Samstag, 6. Juli 2019


Gethsemane und die Versuchung


Nach dem Abschiedsmahl in der Herberge zieht sich Jesus mit seinen Jüngern in den Garten Gethsemane zurück. Er weiß, dass seine Verhaftung unmittelbar bevorsteht. Angesichts der grausamen Hinrichtung, zu der er verurteilt werden wird, erfasst ihn panische Todesangst. Jesus würde am liebsten weglaufen. Es wäre einfach zu bewerkstelligen, denn nur wenige in Jerusalem wissen, wie er aussieht. 
Wenn er sich im Dunkel der Nacht auf den Heimweg nach Galiläa machen würde, käme er ziemlich sicher davon. In seiner Heimatprovinz hat er viele loyale Anhänger und die Macht des Hohepriesters ist eingeschränkt. Wenn er sich jetzt aus Angst davon schleicht, ist sein Leben gerettet, aber seine göttliche Mission gescheitert.

In seiner Verzweiflung und Panik wendet sich Jesus an denjenigen um Beistand, der allein ihm Kraft zum Durchhalten geben kann, er betet zu Gott: „Mein Vater, ist‘s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39) Drei Mal fleht Jesus Gott um Stärke an. Die Versuchung, der Todesangst nachzugeben, ist immens groß, und Jesus hofft, dass Gott ihm letztendlich einen anderen, weniger schmerzhaften Weg weisen wird. Doch im Gebet erkennt Jesus, dass das nicht möglich ist. Er muss nach Golgatha gehen, wenn sein Wirken als Messias nicht umsonst gewesen sein soll. So widersteht Jesus der Versuchung, sich selbst zu retten, und beugt sich in Demut dem Willen Gottes, der seinen Opfertod verlangt, um die Menschen vor der Verdammnis durch ihre Gottesferne zu retten.

Die Versuchung, den leichteren Weg im Glauben zu gehen, gewissermaßen ein „Evangelium light“ zu leben, ist für uns alle gegenwärtig. Das Problem kannte bereits Paulus: Darum habe ich‘s auch nicht länger ertragen und habe ihn, Timotheus, gesandt, um zu erfahren, wie es mit eurem Glauben steht, ob der Versucher euch etwa versucht hätte und unsere Arbeit vergeblich würde.“ (1 Thessalonicher 3,5) Wen könnte Paulus mit dem Versucher meinen? Sie konnten und können in unterschiedlichen Rollen auftreten. Marktschreierische Heilsbringer, die ein bequemes und reiches Leben im Diesseits versprechen. Prediger, die das christliche Verhalten auf die Einhaltung einiger weniger Alltagsregeln festlegen. Missionare, die die göttliche Botschaft vom Reich Gottes und der leiblichen Auferstehung Jesu weglassen und aus dem Messias einen simplen Sozialreformer machen. Dass Gläubige auf die Verfälschung des Evangeliums hereinfallen, kann der Apostel Paulus nicht verstehen: Ich ermahne euch aber, dass ihr euch in acht nehmt vor denen, die Zwietracht und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre Christi, die ihr gelernt habt, und euch von ihnen abwendet. Denn solche dienen nicht unserem Herrn Jesus Christus, sondern ihrem Bauch und durch süße Worte und prächtige Reden verführen sie der Herzen der Gutgläubigen.“ (Römer 16,17.18) Man kann nein sagen zu den Versuchern mit ihren Lockangeboten.

In Versuchung zu geraten bedeutet, eine Entscheidung treffen zu können, eine Wahl zu haben. Ermöglicht hat dies das Geschenk des freien Willens durch unseren Schöpfer. Die Bibel erklärt es in der Paradiesgeschichte mit dem verbotenen Baum: „Und Gott der HERR nahm den Menschen und sprach: Du darfst essen von allen Bäumen, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tage, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben.“ (1 Mose 2,16.17) Wir wissen, wie die Geschichte ausgegangen ist: die Menschen konnten den verlockenden Früchten nicht widerstehen und haben gegen das Verbot Gottes gehandelt. Als sie aufgeflogen sind, haben sie sich gegenseitig die Schuld zugeschoben und Gott weismachen wollen, dass sie gar nichts dafür können. Das hat aber Gott nicht gelten lassen: es stand jedem von ihnen frei, nein zu sagen. Und es stand den beiden Menschen auch frei, zu ihrer Schuld zu stehen und Gott um Vergebung zu bitten. Auch von dieser Möglichkeit haben sie nicht Gebrauch gemacht – also mussten sie die Konsequenzen tragen: das leichte Leben im Paradies wurde ihnen genommen. Aber es wurde keine Vertreibung für ewig. Gott hat den Menschen seine Verzeihung zugesagt und ihnen die Rückkehr ins Paradies in Aussicht gestellt.

Gott ist ein Gott der Liebe und bietet den Sündern seine Vergebung an. Durch den Opfertod Jesu am Kreuz und seine Auferstehung von den Toten hat Gott allen Menschen den Weg zu ihm offen gehalten. Auch jenen, die der Versuchung, sich das Evangelium zurechtzulegen und nach eigenen Bedürfnissen umzuformen, erliegen und sich damit von der Lehre Jesu abwenden. 
Paulus, der wusste, wie schwer es ist, Jesus im Sinne des Evangeliums nachzufolgen, macht allen denen Mut, die ins Wanken geraten: „Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr‘s ertragen könnt.“ (1 Korinther 10,13) 

Das hat Martin Luther erkannt, als er die Paulusbriefe studierte: wir sind der Sünde, die uns von Gott trennt, nicht mehr ausgeliefert, sondern Gott ist bereit, uns zu verzeihen und uns auch als unvollkommene Wesen anzunehmen. Und Paulus ist nicht nur Luther sondern uns allen ein Vorbild an Gottvertrauen, wenn er schreibt: „Ich bin darin guter Zuversicht, dass der, der in euch angefangen hat das gute Werk, es auch vollenden wird bis an den Tag der Wiederkehr Christi Jesu.“ (Philipperbrief 1,6) In dieser Geborgenheit der Liebe Gottes kann uns Christen der freie Wille nicht gefährlich werden, weil wir in der Zuversicht leben, dass Gott uns auffängt, wenn wir im rechten Glauben straucheln. 

Dann können wir so wie Jesus in Gethsemane der Versuchung nach einem leichten Leben im Glauben widerstehen und die schwere Forderung unseres Herrn Jesus Christus erfüllen: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Markus 8,34)


1 Kommentar:

  1. Ein sehr gelungener Beitrag! Es ist schön zu lesen, dass auf Vegebung zu hoffen ist, weil niemand ist perfekt. Gott ist gnädig und gibt uns immer wieder Chancen :)

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