Sonntag, 22. Mai 2016


Der Mensch am Ende seines Lebens

Für Christen ist das Evangelium Jesu Christi die Grundlage ihres ethischen Verhaltens. Das Neue Testament ist der Maßstab ihrer Lebensführung. Das bedeutet einerseits, dass christlich-ethischer Lebenswandel die christliche Wahrheit bezeugen muss, und andererseits, dass christliche Ethik Konsequenzen im gesellschaftlichen und politischen Leben zeigen soll.

Das Füreinander-Dasein gilt besonders Menschen, die sich in einer Position der Schwäche befinden. In der modernen Zeit sind davon besonders alte Menschen betroffen, die aufgrund ihrer Demenz in absoluter Hilflosigkeit ihren Mitmenschen ausgeliefert sind. In diesen Fällen stellt sich die Frage nach dem Wert des menschlichen Lebens: wann endet die Würde eines Menschen? Ist sie noch vorhanden, wenn man alten Leuten Windeln anlegen und ihren Kot wegwischen muss und sie nicht mehr wissen, wer sie sind?

Früher gab es dieses gesellschaftliche Problem nicht, weil die Leute meistens starben, bevor sie zu Pflegefällen wurden. In unserer Zeit dagegen hat die Medizin so große Fortschritte gemacht, dass die Lebenserwartung für Frauen mittlerweile bei 82 Jahren liegt und bei Männern etwas darunter. Trotzdem lässt die körperliche Funktionsfähigkeit nach, und alte Leute sind zunehmend auf Pflege angewiesen.

Alters-Demenz, besonders Alzheimer, entwickelt sich in beängstigender Weise zur Krankheit des 21. Jahrhunderts. Durch die enorm gestiegene Lebenserwartung und die dramatische Überalterung unserer Gesellschaft steigt die Zahl der Erkrankungen stark an. Da die Medizin mittlerweile über viele lebensverlängernde Maßnahmen verfügt, ist jahrelanges Siechtum für alte Menschen nicht mehr die Ausnahme, sondern wird immer mehr zur Regel.
Damit stellt sich für unsere Gesellschaft ein besonderes Problem: sehen wir in den Demenzkranken, deren Gehirn nicht mehr funktioniert, weiterhin ein gleichwertiges Leben? Sie erkennen niemanden mehr, brauchen Pflege rund um die Uhr, können nie allein gelassen werden. Sie nützen materiell gesehen niemandem mehr, stellen aber enorm hohe Ansprüche, weil sie Betreuung rund um die Uhr benötigen. Soll also ein alter Mensch, der in seinem Bett dahin dämmert, „entsorgt“ werden, weil er nur noch Arbeit und Kosten verursacht?

Für Christen ist die Antwort eindeutig: „nein“, denn Gott allein bestimmt den Zeitpunkt des Sterbens. Er entscheidet, wann er einen Menschen abberufen will, wir dürfen ihm nicht vorgreifen. Auch ein Mensch, dessen Gehirn nicht mehr funktionstüchtig ist, ist ein Geschöpf Gottes, sein Leben unantastbar, seine Versorgung ein Akt der Nächstenliebe.
Dass bedeutet, dass es eine Herausforderung ist, die die christliche Gemeinschaft miteinander bewältigen muss: wir unterstützen uns gegenseitig. Der einzelne Betroffene, sowohl der alte Mensch selbst als auch seine Familienmitglieder, darf nicht allein gelassen werden. Pflege muss leistbar sein. Angehörige müssen die Möglichkeit bekommen, auch ihr eigenes Leben weiterführen zu können. Erschöpfung löst Aggressionen oder Depressionen bei den Pflegepersonen aus. Beides mindert die Lebensqualität der Dementen ebenso wie ihrer Betreuer. Wenn niemand überfordert wird durch die Betreuung eines alten Menschen, den man praktisch nie alleine lassen darf, gewinnen alle. Und das macht eine christliche Gemeinschaft aus. Keiner wird im Stich gelassen.

Die Krankheit des Vergessens beraubt die Menschen im zunehmenden Maße ihrer Geschichte und damit auch ihrer Beziehungen. Diese „Dunkelheit”, d.h. der Verlust der eigenen Identität, macht Demenz so schrecklich.
Wieweit gilt dieses Vergessen auch für Menschen, denen die Bibel mit ihren Geschichten über Jesus Christus so wichtig war? Glaubt ein Demenzkranker noch an Gott? Seelsorger berichten, dass demente Menschen in Andachten mit vertrauten Liedern und Texten über einen weit längeren Zeitraum als sonst ruhig und konzentriert dabei waren und lächelten. Das Gefühl bleibt also ansprechbar, auch wenn schließlich alle Worte unverstanden verhallen. Deshalb ist es wichtig, Demente weiterhin am liturgischen Leben Anteil nehmen zu lassen.

Für die Angehörigen ist der Schmerz über das „Davongleiten“ eines geliebten Menschen, der sie eines Tages nicht mehr erkennt und doch das ganze Leben mit ihnen verbracht hat, unbeschreiblich groß. Der schwere Abschied von dem Menschen, wie man ihn einmal kannte, zieht sich meist über Jahre hin und ist eine zusätzliche psychische Belastung zur Pflege. In dieser Zeit braucht man die seelische Unterstützung seiner Mitmenschen, auch hier ist Nächstenliebe gefordert.

Was sich gegenüber früher leider geändert hat, ist, dass der Respekt vor den Alten mit ihrer großen Lebenserfahrung und Lebensweisheit verlorengegangen ist. Was zählt, ist nur noch das Jungsein. In unserer Gesellschaft möchte zwar jeder lang leben, aber nicht alt werden. Das bringt in den Umgang mit hilfsbedürftigen Alten Lieblosigkeit hinein, die sich mit der Nächstenliebe, wie Jesus sie gepredigt hat, nicht verträgt. Aber diesen Trend muss man ja als Christ nicht mitmachen.

Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt,
wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.
Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Anhänger seid,
wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Johannes 13,34.35)

1 Kommentar:

  1. ich sehe das genauso, dass wir darüber nicht entcheiden sollten, sondern,d ass ds gottes aufgabe ist!

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