Sonntag, 10. Dezember 2017


Das Gastmahl des Zöllners Levi

Jesus war kein Asket. Es gehörte zwar zu seinem Job als Wanderprediger, dass er keinen festen Wohnsitz hatte, aber ein von Verzicht geprägtes Leben führte er nicht. Jesus hat dies auch nie von seinen Anhängern verlangt.

Hierin unterschied sich der Rabbi aus Nazareth von Johannes dem Täufer, der sich als Vorläufer des Messias verstand und auch als solcher auftrat: „Dieser ist‘s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich.“ (Johannes 1,30) Trotzdem traten beide Männer in der Öffentlichkeit ganz unterschiedlich auf.

Das fiel schon beim Äußerlichen auf: „Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden.“ (Markus 1,6a) Ein karges Kleidungsstück trug Jesus dagegen nicht. Sein Gewand war immerhin so wertvoll, dass es die Soldaten auf Golgatha als Kriegsbeute aufteilten: „Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum.“ (Matthäus 27,35) Von Johannes‘ Rock ist nach seiner Enthauptung dergleichen nicht bekannt.

Zudem hatten Jesus und Johannes sehr konträre Essgewohnheiten. Johannes beschränkte sich auf das Lebensnotwendige, das er in seinem Wirkungsbereich am Rande der Wüste zur Hand hatte: „und er aß Heuschrecken und wilden Honig.“ (Markus 1,6b) Jesus dagegen liebte gutes Essen und wurde dafür von den Frommen angegriffen. Jesus kommentierte das bitter: „Der Messias ist gekommen, isst und trinkt; so sagen sie: Siehe, was ist dieser Mensch für ein Fresser und Weinsäufer.“ (Matthäus 11,19a)

Aber nicht nur Jesu Teilnahme an leckeren Gastmählern an sich kritisierten Pharisäer und Schriftgelehrte, sondern auch die Tischgesellschaft, in der er sich von Zeit zu Zeit befand: „Er ist ein Freund der Zöllner und Sünder.“ (Matthäus 11,19b) Das war ein schwerer Vorwurf an den Rabbi aus Nazareth, denn er bedeutete, dass Jesus die strengen kultischen Reinheitsgebote der Tora verletzte. Das war nach Ansicht der Geistlichen für einen, der behauptete, das Wort Gottes zu predigen, völlig unangebracht und unvereinbar mit seinem jüdischen Glauben.

Aber Jesus ließ sich nicht beirren. Eines Tages ging er wieder auf einen Zöllner namens Levi zu und forderte ihn auf, sich ihm anzuschließen. Das war für den Mann eine völlige Überraschung, denn Zöllner waren verachtete Außenseiter der Gesellschaft. Der Grund war, dass die meisten ihre Position ausnützten, um sich mit unrechtmäßigen Geldgeschäften zu bereichern. Damit betrogen sie nicht nur die Bevölkerung, sondern verstießen mit ihrer Abzockerei auch gegen Religionsgesetze. Kein Pharisäer hätte sich mit einem von ihnen abgegeben.
Aber Jesus sah das anders: Wie soll jemand auf den rechten Weg zurückfinden, wenn man ihm keine Chance dazu gibt? Um jedem seine bedingungslose Bereitschaft zur Nächstenliebe zu zeigen, kehrte Jesus in das Haus des Levi ein und ließ sich bewirten: „Und Levi richtete ihm ein großes Mahl zu in seinem Haus, und viele Zöllner und andre saßen mit ihm zu Tisch.“ (Lukas 5,29) Dieser Verstoß gegen kultische Reinheitsgebote rief natürlich wiederum die Pharisäer und Schriftgelehrten auf den Plan, und sie sprachen murrend zu Jesu Jüngern: „Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern?“ (Lukas 5,30) Es war Jesus selbst, der ihnen antwortete: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zur Buße zu rufen und nicht die Gerechten.“ (Lukas 5,31.32)

Wenn Jesus gehofft hatte, damit seine Kritiker zu besänftigen, wurde er enttäuscht. Letztendlich wurden aus seinen Gegnern Todfeinde, die sich den unbequemen Rabbi durch die Kreuzigung vom Hals schaffen wollten. Seine Auferstehung hat ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Kirche, die nun entstand, setzte Jesu Vorstellung von einer christlichen Gemeinschaft um. Alle, die sich durch die Taufe zum auferstandenen Herrn bekannten, waren willkommen: Männer und Frauen, Arme und Reiche, Freie und Sklaven, Alte und Junge. Bei den Gottesdiensten gab es keine Rangordnung: jeder setzte sich hin, wo er wollte. Vor Gott waren alle gleich viel wert. Und alle zusammen feierten das Abendmahl und nahmen die Mahlzeiten gemeinsam ein: „Und sie waren täglich einmütig beieinander und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen.“ (Apostelgeschichte 2,46)

Eine Krise trat ein, als sich außerhalb Palästinas nicht nur Juden, sondern auch immer mehr Heiden, also Angehörige polytheistischer Religionen, taufen ließen. Konservative Judenchristen, die noch fest in der jüdischen Tradition der Reinheitsgebote verwurzelt waren, lehnten gemeinsames Essen mit getauften Nichtjuden ab. In Antiochia eskalierte der Streit, und der Apostel Paulus griff empört ein. Besonders regte ihn auf, dass sich Simon Petrus beeinflussen ließ: „Denn bevor einige von Jakobus kamen, aß er mit den Heiden; als sie aber kamen, zog er sich zurück und sonderte sich ab, weil er die aus dem Judenchristentum fürchtete.“ (Galater 2,12) Für Paulus war das ein Verrat an der Wahrheit des Evangeliums. Da für Jesus die Herkunft seiner Anhänger nicht gezählt hatte, durften auch seine Aposteln keinen Unterschied machen.


Bekanntlich setzte sich Paulus durch und stellte das Bekenntnis zu Jesus Christus als einigendes Band aller Getauften an die Stelle der Herkunft: „Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach hohen Dingen, sondern haltet euch herunter zu den geringen. Haltet euch nicht selbst für klug. Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.“ (Römer 12,10.16.17)

Diese neue Gemeinschaft hat unser Herr Jesus Christus begründet, als er das Evangelium predigte. Es ist an uns, sie mit Leben zu füllen, wie Jesus sie sich vorgestellt hat: „Das sage ich euch, damit meine Freude in euch bleibe und eure Freude vollkommen werde. Das ist mein Gebot, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch liebe.“ (Johannes 15,11.12)

1 Kommentar:

  1. ein wundervoller beitrag. Es tut immer gut von Jesus zu lesen, um seine Weise nachzugehen und es ihm gleich zu tun! :)

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