Samstag, 30. Mai 2020


Ablehnung der Zeichenforderung


Jeder kennt die Geschichte vom ungläubigen Thomas. Der Jünger weigerte sich, an die Auferstehung Jesu zu glauben, obwohl ihm die anderen versicherten, dass sie den Herrn gesehen hätten. Aber er blieb hartnäckig bei seiner Ablehnung und forderte: „Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich‘s nicht glauben.“ (Johannes 20,25)


Thomas sollte seinen Willen bekommen. Jesus trat abends, als die Jünger beisammen saßen, unter sie und sprach zu ihm: „Reiche deine Finger her und sieh meine Hände und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“ (Johannes 20,27) Nun war Thomas überzeugt und sprach voller Ehrfurcht zu Jesus: „Mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20,28) Für ihn war damit die Welt wieder in Ordnung, aber nicht für Jesus. Er war von dem Jünger enttäuscht und sagte es ihm auch deutlich: „Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ (Johannes 20,29)

Es ist das Wesen jeder Religion, dass man ihren Inhalt, nämlich den einen Gott oder viele Götter, nicht sehen kann. Deshalb ist es auch nicht möglich, die Richtigkeit eines Glaubens mit wissenschaftlichen Methoden zu beweisen. Zwar fehlt es seit jeher nicht an Versuchen, aber alle führen ins Leere, weil eben niemand in den Himmel bzw. ins Jenseits blicken kann.

Ungläubigkeit tritt oft auch dann auf, wenn sich religiöse Prophezeiungen erfüllen, mit denen keiner zu seinen Lebzeiten gerechnet hat. So waren die Jünger anfangs völlig mit der Tatsache überfordert, dass ihr gekreuzigter Rabbi wirklich am Ostermorgen von den Toten auferstanden ist. Jesus hatte es zwar wiederholt in Galiläa angekündigt, aber die Jünger hatten für sich eine Unterscheidung getroffen: hier war der frommen Prediger, den sie Tag für Tag sehen und hören konnten dort die Messiasprophezeiung der altisraelitischen Propheten, die irgendwann Wirklichkeit werden sollte. Dass beides in der Person des Jesus von Nazareth, dem sie nachfolgten, vereint war, war ihnen völlig unvorstellbar.

So würde es wohl auch uns ergehen, wenn wir tatsächlich miterlebten, wie Jesus in unsere Welt sichtbar zurückkehrt – obwohl er mehrfach angekündigt hat, dass das Ende der Zeit durch das Erscheinen des Messias, der ja er ist, eingeleitet wird: Und dann wird erscheinen das Zeichen des Messias am Himmel. Und dann werden wehklagen alle Geschlechter auf Erden und werden sehen den Messias kommen auf den Wolken des Himmels mit großer Kraft und Herrlichkeit.“ (Matthäus 24,30) Da würden wir aber schön schauen, wenn plötzlich „die Sonne sich verfinstern und der Mond seinen Schein verlieren wird, und die Sterne vom Himmel fallen werden, und die Kräfte der Himmel ins Wanken kommen werden.“ (Matthäus 24,29) Und inmitten dieses kosmologischen Chaos käme auf einer Wolke sichtbar Jesus zurück und würde die Apokalypse einleiten! Ehrlich gesagt: wer von uns rechnet ernsthaft damit, diese Situation zu erleben, obwohl Christen daran glauben, dass sie eines Tages eintreten wird?

Mit den Zweifeln an der Messianität des Jesus von Nazareth standen seine Jünger nicht alleine da. Auch die Pharisäer und Schriftgelehrten wollten nicht glauben, dass tatsächlich vor ihren Augen das Erscheinen des Messias, des Sohnes Gottes, auf das die Israeliten seit Jahrhunderten sehnsüchtig warteten, passiert sein soll. Und dann noch in der Person eines Mannes aus dem unbedeutenden Ort Nazareth in Galiläa.

Die Geistlichen taten das, was später auch der Jünger Thomas tun sollte, sie verlangten einen Beweis dafür, dass Jesus der verheißene Erlöser ist: „Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen!“ (Matthäus 12,38b) Was genau sie für ein Wunder erwarteten, sagten die Geistlichen nicht. Aber da sie ohnehin nicht an seine Messianität glaubten, diente ihre Forderung nur dazu, Jesus vor seinen Anhängern bloß zu stellen.

Aber Jesus ging nicht auf ihre Provokation ein und unterließ es, vor der Menschenmenge mit einer großen Show zu punkten. Er hielt den Pharisäern und Schriftgelehrten ein Prophetenwort dagegen: „Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona.“ (Matthäus 12,39)

Die Geistlichen schauten sich verwundert an: was wollte Jesus denn damit sagen? Was hatte der altisraelitische Prophet Jona mit dem Rabbi aus Galiläa zu tun?

Jesus ließ sie nicht lange auf die Erklärung warten: „Denn wie Jona drei Tage im Bauch des Fisches war, so wird der Messias drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein.“ (Matthäus 12,40) Mit diesem Vergleich wies Jesus auf die entscheidende und abschließende Tat seines irdischen Wirkens hin, seine Auferstehung von den Toten.

Das Schicksal des Propheten Jona war den Geistlichen bestens bekannt: „Der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen. Und Jona war im Leibe des Fisches drei Tage und drei Nächte.“ (Jona 2,1) 
Damit war aber sein Leben nicht zu Ende, er wurde nicht verdaut und ausgeschieden, sondern „von dem Fisch ans Land ausgespien.“ (Jona 2,11) Und so wie Jona wieder lebend aus dem Bauch des Wales herauskam, so wird Jesus das Grab als Auferstandener verlassen und auf die Erde zurückkehren: „Der Messias wird überantwortet werden den Hohepriestern und Schriftgelehrten, und sie werden ihn zum Tode verurteilen und den Heiden überantworten. Die werden ihn verspotten und anspeien und geißeln und töten, und nach drei Tagen wird er auferstehen.“ (Markus 10,33-34)

Aber Jesus war noch nicht zu Ende mit seinem Jona-Vergleich: „Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht und werden dieses Geschlecht verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona.“ (Matthäus 12,41) Damit erneuerte Jesus seinen Anspruch, der Messias zu sein, der höher steht als die Propheten. Und er hielt den Geistlichen vor, dass sie zwar seine Predigten vernahmen, in denen er zur Buße und Umkehr aufrief, aber nicht auf ihn hörten. Deshalb würde ihnen das passieren, das Gott den Bewohnern von Ninive durch Jona androhen ließ, falls sie nicht bereuten und sich änderten: er würde das Verderben über sie kommen lassen.

Die Bewohner von Ninive hatten sich von Jona ins Gewissen reden lassen: „Und sie hüllten sich in den Sack, Mensch und Vieh, und riefen zu Gott mit Macht. Und ein jeder bekehrte sich von seinem bösen Wege und vom Frevel seiner Hände.“ (Jona 3,8) Die Predigt des Jona war erfolgreich gewesen – der Erfolg von Jesus stand zu dem Zeitpunkt noch aus, denn noch trat er als einfacher Prediger auf. Aber wie Jesus zu den Pharisäern und Schriftgelehrten sagte, war er mehr als Jona, denn er war der verheißene Messias, der Sohn Gottes, und würde das durch seine leibliche Auferstehung beweisen. Wie Jona war auch er von Gott gesandt, um die Menschen, die sich durch ihre Sündhaftigkeit von Gott entfernt hatten, zur Buße aufzurufen, und wie Jona kehrte er nach drei Tagen in der Finsternis in das Licht zurück - und doch lag ein großer Unterschied zwischen beiden: denn die Auferstehung wurde durch Jesus allen Menschen versprochen. Das würde das Zeichen für Jesu Messianität sein, der Beweis, den die Geistlichen verlangten.

Aber es ist ein Beweis, der den Glauben verlangt, denn mit nachprüfbaren Beweisen belegen kann man es nicht. Nach den Naturgesetzen bleibt jemand, der tot ist, auch weiterhin tot. Und doch hat Jesus den Tod überwunden. Und das soll ein besonderes Zeichen der Liebe Gottes zu den Menschen sein. Denn mit der Auferstehung Jesu will Gott uns die Hoffnung geben, dass wir nicht verloren sind, obwohl wir sündigen. So wie die Bewohner von Ninive nach ihrer Buße wieder von Gott in Gnaden angenommen wurden, so dürfen auch wir auf Gottes Vergebung hoffen, wenn wir den Worten Jesu Glauben schenken.

Die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Jesus zu einem Wunder herausgefordert hatten, sahen sich nach seiner Absage in ihren Zweifeln bestätigt. Aber ganz sicher waren sich die Geistlichen ihrer Sache trotzdem nicht. Deshalb wurden sie nach der Kreuzigung Jesu beim Statthalter Pontius Pilatus vorstellig und forderten eine Bewachung für das Grab Jesu: „Wir haben daran gedacht, dass dieser Verführer sprach, als er noch lebte: Ich will nach drei Tagen auferstehen. Darum befiehl, dass man das Grab bewache bis zum dritten Tag, damit nicht seine Jünger kommen und ihn stehlen und zum Volk sagen: Er ist auferstanden von den Toten, und der letzte Betrug ärger wird als der erste.“ (Matthäus 27,63.64)

Bekanntlich hat diese „Vorsichtsmaßnahme“ nichts geholfen, denn die Jünger mussten keinen Betrug zu Hilfe nehmen. Die Auferstehung Jesu fand tatsächlich statt und viele aus dem Volk glaubten daran. Auch jene, die nicht so wie die Jünger den Auferstandenen gesehen hatten. Die Predigt, die Simon Petrus zu Pfingsten hielt, überzeugte sie: „Jesus von Nazareth hat Gott auferweckt und aufgelöst die Schmerzen des Todes, wie es denn unmöglich war, dass er vom Tode festgehalten werden konnte.“ (Apostelgeschichte 2,24)

Die Auferstehung von den Toten ist das Zeichen, das Jesus als Messias, den Gesalbten Gottes, ausweist. Selig, die daran glauben – auch wenn sie nicht ihre Finger in seine Wundmale legen können.

1 Kommentar:

  1. Ein sehr schöner und zum Nachdenken anregender Beitrag! Es ist so, dass man glauben soll, ohne einen Beweiß haben zu müssen.

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