Jesus
und Philippus
Jesus
stand am Anfang seines öffentlichen Wirkens. Noch kannte ihn kaum
jemand. Aber er hatte bereits seine Familie in Nazareth verlassen, um
den Menschen von der Liebe Gottes zu predigen. Bevor er jedoch
öffentlich auftrat, ging er an den Jordan zu Johannes dem Täufer,
der am Ufer des Flusses die Leute zum religiösen Neubeginn aufrief:
„Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe
herbeigekommen!“ (Matthäus 3,2)
Als sichtbares Zeichen
ihrer Umkehrbereitschaft ließen sich die Menschen von ihm symbolisch
mit Wasser von ihrem alten Leben reinigen. Zum
Täufer waren aber nicht nur Gläubige gekommen, die wieder nach
Hause zurückkehrten, sondern es hatten sich ihm auch Jünger
angeschlossen. Diese sahen seine Reaktion, als Jesus hinzu trat:
„Siehe, das ist das Lamm Gottes, das der Welt
Sünde trägt. Dieser ist‘s, von dem ich gesagt habe: Nach mir
kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich!“
(Johannes 1,29.30) Die Jünger des Johannes begriffen sofort,
dass er von der Messiasprophezeiung des alttestamentlichen Sehers
Jesaja sprach: „Und es wird ein Reis
hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel
Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn.“ (Jesaja
11,1.2a)
Zwei
dieser Männer, die dem Täufer zugehört hatten, waren neugierig
geworden und wollten Jesus näher kennnenlernen. Sie gingen zu ihm,
und als Jesus sie einlud, bei ihm zu bleiben und sich ihm als seine
Jünger anzuschließen, erklärten sie sich sofort bereit dazu. Es
waren die beiden Brüder Andreas und Simon Petrus. Für sie stand
fest: „Wir haben den Messias gefunden, das
heißt übersetzt: der Gesalbte.“ (Johannes 1,41)
Sie sollten nicht die einzigen Jünger bleiben, die Jesus auf dem Weg
zurück nach Galiläa begleiteten. Unterwegs „findet
er Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach“ (Johannes
1,43)
Dass
er dem verheißenen Messias gegenüberstand, das erkannte auch
Philippus sofort. Er beschloss, wie Andreas und Simon Petrus vor ihm,
bei Jesus zu bleiben und mit ihm nach Galiläa zu gehen. Zuvor
wollte er aber noch Nathanael, einen Bekannten oder auch Freund (von
einem Verwandtschaftverhältnis wird in den Evangelien nichts
berichtet), die großartige Nachricht überbringen: „Wir
haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten
geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.“ (Johannes
1,45)
Philippus pries also nicht irgendeinen Prediger mit großem Charisma
an, sondern den ersehnten Erlöser, den Gott dem Volk Israel
versprochen hatte. Aber theologisch gebildet war auch Nathanael. Klar
wusste jeder in Israel über die Messiasprophezeiung des Jesaja
Bescheid, aber jeder wusste auch, dass der erwartete Messias aus der
Geburtsstadt Davids kommen sollte: und das war Bethlehem und nicht
Nazareth. Deshalb reagierte Nathanael ablehnend: „Was
kann aus Nazareth Gutes kommen!“ (Johannes
1,46)
Aber als der euphorische Philippus nicht locker ließ, ging er mit,
um sich den hochgepriesenen Prediger anzuschauen.
Die
Begegnung verlief jedoch anders, als Nathanael es erwartet hatte:
„Jesus sah ihn
kommen und sagte von
ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.“
(Johannes 1,47)
Großes Erstaunen bei dem jungen Mann! Woher weiß der Rabbi das?
Aber Jesus fuhr fort: „Bevor Philippus
dich rief, als du unter dem Feigenbaum
warst, sah ich dich.“ (Johannes 1,48)
Und plötzlich begriff Nathanael, dass nicht der Herkunftsort darüber
entscheidet, ob Jesus der Messias ist oder nicht, sondern seine
Taten, die nur der von Gott Gesandte vollbringen konnte. Und so
pflichtete er Philippus bei und sagte ehrfürchtig zu Jesus: „Rabbi,
du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel.“ (Johannes
1,49)
Ob
Nathanael mit Jesus mitging und ihn auf seinen Wanderungen
begleitete, ist unbekannt, denn nach dieser Begebenheit wurde sein
Name nicht mehr erwähnt. Zum Unterschied von Philippus, der in den
Aufzählung der 12 Jünger in den ersten drei Evangelien immer
zusammen mit einem Bartholomäus, über den aber keine näheren
Angaben vorliegen, genannt wird (Matthäus 10,3; Markus 3,18; Lukas
6,14). Und von Philippus erfahren wir Biographisches: „Er
war aus Bethsaida, der Stadt des Andreas und Petrus.“ (Johannes
1,44) In den Evangelien wird nicht über alle 12 Jünger
gleich viel Auskunft gegeben. Aber einige der namentlich genannten,
die eine größere Rolle spielten, eben die Brüder Simon Petrus und
Andreas sowie die Zebedäusbrüder Johannes und Jakobus und natürlich
Judas Ischariot zeigen uns, dass auch Jünger keine perfekten
Gläubige waren. Und das trifft auch auf Philippus zu, der zwar Jesus
nachgefolgt ist, weil er in ihm den Messias erkannt hat, aber dann
doch die Tragweite dieser Tatsache nicht ganz begriffen hat.
Der
Evangelist Johannes berichtet, dass bei der Speisung der Fünftausend
Jesus den Philippus auf die Probe stellte: „Wo
kaufen wir
Brot, damit diese zu essen haben?“ (Johannes 6,5)
Philippus gab ihm eine Antwort, die zeigte, dass er weltlich dachte
und erst einmal das vorhandene Geld zählte: „Für
200 Silbergroschen Brot ist nicht genug für sie, dass jeder ein
wenig bekomme.“ (Johannes 6,7)
Eigentlich wollte Jesus eine andere Antwort hören, eine, die ihm
gezeigt hätte, dass sein Jünger ihm als Messias eine Lösung
zugetraut hätte. Sie kam auch, bekanntlich ließ Jesus seinen Jünger
Philippus nicht in den nächsten Ort gehen, um Essen um die 200
Silbergroschen zu kaufen. Der Rabbi ließ die Vorräte, die einige
Leute mitgebracht hatten, in Körbe einsammeln und dann neu
verteilen: und siehe, es blieben sogar noch Reste übrig, nachdem
alle satt geworden waren. Das war wiederum ein Zeichen dafür, dass
Jesus von Nazareth nicht ein einfacher Prediger war, sondern der Sohn
Gottes: „Als nun die Menschen das Zeichen
sahen, das Jesus tat, sprachen sie: Das ist wahrlich der Prophet, der
in die Welt kommen soll.“ (Johannes
6,14)
Die
Antwort von Philippus nach dem Speisewunder ist nicht überliefert,
aber irgendwie haftet der Zweifel an ihm. Immer wieder fällt er
dadurch auf. Eines Tages erzählte Jesus folgendes Gleichnis, um den
Zuhörern seine Bedeutung für die Menschen deutlich zu machen: „Ich
bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater
denn durch mich!“ (Johannes 14,6) Und als er geendet hatte, trat ausgerechnet sein Jünger Philippus
mit der Forderung auf: „Herr, zeige uns
den Vater, und es genügt uns.“ (Johannes
14,8)
Jesus war enttäuscht: „Solange bin ich bei
euch, und du kennst mich nicht, Philippus?
Wer mich sieht, der sieht den Vater. Wie sprichst du dann: Zeige uns
den Vater?“ (Johannes 14,9)
Das
Beispiel von Philippus zeigt auch, wie schwer es selbst jenen fiel,
an Jesus als den Messias zu glauben, die zu seiner persönlichen
Anhängerschaft zählten. Wenn einem das Unglaubliche passiert und
eine so entscheidende, religiöse Prophezeiung in Erfüllung geht,
ist das für den menschlichen Verstand ein harter Brocken.
Schließlich scheint man es nicht unmittelbar beweisen zu können,
alles klingt so unwirklich. Aber wie der Evangelist Johannes nicht
müde wird zu betonen, muss man bei den Werken ansetzen, die Jesus
von Nazareth als Sohn Gottes vollbrachte: „Die
Worte, die ich zu euch rede, die rede ich nicht von mir selbst aus.
Und der Vater, der in mir wohnt, der tut seine Werke durch mich.“
(Johannes 14,10)
Und am Ende seines irdischen Wirkens
erbrachte Jesus den ultimativen Beweis für seine Messianität: er
überwand den Tod und kehrte nach drei Tagen im Grab ins Leben
zurück. Es war ein überwältigendes
Ereignis,
das auch für seine
Jünger alles in den Schatten
stellte, was sie bisher mit ihrem Rabbi
erlebt hatten. Aber unglaubwürdig erschien
die
Auferstehung Jesu weder seinen Anhängern
noch den vielen Zeitgenossen, die
Jesus am Kreuz hatten sterben sehen und
sich jetzt zu
Pfingsten (nur 50 Tage später) auf seinen Namen taufen ließen.
Sie begriffen die Hoffnung, die Gott
ihnen durch die Auferstehung Jesu
zugesagt hatte. Und
sie
vertrauten auf die Botschaft, die Jesus
in Galiläa verkündet hatte: „Ich
bin die Auferstehung und das Leben. Wer
an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt
und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ (Johannes
11,25.26) - weil
auf ihn das ewige Leben in Reich Gottes wartet.
Ein sehr schöner und spannender Beitrag! Es ist interessant mal von einem Jünger zu lesen, von dem sonst kaum die Rede ist. Ich fand es auch sehr spannend, dass durch Phillipus gezeigt wird, wie klein der menschliche Verstand sein kann. Ich denke, es fällt uns Menschen durchaus schwer.
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