Jesus
kam auf seiner Wanderung durch Galiläa mit seinen Jüngern eines
Tages in ein kleines Dorf. Dort lebten zwei Schwestern, die
Anhängerinnen von ihm waren. Begeistert luden sie ihn ein, Gast in
ihrem Haus zu sein, und Jesus nahm gerne an.
Martha
machte sich sogleich mit großer Geschäftigkeit daran, den
prominenten Besucher und seine Jünger zu bewirten. Maria dagegen
„setzte sich zu den Füßen Jesu nieder und
hörte seinem Wort zu.“ (Lukas 10,39) Sie fand es wichtig,
vom Rabbi persönlich das Evangelium vom Reich Gottes zu hören und
ihm Fragen stellen zu können. Ihre Schwester dagegen wollte den
Rabbi mit einer reichhaltigen Tafel beeindrucken.
Martha
ärgerte sich über Maria, die ihrer Meinung nach faul herum saß und
sie bei der Arbeit im Stich ließ. Deshalb wandte sich Martha an
Jesus und hoffte auf seine Unterstützung: „Herr,
kümmert es dich nicht, dass meine Schwester mich allein gelassen hat
zu dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfe!“ (Lukas 10,40)
Jesu Reaktion war allerdings anders als Martha erwartet hatte: „Du
bist besorgt und beunruhigt um viele Dinge; eins aber ist not. Maria
aber hat das gute Teil gewählt, das
nicht von ihr genommen werden wird.“ (Lukas 10,41.42) Jesus
wollte damit nicht Marthas eifrige Bemühungen um sein leibliches
Wohl schmälern, sondern ihr nur zu verstehen geben, dass für ihn
nicht in erster Linie materielle Werte zählen. Er wäre auch mit
weniger Essen zufrieden, dafür hätte Martha Zeit, sich auch zu ihm
zu setzen. Für Jesus gelten andere Prioritäten, und er forderte sie
auch von seinen Anhängern ein: „Trachtet
zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird
euch alles andere zufallen.“ (Matthäus 6,33) Jesus möchte,
dass Martha das über ihre häuslichen Besorgnisse nicht vergisst.
Aber
noch ein anderer Aspekt in dieser Begebenheit bringt uns zum
Nachdenken. Denn Jesus behandelte Maria gleichwertig wie seine
männlichen Anhänger, die sich um ihn versammelt hatten. Er sprach
ihr damit in aller Deutlichkeit das Recht zu, gleichberechtigt mit
den Zwölfen neben ihm zu sitzen und an geistlichen Aktivitäten
teilzunehmen.
Damit
stellt Jesus klar: er will nicht, dass in seiner Kirche die Frauen
vom geistlichen Amt ausgeschlossen sind und sich mit ihrer
traditionellen Aufgabe als Hausfrau zufrieden geben müssen. Indem
Jesus die Frauen als den Männern gleichwertig auch in religiösen
Belangen behandelte, setzte er ein revolutionäres Zeichen in einer
streng patriachalisch organisierten Gesellschaft. Und
selbstverständlich erwartet Jesus, dass in jeder christlichen
Gemeinschaft seinem Beispiel Folge geleistet wird.
Doch
bis dahin sollte es noch ein sehr weiter Weg sein, und selbst in der
Gegenwart werden in den meisten christlichen Kirchen die Frauen auf
die „häuslichen Plätze“ verwiesen. Den Grundstein dafür legte
bereits das frühe Christentum in der Antike. Es war eine Zeit
völliger Rechtslosigkeit der Frau, und so kann es nicht überraschen,
dass das Vorbild Jesu in den Hintergrund trat, und der
männerdominierte Zeitgeist auch die Kirche übernahm. So schrieb der
unbekannte Verfasser des 1. Timotheusbriefes entgegen der Forderung
Jesu: „Einer Frau gestatte ich nicht, dass
sie lehre, auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie
sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde
nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen
lassen.“ (1Timotheusbrief 2,12-14)
Klar, wie kann man eine
gläubige Frau besser zum Schweigen bringen als mit einem Text aus
ihrem Glaubensbuch, dem sie sich in ihrem religiösen Leben
verpflichtet fühlt? Und der 2. Schöpfungsbericht samt
Sündenfallgeschichte aus dem Alten Testament ist in dieser Hinsicht
besonders ergiebig.
Die
Geschichte vom ungehorsamen ersten Menschenpaar kennt jeder Christ.
Gott hatte in den Garten Eden den Baum der Erkenntnis gepflanzt, von
dem Adam und seine Frau nicht essen durften. Sie taten es dann doch,
wurden aber von Gott dabei erwischt und zur Rede gestellt: „Da
sprach Adam: Die Frau, die du mir gegeben hast, gab mir von dem Baum,
und ich aß.“ (1 Mose 3,12) Die Frau wollte aber auch nicht
schuld sein: „Die Schlange betrog mich,
sodass ich aß.“ (1 Mose 3,13) Die Schlange blieb als
Bösewicht übrig, hinter ihr kam niemand mehr.
Aber
Gott ließ die Ausreden der Menschen ohnehin nicht gelten und
bestrafte alle drei Beteiligten gleichermaßen mit einem mühseligen
Leben. Für die Frau hieß das: „Ich will dir
viel Mühsal schaffen, wenn du schwanger wirst; unter Mühen sollst
du Kinder gebären. Und dein Verlangen soll nach deinem Manne sein,
aber er soll dein Herr sein.“ (1 Mose 3,16)
Darauf
bezieht sich der Schreiber des 1. Timotheusbriefes: „Sie
wird aber selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, und
wenn sie mit Sittsamkeit bleibt im Glauben und in der
Liebe.“ (1Timotheusbrief 2,15) Und der Autor des Titusbriefes
verlangt im selben Sinne, dass die alten Frauen in der Gemeinde die
jungen anhalten sollen: „dass sie ihre
Männer lieben, ihre Kinder lieben, besonnen seien, keusch, mit häuslichen
Arbeiten beschäftigt, gütig, den eigenen Männern sich
unterordnen, damit das Wort Gottes nicht verlästert werde.“
(Titusbrief 2,4.5) Mit dem, was Jesus sich unter einer gleichwertigen
Rollenverteilung vorgestellt hat, haben diese Forderungen allerdings
nichts zu tun.
Und
dann ist da noch die Sache mit der Reihenfolge. Gern wird die
Vorherrschaft der „christlichen“ Männer damit begründet, dass
die Frau schließlich nur ein Ableger des Mannes ist: „Da
ließ Gott der Herr einen tiefen Schlaf fallen auf den Menschen, und
er schlief ein. Und er nahm eine seiner Rippen und schloß die Stelle
mit Fleisch. Und Gott der Herr baute eine Frau aus der Rippe, die er
von dem Menschen nahm, und brachte sie zu ihm.“ (1 Mose
2,21.22) Diesen Mythos hat die moderne Medizin inzwischen ausgeräumt:
Männer und Frauen haben tatsächlich die gleiche Anzahl von Rippen.
Die Frau ist also von Gott, dem Schöpfer, nachweislich nicht als
Ableger des Mannes erschaffen worden. Das bekräftigt der 1.
Schöpfungsbericht im Alten Testament, in dem steht, dass beide
gleichzeitig erschaffen wurden: „Und Gott
schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn;
und schuf sie als Mann und Frau.“ (1 Mose 1,27) Warum also
wird nicht diese Textstelle genommen? Etwa weil sie die Vorherrschaft
der Männer nicht absichert?
Der
Apostel Paulus hat in seinen Briefen stets unterschieden zwischen den
ewig gültigen Wahrheiten, die Jesus Christus verkündet hat und die
verbindlich sind, und seinen persönlichen Ansichten, die man
annehmen kann, aber nicht muss. So wies er offen darauf hin: „Über
junge Frauen habe ich kein Gebot des Herrn; ich sage aber meine
Meinung als einer, der durch die Barmherzigkeit
des Herrn Vertrauen verdient.“
(1 Korintherbrief 7,25) Dieses ehrliche Bekenntnis des Paulus muss
man vor Augen haben, wenn man seine sogenannten „frauenfeindlichen“
Texte liest. Dass er sehr wohl die Frauen in der Gemeindearbeit
achtete und respektierte, wie Jesus es gewollt hat, zeigt der
Schlussteil seines Römerbriefes. Am
Ende bringt Paulus eine
lange Liste an Empfehlungen und Grüßen, darunter auch an namentlich
genannte Frauen:
„Ich
aber empfehle euch unsere Schwester Phöbe, die eine Dienerin der
Gemeinde
in Kenchreä
ist“
(Römerbrief 16,1), damit man „ihr
beisteht, worin immer sie euch braucht; denn auch sie ist vielen ein
Beistand gewesen, auch mir selbst.“
(Römerbrief 16,2) Und weiters
ersucht er: „Grüßt
Maria, die viel für euch gearbeitet hat.“
(Römerbrief 16,6)
Beschränkung auf
häusliche Tätigkeit
kann man in diese Texte nur mit viel Phantasie
hinein interpretieren.
Jesus
ist der Maßstab unseres christlichen Lebens - und nur er allein.
Sein Evangelium ist für uns das
Gesetz. Und
wenn er verlangt, dass Männer und Frauen in der christlichen
Gemeinschaft gleichgestellt sind in allen Tätigkeiten, dann gilt das
absolut.
Wenn
also Männer den Pfarrkaffee nach dem Gottesdienst zubereiten, und
die Frauen von der Kanzel herab das Wort Gottes
predigen, haben wir die von Jesus
Christus verlangte
Gleichberechtigung
verstanden.
ein toller beitrag, der sich gut auf die heutige Zeit bezieht! Sehr interessant und gut formuliert :D
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