Sonntag, 26. November 2017


Von der Schwierigkeit, ein Anhänger Jesu zu sein

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lukas 9,62)

Da fing Petrus an und sprach zu Jesus: Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür gegeben?“ (Matthäus 19,27) Das klingt nach Berechnung: He du, wir wollen eine Belohnung haben! Es erweckt den traurigen Eindruck, dass die Jünger nicht verstanden haben, worum es Jesus wirklich ging. Und so scheint es zu Lebzeiten Jesu auch häufig gewesen zu sein. Denn tatsächlich mussten die Männer, obwohl sie dem Ruf Jesu ohne zu zögern gefolgt waren und alles zurückgelassen hatten, erst im Laufe der Wanderungen durch Galiläa lernen, was einen Jünger des Messias wirklich ausmacht.

Jesus hatte es mit seinen Jüngern nicht immer leicht. Die Anhänger, die er um sich gesammelt hatte, waren noch zu sehr in der irdischen Welt verhaftet, als dass sie Eigenschaften und Verhaltensweisen wie Eifersüchteleien und Konkurrenzdenken einfach ablegen hätten können. Besserwisserei und Ehrgeiz blieben eine ständige Anfechtung und führten zu Spannungen in der Gruppe.

So überraschten eines Tages die Brüder Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Jesus mit einem ungewöhnlichen Wunsch: „Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit im Himmel.“ (Markus 10,37) Jesus lehnte das Ansinnen der beiden ab, das sei Sache seines Vaters im Himmel. Nach dieser Antwort bedrängten die Brüder den Rabbi nicht weiter, aber die anderen zehn Jünger ärgerten sich über die beiden. Schließlich wollten Jakobus und Johannes ihre Beziehung zum Messias ausnützen, um sich im Reich Gottes eine bevorzugte Stellung zu verschaffen. So viel Unbescheidenheit empörte die Zehn sehr, es kam zu Streitigkeiten. Deshalb rief Jesus alle zu sich und sprach: „So soll es nicht sein unter euch; sondern wer unter euch groß sein will, der sei euer Diener; und wer unter euch der Erste sein will, der sei euer Knecht.“ (Matthäus 20,26.27) Und Jesus erinnerte sie daran, dass allein sein Beispiel die Richtlinie für ihr Verhalten in seiner Nachfolge sein darf: „So wie der Messias nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene.“ (Matthäus 20,28
 
Der Wunsch, der Wichtigste zu sein, brach bei den Jüngern aber immer wieder durch, auch nach Golgatha und Ostern. 
Nach seiner Auferstehung erschien Jesus wiederholt seinen Jüngern und besprach sich mit ihnen. 
Im Schlusskapitel des Johannesevangeliums steht, dass der Auferstandene den Zwölfen am See Genezareth erschien. Sie hielten gemeinsam ein Mahl mit frisch gefangenen Fischen, und Jesus erteilte Simon Petrus den Auftrag: „Weide meine Schafe!“ (Johannes 21,15.16.17) Mit dieser ehrenvollen Aufgabe hätte Petrus zufrieden sein können, weil sie zeigte, dass Jesus ihm trotz seiner Verleugnung vertraute. Doch wie reagierte Simon Petrus darauf? Er hatte Angst, dass ein anderer Jünger eine noch ehrenvollere Aufgabe zugewiesen bekommt: „Petrus aber wandte sich um und sah den Jünger folgen, den Jesus lieb hatte, der auch beim Abendessen an seiner Brust gelegen hatte. Als Petrus diesen sah, spricht er zu Jesus: Herr, was wird aber mit diesem?“ (Johannes 21,20.21) Jesus antwortete ihm ohne Umschweife: „Wenn ich will, dass er bleibt, bis ich komme, was geht es dich an? Folge du mir nach!“ (Johannes 21,22) Damit will Jesus klarstellen, dass jedem seiner Anhänger von Gott ein persönlicher Beitrag zugeteilt wird, damit die christliche Kirche erbaut werden kann. Es wird keiner wichtiger als der andere sein, jeder fügt einen gleichwertigen Bestandteil ein, egal wie groß dieser ist. Der Apostel Paulus beschreibt die Kirche im 1. Korintherbrief als einen Leib mit vielen Gliedern: „Nun aber hat Gott die Glieder eingesetzt, ein jedes von ihnen im Leib, so wie er gewollt hat. Wenn aber alle Glieder ein Glied wären, wo bliebe der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber der Leib ist einer.“ (1 Korinther 12,18-20) Nur im Zusammenhalt der Christen hat die Kirche eine Zukunft.

 
Nach seinem Einzug in Jerusalem blieb Jesus noch Zeit, als Rabbi öffentlich aufzutreten. Hauptsächlich verbrachte er die Tage damit, im Tempel zu predigen, aber er nützte den Aufenthalt auch, um im nahe gelegenen Betanien Simon den Aussätzigen in seinem Haus zu besuchen. Ein Vorfall dort führte Jesus vor Augen, dass es zwischen ihm und seinen Jüngern noch immer grundlegende Meinungsverschiedenheiten gab. Mit weitreichenden Folgen – wie sich im Anschluss an das Ereignis zeigen sollte.
Als eben Jesus Platz genommen hatte, „trat zu ihm eine Frau, die hatte ein Glas mit kostbarem Salböl und goss es auf sein Haupt, als er zu Tische saß.“ (Matthäus 26,7) Das empfanden die Jünger als Verschwendung und empörten sich laut: „Es hätte teuer verkauft und das Geld den Armen gegeben werden können.“ (Matthäus 26,9) Aber das ist nicht die christliche Nächstenliebe, die Jesus von seinen Anhängern erwartet. Spenden verteilen, um Bedürftigen zu helfen, ist selbstverständlich ein Bestandteil christlichen Lebens, aber wenn man darüber Jesus vergisst und meint, dass man mit Almosengeben allein schon ein guter Christ ist, irrt man sich gewaltig.
Einer, der das offenbar aber so verstand, war Judas Iskariot. Nach der Zurechtweisung durch Jesus verließ er frustriert die Gruppe und diente sich den Hohepriestern, die Jesus aus dem Verkehr ziehen wollten, als Helfer an: „Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge an.“ (Matthäus 26,15) Wurde Judas aus Enttäuschung zum Verräter? Wollte er das Blutgeld den Armen spenden als Ersatz für jene Münzen, die ihnen wegen des Kaufs des Salböls entgangen waren? Zu spät wird Judas begreifen, dass die Nachfolge Jesu sich nicht in der Armenfürsorge erschöpft, sondern die Nächstenliebe eine Folge der Gottesliebe ist.

Jesus war sich der Unzulänglichkeiten seiner Jünger voll bewusst. Geduldig erklärte er ihnen immer wieder, welche Werte für sie als Christen gelten. Bis zuletzt fielen die Zwölf in alte Verhaltensweisen zurück, trotzdem sie überzeugte Anhänger des Messias waren. Und obwohl der Rabbi aus Nazareth oft enttäuscht von ihnen war, hat er nie einen von ihnen aus seinem Kreis verstoßen, auch Judas Iskariot nicht. 

Das bewies Jesus beim letzten Abendmahl. Er reichte Brot und Kelch an alle zwölf Jünger, obwohl er wusste, dass Petrus ihn verleugnen und Judas Iskariot ihn verraten wird: „Doch siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch.“ (Lukas 22,21

Wenn ein Anhänger die Gemeinschaft mit Jesus verließ, war es stets dessen eigene Entscheidung. Etliche unter denen, die ihm nachfolgten, fanden seine Rede als zu hart und wollten ihr Leben nicht nach dem Evangelium ausrichten: „Von da an wandten sich viele seiner Jünger ab und gingen hinfort nicht mehr mit ihm.“ (Johannes 6,66) Die Zwölf blieben, und Petrus antwortete auf die Frage Jesu, ob sie auch weggehen wollen: „Herr, wohin sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt: Du bist der Heilige Gottes.“ (Johannes 6,6869) Das blieb die Leitlinie ihres weiteren Weges: Jesus treu zu bleiben, auch wenn sie es nicht immer schafften, das Evangelium über ihre zutiefst menschlichen Bedürfnisse zu stellen. Aber das ist ja auch nicht so leicht.

Niemals hat Jesus jemanden aus seiner Gruppe hinausgeworfen, weil er schwach wurde und gegen die Regeln des Evangeliums verstoßen und gesündigt hat. Und diese Toleranz und Nachsicht verlangt Jesus auch von uns, die wir seine Kirche repräsentieren: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Johannes 13,15

Selbstgerechtigkeit und fromme Überheblichkeit und Geringschätzung haben keinen Platz in der christlichen Gemeinschaft. 

Über die menschlichen Schwächen ist sich Jesus voll im Klaren, und er weiß, dass seine Anhänger trotz ihres Glaubens weltlichen Anfechtungen ausgesetzt sind. Deshalb bittet er Gott um Beistand für alle seine Anhänger, damit das „Projekt Kirche“ nicht scheitert: „Ich bitte aber nicht allein für meine Jünger, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben werden. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan, und sie werden ihn weiter kundtun, damit die Liebe, mit der du mich liebst, in ihnen sei und ich in ihnen!“ (Johannes 17,20.26)

1 Kommentar:

  1. ein sehr schöner beitrag, der auch vor augen führt, dass die Jünger fehler gemacht haben, aber Jesus immer zu ihnen gehalten hatte. Wir sind alle nicht unfehlbar, aber wenn man sich bemüht, glaube ich, dass es einen wert hat!

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