Jona,
der Wal und die Staude
Die Geschichte von Jona, dem
Propheten in Israel, den ein Wal verschluckte und wieder ausspuckte,
gehört zu den bekanntesten Texten der Bibel. Der fromme Mann war
einer jener Auserwählten, die besondere Aufträge Gottes ausführten.
Wenn der HERR Menschen etwas auszurichten hatte, sandte er einen
seiner Propheten zu den Betroffenen, um ihnen seinen Willen
mitzuteilen. Im Normalfall akzeptierten die Propheten jeden Auftrag,
den ihnen Gott erteilte. Das galt eigentlich auch für Jona.
Der Prophet stand im Dienste des
Herrn im nördlichen der beiden hebräischen Königreiche zur Zeit
Jerobeams II. (787-747 v.Chr.). Nun hatte Gott einen Auftrag für ihn, der ihn nach Mesopotamien führen würde: „Mache
dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie;
denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.“
(Jona
1,2) Doch der
fromme Mann weigerte sich. Warum er nicht wollte, wird nicht gesagt.
War es ihm zu weit? Hatte er kein Mitgefühl für die Leute im fernen
Ninive?
Jona versuchte auch gar nicht
Gott zu überreden, ihn von dieser Mission freizustellen, sondern
begab sich unverzüglich in die Hafenstadt Jafo, um über das
Mittelmeer zu entfliehen. Eigentlich hätte er als Prophet wissen
müssen, dass es unmöglich ist, vor Gott davon zu laufen. Trotzdem
versuchte es Jona. Er scheiterte aber, weil Gott sich sicher war,
dass nur Jona diesen heiklen Auftrag ausführen konnte, und so holte
er ihn – wenn auch etwas unsanft – zurück: „Aber
der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen.“
(Jona
2,1a) Im finsteren
Leib des Fisches kam Jona zur Besinnung, bereute seine
Widerspenstigkeit und betete demütig: „Ich
aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich
erfüllen, dem Herrn, der mir geholfen hat.“
(Jona
2,10) Da spie der
Fisch den Propheten aus, und dieser konnte in Ninive seinen
göttlichen Auftrag ausführen. Mit überwältigendem Erfolg: die
Bewohner der assyrischen Stadt bereuten ihr sündiges Verhalten und
taten öffentlich Buße. Sie hüllten sich in Sack und Asche und
riefen ein großes Fasten aus: „Als
aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege,
reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat‘s
nicht.“ (Jona
3,10)
Das war ein großer Erfolg für
Jona, der ihn hätte stolz machen müssen. Schließlich hatte er das
Vertrauen, das Gott in ihn gesetzt hatte, zur Gänze erfüllt. Aber
der Prophet reagierte anders als wir erwarten, denn er haderte nun
schon wieder mit Gott. Die Nachsicht des Herrn mit den Sündern von
Ninive verdross ihn sehr und machte ihn zornig. Er warf Gott vor
„dass
du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und
lässt dich des Übels gereuen.“
(Jona
4,2b) Lange hatte
also seine Reue über seinen ursprünglichen Ungehorsam nicht
angehalten. Schnell hatte der Prophet vergessen, wie froh er im Bauch
des Fisches war, dass Gott ihm sein Fehlverhalten verzieh. Doch jetzt
war Jona der Meinung, dass den Bewohnern von Ninive diese Nachsicht
nicht gebührte, sondern Gott sie seine Härte hätte spüren lassen
müssen: Strafe statt Vergebung. Warum eigentlich konnte er Gottes
Entscheidung nicht akzeptieren?
Jonas Gemurre über Gottes
Barmherzigkeit lässt den Propheten als selbstgerechten Frömmler
erscheinen, der manchen Sündern die Vergebung nicht gönnt. Das
macht keinen sympathischen Eindruck, und man erwartet als Leser, dass
Gott ihn zurechtweist. Der Herr erteilte ihm auch tatsächlich eine
Lektion, aber anders, als man schadenfroh erwarten würde. Denn jetzt
zeigte sich die ganze Großmut Gottes, die er allen Menschen zuteil
werden lässt, weil er ein bedingungslos liebender Gott ist.
Wie ging es also mit Jona weiter?
Nachdem er seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte, ging Jona
aus Ninive hinaus, kehrte aber nicht nach Israel zurück. Er ließ
sich östlich der Stadt nieder und baute sich eine Hütte auf. Vor
dieser sitzend wartete er schmollend das weitere Schicksal von Ninive
ab. Die Sonne brannte auf den Propheten herab: „Gott
der Herr aber ließ eine Staude wachsen; die wuchs über Jona, dass
sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm hülfe von seinem Unmut. Und
Jona freute sich sehr über die Staude.“
(Jona
4,6) Für Jona war
damit klar: Gott hieß sein selbstgerechtes Verhalten für gut. Warum
sonst sollte er für sein Wohlergehen sorgen?
Doch dann erlebte er am nächsten
Morgen eine böse Überraschung: ein Wurm, den Gott geschickt hatte,
stach die Staude und ließ sie verdorren - und der Prophet verlor
seinen angenehmen Schatten.
Ein heißer Ostwind und die gleißende
Sonne quälten Jona so sehr, dass er in schwere Niedergeschlagenheit
verfiel und mit seinem Schicksal haderte, dass Gott nicht für ihn da
war. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dass Gott ihm seine Lektion
erteilte: „Dich
jammert die Staude, um die du dich nicht bemüht hast, hast sie auch
nicht aufgezogen, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb,
und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der
mehr als 120.000 Menschen sind, dazu auch viele Tiere?“
(Jona
4,10.11) Damit will
Gott Jona sagen, dass auch für ihn gilt: Gottes Wille
steht über dem Willen des Menschen, die in seinen Diensten stehen.
Jahrhunderte später wird Gott
wieder einen Mann in die Nachfolge rufen und mit der Aufgabe,
Menschen außerhalb Palästinas das Heil zu bringen, betrauen. Dieser
Mann, Paulus von Tarsus, wurde völlig überraschend aus seiner
persönlichen Lebensplanung gerissen (anders als Jona, der bereits im
Dienste Gottes stand): „Als
Saulus aber auf dem Weg war und in die Nähe von Damaskus kam,
umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die
Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, warum
verfolgst du mich? Und er sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich
bin Jesus, den du verfolgst!“
(Apostelgeschichte
9,3-5). Gott war -
so wie zuvor bei Jona - der Überzeugung, dass nur dieser Paulus aus
Tarsus den Menschen außerhalb Israels Gottes Botschaft überbringen
konnte. Und die erfolgreiche Missionsarbeit als Apostel gibt Gott
Recht: ohne Paulus gäbe es heute keine christliche Weltkirche.
Der Unterschied zwischen Jona und
Paulus ist der, dass zweiterer nie an Gottes Auftrag zweifelte,
obwohl es für ihn schwerer war, die Menschen mit der frohen
Botschaft von der Vergebungsbereitschaft Gottes zu erreichen. Paulus
musste immer wieder Rückschläge hinnehmen (von denen Jona in Ninive
verschont geblieben ist): „Mich
wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch
berufen hat in die Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium.“
(Galater
1,6) Doch trotz
Mühen stand für Paulus fest: „In
allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in
Trübsalen, in Nöten, in Ängsten.“
(2
Korinther 6,4)
Niemals murrte Paulus, niemals wollte er aus der Mission
„aussteigen“. Er unterwarf sich in demütigem Gehorsam dem Willen
Gottes, diente ihm unbeirrt auf dem Platz, an den dieser ihn
hingestellt hatte: „Ich
nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein
weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu,
wie er darauf baut.“
(1
Korinther 3,10)
Grundsätzlich stellt sich für
jeden Gläubigen die Frage, ob wir Gottes Entscheidungen – wie
immer sie in unser Leben eingreifen – im Gehorsam akzeptieren oder besserwisserisch anzweifeln. Haben wir
Vertrauen in den Willen Gottes, auch wenn er uns schwere Belastungen
aufbürdet, oder nicht?
Leicht ist diese Frage nicht zu
beantworten, aber das Vorbild von Jesus Christus, unserem Herrn,
könnte uns dabei helfen. Kurz vor seiner Verhaftung zog er sich im
Garten Gethsemane von seinen Jüngern zurück, um alleine zu beten.
Er wusste, welch grausame Qualen ihm bevorstanden und hatte
Todesangst. In seiner Panik flehte er Gott an: „Mein
Vater, ist‘s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!“
(Matthäus
26,39a) Doch er
fügte den entscheidenden Satz hinzu: „Doch
nicht wie ich will, sondern wie du willst!“(Matthäus
26,39b) Danach hat
sich Jesus demütig dem Willen Gottes unterworfen und den Weg ans
Kreuz angetreten: „Er
erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode
am Kreuz.“
(Philipper
2,8)
Was wäre wohl aus uns geworden,
wenn sich Jesus – so wie es Jona damals wollte – aus dem Staub
gemacht hätte und unerkannt nach Galiläa zurückgekehrt wäre? Dann
wäre mit unserem
Tod alles zu Ende, und wir hätten keine Hoffnung auf ein neues Leben
im Reich Gottes. Aber durch seinen Opfertod hat Jesus die Menschen
mit Gott versöhnt und erreicht, dass wir trotz unserer Verfehlungen
und Bosheiten auf die Vergebung Gottes hoffen können. Jesu Vertrauen
in Gottes Entscheidung, dass der Weg zum Heil nur über das Leid am
Kreuz führen kann, hat uns Menschen die Gewissheit von Gottes
Barmherzigkeit gebracht. Das lehrt uns, dass Gott allein weiß,
welche Entscheidung die richtige ist, auch wenn wir es oft nicht
gleich verstehen. Im Vaterunser beten wir vertrauensvoll: „Dein
Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“
(Matthäus
6,10b) Und das soll
auch das Leitmotiv unseres christlichen Lebens sein -was immer auch
kommt!
sehr schön geschrieben! Es ist sehr interessant und spannend, von Jona zu lesen. Auch der Vergleich zu Paulus war sehr gut!
AntwortenLöschenWenn Jesus sich so geopfert hat, dann sollten wir auch versuchen Schmerz und Leid hinzunehmen. Das ist vielleicht das wenigste, was wir für ihn tun können.