung auch das
Zusammenleben der Menschen, weil auch hier nicht entscheidend ist,
der Beste und Reichste zu sein: „Ein
neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich
euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird
jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe
untereinander habt.“
(Johannes
13,34.35)
Gott
nimmt uns so an, wie wir sind, wir müssen uns nicht als
Supergläubige unter Beweis stellen. Wir dürfen ohne Druck aber mit
großer Freude Christen sein: „Euer
Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich!
(Johannes
14,1)
Um den Glauben sollen wir uns bemühen im Vertrauen darauf, dass uns
Gott dem besten Hirten anvertraut hat, den es geben kann, nämlich
Jesus Christus: „Meine
Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir,
und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr
umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen.“
(Johannes
10,27.28)
Der Beitrag ist super, sehr schön und anregend zum Nachdenken. Ich habe mich gleich wohl gefühlt, und von Gott aufgehoben nachdem ich fertig gelesen hatte.
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