Sonntag, 21. Februar 2021

 

Von Wichtigtuerei und Geltungssucht

 

Jesus war mit seinen Jüngern auf dem Weg nach Kapernaum, die Männer wollten einige Ruhetage einlegen. Unterwegs beobachtete Jesus, dass die Jünger heftig miteinander tuschelten. Irgendetwas beschäftigte sie sehr, aber sie waren bemüht, es vor Jesus zu verheimlichen. Umsonst, denn „als sie daheim waren, fragte Jesus sie: Was habt ihr auf dem Weg verhandelt?“ (Markus 9,33) Beschämt schwiegen sie, denn sie wollten nicht zugeben, dass sie darüber gestritten hatten, wer von ihnen der Größte sei. Ein Rangstreit unter seinen Jüngern – das war tatsächlich nicht im Sinne des Messsias: „Wenn jemand will der Erste sein, der soll der Letzte sein von allen und aller Diener.“ (Markus 9,35) Würden sie das in Zukunft beherzigen?

Unter den 12 Jüngern, die Jesus auf seinen Wanderungen begleiteten, waren zwei Brüderpaare aus Kapernaum, Fischer alle vier. Zuerst hatte Jesus Simon Petrus und seinen Bruder Andreas in die Nachfolge gerufen. „Und als Jesus weiterging, sah er zwei andere Brüder, Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, seinen Bruder, im Boot mit ihrem Vater Zebedäus, wie sie ihre Netze flickten. Und er rief sie. Sogleich verließen sie das Boot und ihren Vater und folgten ihm nach.“ (Matthäus 4,21.22)

Von diesen vier Jüngern erfahren wir im Neuen Testament mehr als von den anderen acht (von Judas Ischariot abgesehen). Sie werden bei der Aufzählung der 12 Aposteln, die Jesus aussenden wird, um vom Reich Gottes zu predigen, immer zuerst genannt (Matthäus 10,2-4; Markus 3,16-19; Lukas 6,14-16; Apg 1,13).

Immer wieder berichten die Evangelisten von Begebenheiten, bei denen die Brüderpaare eine führende Rolle einnehmen. In der Verklärungsgeschichte „nahm Jesus mit sich Petrus und Jakobus und Johannes, dessen Bruder, und führte sie allein auf einen hohen Berg.“ (Matthäus 17,1) Andreas fehlte. Die Endzeitrede in Jerusalem hielt Jesus den Jüngern, nachdem er mit ihnen aus dem Tempel gekommen war und mit ihnen auf dem Ölberg saß. Konkreter wird Markus, in seinem Evangelium richten Petrus, Jakobus, Johannes und Andreas die Frage nach dem Ende an Jesus: „Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein, wenn das alles vollendet werden soll?“ (Markus 13,4) Zum Gebet in Gethsemane vor seiner Verhaftung ließ sich Jesus von einigen Jüngern begleiten: „Und er nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu zittern und zu zagen.“ (Matthäus 26,37; Markus 14,33) Andreas fehlte wieder, und beim Evangelisten Lukas ging Jesus überhaupt allein zum Beten weg.


Privilegien waren das nicht, denn Jesus behandelte die vier Brüder während ihrer Wanderungen nicht anders als die anderen Acht. Alle waren ihm gleich lieb. Deutlich wird das beim letzten Abendmahl, als Jesus alle Jünger um sich versammelte und sich verabschiedete. Es gab keine bevorzugte Sitzordnung. Mit den oben genannten Sonderaufgaben hatte Jesus die Brüder nur darauf vorbereitet, dass er ihnen in Zukunft eine besondere Aufgabe zugedacht hat. Nach Jesu Rückkehr in den Himmel werden sie in Jerusalem die erste Christengemeinde aufbauen.

Die Zebedäusbrüder waren stets sehr loyal zu ihrem Meister. Aber sie scheinen nicht von sanftem Naturell gewesen zu sein – wie man aus einigen Episoden in den Evangelien schließen kann. Als zum Beispiel die Samaritaner Jesus bei seiner Durchreise die Aufnahme in eine Herberge verweigerten, wollten die Zebedäusbrüder gleich ganz hart durchgreifen: „Als aber seine Jünger Jakobus und Johannes das sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre.“ (Lukas 9,54) Nun, Jesus wollte nicht und verließ das Gebiet der Samaritaner einfach. 


Bei so viel „Energie“ ist das folgende Verhalten der beiden gar nicht so überraschend: Da gingen zu Jesus Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, um was wir dich bitten werden.“ (Markus 10,35) Erstaunt hörte sich Jesus an, was die beiden zu sagen hatten: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.“ (Markus 10,37) Dieses Anliegen setzte Jesus in Erstaunen, aber auch die anderen Zehn reagierten unwillig über Jakobus und Johannes, die sich Privilegien sichern wollten. Die Stimmung in der Gruppe war angespannt: „Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein.“ (Markus 10,42.43) Und noch einmal erteilte Jesus allem Drängen nach Bevorzugung und Höherstellung über andere eine deutliche Absage: „Und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein!“ (Markus 10,44)


Man möchte meinen, dass die Zurechtweisung Jesu deutlich genug ausgefallen ist. Es ist klar, dass der Messias eine Über- und Unterordnung unter seinen Anhängern schlecht findet und diese strikt ablehnt. Für solche Christen, die Sonderrechte in Anspruch nehmen wollen, hat er kein Verständnis. In seiner Kirche gelten alle als gleich und müssen bereit sein, eigene Geltungswünsche zurückzustellen, um dem Evangelium glaubwürdig zu dienen.


Jesus allein ist Vorbild und Richtschnur für uns Christen, auch wenn uns seine Forderung nach Demut oft schwer fällt: „Der Messias ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ (Markus 10,45) Jeder einzelne Christ muss für sich entscheiden, was ihm wichtiger ist: das Ansehen bei den Menschen oder das Ansehen bei Gott. Jesus ruft in der Bergpredigt dazu auf, Schätze im Himmel zu sammeln und nicht auf der Erde, denn „wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Matthäus 6,21) Und wer Gott liebt, strebt nicht danach, über seinen Mitmenschen zu stehen und sich wichtig zu machen.


1 Kommentar:

  1. Ein sehr gelungener Beitrag, der zum Nachdenken anregt und wachrüttelt, meiner Meinung nach.

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