Von
der Schwierigkeit, ein Anhänger Jesu zu sein
„Wer
seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der
ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
(Lukas
9,62)
„Da fing
Petrus an und sprach zu Jesus: Siehe, wir haben alles verlassen und
sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür gegeben?“
(Matthäus
19,27) Das klingt
nach Berechnung: He du,
wir wollen eine Belohnung haben!
Es erweckt den traurigen Eindruck, dass die Jünger nicht verstanden
haben, worum es Jesus wirklich ging. Und so scheint es zu Lebzeiten
Jesu auch häufig gewesen zu sein. Denn tatsächlich mussten die
Männer, obwohl sie dem Ruf Jesu ohne zu zögern gefolgt waren und alles
zurückgelassen hatten, erst im Laufe der Wanderungen durch Galiläa
lernen, was einen Jünger des Messias wirklich ausmacht.
Jesus hatte es mit seinen Jüngern
nicht immer leicht. Die Anhänger, die er um sich gesammelt hatte,
waren noch zu sehr in der irdischen Welt verhaftet, als dass sie
Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Eifersüchteleien und
Konkurrenzdenken einfach ablegen hätten können. Besserwisserei und
Ehrgeiz blieben eine ständige Anfechtung und führten zu Spannungen
in der Gruppe.
So überraschten eines Tages die
Brüder Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Jesus mit
einem ungewöhnlichen Wunsch: „Gib
uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner
Linken in deiner Herrlichkeit im Himmel.“
(Markus
10,37) Jesus lehnte
das Ansinnen der beiden ab, das sei Sache seines Vaters im Himmel.
Nach dieser Antwort bedrängten die Brüder den Rabbi nicht weiter,
aber die anderen zehn Jünger ärgerten sich über die beiden.
Schließlich wollten Jakobus und Johannes ihre Beziehung zum Messias
ausnützen, um sich im Reich Gottes eine bevorzugte Stellung zu
verschaffen. So viel Unbescheidenheit empörte die Zehn sehr, es kam
zu Streitigkeiten. Deshalb rief Jesus alle zu sich und sprach: „So
soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein
will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will,
der sei euer Knecht.“
(Matthäus
20,26.27) Und Jesus
erinnerte sie daran, dass allein sein Beispiel die Richtlinie für
ihr Verhalten in seiner Nachfolge sein darf: „So
wie der Messias nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse,
sondern dass er diene.“
(Matthäus
20,28)
Der Wunsch, der Wichtigste zu
sein, brach bei den Jüngern aber immer wieder durch, auch nach
Golgatha und Ostern.
Nach seiner Auferstehung erschien Jesus
wiederholt seinen Jüngern und besprach sich mit ihnen.
Im Schlusskapitel des Johannesevangeliums steht, dass der
Auferstandene den Zwölfen am See Genezareth erschien. Sie hielten
gemeinsam ein Mahl mit frisch gefangenen Fischen, und Jesus erteilte
Simon Petrus den Auftrag: „Weide
meine Schafe!“
(Johannes
21,15.16.17) Mit
dieser ehrenvollen Aufgabe hätte Petrus zufrieden sein können, weil
sie zeigte, dass Jesus ihm trotz seiner Verleugnung vertraute. Doch
wie reagierte Simon Petrus darauf? Er hatte Angst, dass ein anderer
Jünger eine noch ehrenvollere Aufgabe zugewiesen bekommt: „Petrus
aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb hatte,
der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen hatte. Als Petrus
diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem?“
(Johannes
21,20.21) Jesus
antwortete ihm ohne Umschweife: „Wenn
ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge
du mir nach!“
(Johannes
21,22) Damit will
Jesus klarstellen, dass jedem seiner Anhänger von Gott ein
persönlicher Beitrag zugeteilt wird, damit die christliche Kirche
erbaut werden kann. Es wird keiner wichtiger als der andere sein,
jeder fügt einen gleichwertigen Bestandteil ein, egal wie groß
dieser ist. Der Apostel Paulus beschreibt die Kirche im 1.
Korintherbrief als einen Leib mit vielen Gliedern: „Nun
aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so
wie er gewollt hat. Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo
bliebe der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist
einer.“ (1
Korinther 12,18-20)
Nur im Zusammenhalt der Christen hat die Kirche eine Zukunft.
Nach seinem Einzug in Jerusalem
blieb Jesus noch Zeit, als Rabbi öffentlich aufzutreten.
Hauptsächlich verbrachte er die Tage damit, im Tempel zu predigen,
aber er nützte den Aufenthalt auch, um im nahe gelegenen Betanien
Simon den Aussätzigen in seinem Haus zu besuchen. Ein Vorfall dort
führte Jesus vor Augen, dass es zwischen ihm und seinen Jüngern
noch immer grundlegende Meinungsverschiedenheiten gab. Mit
weitreichenden Folgen – wie sich im Anschluss an das Ereignis
zeigen sollte.
Als eben Jesus Platz genommen
hatte, „trat
zu ihm eine Frau, die hatte ein Glas mit kostbarem Salböl und goss
es auf sein Haupt, als er zu Tische saß.“
(Matthäus
26,7) Das empfanden
die Jünger als Verschwendung und empörten sich laut: „Es
hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können.“
(Matthäus
26,9) Aber das ist
nicht die christliche Nächstenliebe, die Jesus von seinen Anhängern
erwartet. Spenden verteilen, um Bedürftigen zu helfen, ist
selbstverständlich ein Bestandteil christlichen Lebens, aber wenn
man darüber Jesus vergisst und meint, dass man mit Almosengeben
allein schon ein guter Christ ist, irrt man sich gewaltig.
Einer, der das offenbar aber so
verstand, war Judas Iskariot. Nach der Zurechtweisung durch Jesus
verließ er frustriert die Gruppe und diente sich den Hohepriestern,
die Jesus aus dem Verkehr ziehen wollten, als Helfer an: „Was
wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Und sie boten ihm
dreißig Silberlinge an.“
(Matthäus
26,15) Wurde Judas
aus Enttäuschung zum Verräter? Wollte er das Blutgeld den Armen
spenden als Ersatz für jene Münzen, die ihnen wegen des Kaufs des
Salböls entgangen waren? Zu spät wird Judas begreifen, dass die
Nachfolge Jesu sich nicht in der Armenfürsorge erschöpft, sondern
die Nächstenliebe eine Folge der Gottesliebe ist.
Jesus war sich der
Unzulänglichkeiten seiner Jünger voll bewusst. Geduldig erklärte
er ihnen immer wieder, welche Werte für sie als Christen gelten. Bis
zuletzt fielen die Zwölf in alte Verhaltensweisen zurück, trotzdem
sie überzeugte Anhänger des Messias waren. Und obwohl der Rabbi aus
Nazareth oft enttäuscht von ihnen war, hat er nie einen von
ihnen aus seinem Kreis verstoßen, auch Judas Iskariot nicht.
Das
bewies Jesus beim letzten Abendmahl. Er reichte Brot und Kelch an alle zwölf Jünger, obwohl er wusste, dass Petrus ihn
verleugnen und Judas Iskariot ihn verraten wird: „Doch
siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch.“
(Lukas
22,21)
Wenn ein
Anhänger die Gemeinschaft mit Jesus verließ, war es stets dessen
eigene Entscheidung. Etliche unter denen, die ihm nachfolgten, fanden
seine Rede als zu hart und wollten ihr Leben nicht nach dem
Evangelium ausrichten: „Von
da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht
mehr mit ihm.“
(Johannes
6,66) Die Zwölf
blieben, und Petrus antwortete auf die Frage Jesu, ob sie auch
weggehen wollen: „Herr,
wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir
haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“
(Johannes
6,6869) Das blieb
die Leitlinie ihres weiteren Weges: Jesus treu zu bleiben, auch wenn
sie es nicht immer schafften, das Evangelium über ihre zutiefst
menschlichen Bedürfnisse zu stellen. Aber das ist ja auch nicht so
leicht.
Niemals hat Jesus jemanden aus
seiner Gruppe hinausgeworfen, weil er schwach wurde und gegen die
Regeln des Evangeliums verstoßen und gesündigt hat. Und diese
Toleranz und Nachsicht verlangt Jesus auch von uns, die wir seine
Kirche repräsentieren: „Ein
Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan
habe.“ (Johannes
13,15)
Selbstgerechtigkeit und fromme Überheblichkeit und Geringschätzung haben keinen Platz in
der christlichen Gemeinschaft.
Über die menschlichen Schwächen ist
sich Jesus voll im Klaren, und er weiß, dass seine Anhänger trotz
ihres Glaubens weltlichen Anfechtungen ausgesetzt sind. Deshalb
bittet er Gott um Beistand für alle seine Anhänger, damit das
„Projekt Kirche“ nicht scheitert: „Ich
bitte aber nicht allein für meine Jünger, sondern auch für die,
die durch ihr Wort an mich glauben werden. Und ich habe ihnen deinen
Namen kundgetan, und sie werden ihn weiter kundtun, damit die Liebe,
mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen!“
(Johannes
17,20.26)
ein sehr schöner beitrag, der auch vor augen führt, dass die Jünger fehler gemacht haben, aber Jesus immer zu ihnen gehalten hatte. Wir sind alle nicht unfehlbar, aber wenn man sich bemüht, glaube ich, dass es einen wert hat!
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