Sonntag, 25. März 2018


Jona, der Wal und die Staude

Die Geschichte von Jona, dem Propheten in Israel, den ein Wal verschluckte und wieder ausspuckte, gehört zu den bekanntesten Texten der Bibel. Der fromme Mann war einer jener Auserwählten, die besondere Aufträge Gottes ausführten. Wenn der HERR Menschen etwas auszurichten hatte, sandte er einen seiner Propheten zu den Betroffenen, um ihnen seinen Willen mitzuteilen. Im Normalfall akzeptierten die Propheten jeden Auftrag, den ihnen Gott erteilte. Das galt eigentlich auch für Jona.

Der Prophet stand im Dienste des Herrn im nördlichen der beiden hebräischen Königreiche zur Zeit Jerobeams II. (787-747 v.Chr.). Nun hatte Gott einen Auftrag für ihn, der ihn nach Mesopotamien führen würde: „Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive und predige wider sie; denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.“ (Jona 1,2) Doch der fromme Mann weigerte sich. Warum er nicht wollte, wird nicht gesagt. War es ihm zu weit? Hatte er kein Mitgefühl für die Leute im fernen Ninive? 
 
Jona versuchte auch gar nicht Gott zu überreden, ihn von dieser Mission freizustellen, sondern begab sich unverzüglich in die Hafenstadt Jafo, um über das Mittelmeer zu entfliehen. Eigentlich hätte er als Prophet wissen müssen, dass es unmöglich ist, vor Gott davon zu laufen. Trotzdem versuchte es Jona. Er scheiterte aber, weil Gott sich sicher war, dass nur Jona diesen heiklen Auftrag ausführen konnte, und so holte er ihn – wenn auch etwas unsanft – zurück: „Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen, Jona zu verschlingen.“ (Jona 2,1a) Im finsteren Leib des Fisches kam Jona zur Besinnung, bereute seine Widerspenstigkeit und betete demütig: „Ich aber will mit Dank dir Opfer bringen. Meine Gelübde will ich erfüllen, dem Herrn, der mir geholfen hat.“ (Jona 2,10) Da spie der Fisch den Propheten aus, und dieser konnte in Ninive seinen göttlichen Auftrag ausführen. Mit überwältigendem Erfolg: die Bewohner der assyrischen Stadt bereuten ihr sündiges Verhalten und taten öffentlich Buße. Sie hüllten sich in Sack und Asche und riefen ein großes Fasten aus: „Als aber Gott ihr Tun sah, wie sie sich bekehrten von ihrem bösen Wege, reute ihn das Übel, das er ihnen angekündigt hatte, und tat‘s nicht.“ (Jona 3,10)

Das war ein großer Erfolg für Jona, der ihn hätte stolz machen müssen. Schließlich hatte er das Vertrauen, das Gott in ihn gesetzt hatte, zur Gänze erfüllt. Aber der Prophet reagierte anders als wir erwarten, denn er haderte nun schon wieder mit Gott. Die Nachsicht des Herrn mit den Sündern von Ninive verdross ihn sehr und machte ihn zornig. Er warf Gott vor „dass du gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte bist und lässt dich des Übels gereuen.“ (Jona 4,2b) Lange hatte also seine Reue über seinen ursprünglichen Ungehorsam nicht angehalten. Schnell hatte der Prophet vergessen, wie froh er im Bauch des Fisches war, dass Gott ihm sein Fehlverhalten verzieh. Doch jetzt war Jona der Meinung, dass den Bewohnern von Ninive diese Nachsicht nicht gebührte, sondern Gott sie seine Härte hätte spüren lassen müssen: Strafe statt Vergebung. Warum eigentlich konnte er Gottes Entscheidung nicht akzeptieren?

Jonas Gemurre über Gottes Barmherzigkeit lässt den Propheten als selbstgerechten Frömmler erscheinen, der manchen Sündern die Vergebung nicht gönnt. Das macht keinen sympathischen Eindruck, und man erwartet als Leser, dass Gott ihn zurechtweist. Der Herr erteilte ihm auch tatsächlich eine Lektion, aber anders, als man schadenfroh erwarten würde. Denn jetzt zeigte sich die ganze Großmut Gottes, die er allen Menschen zuteil werden lässt, weil er ein bedingungslos liebender Gott ist.

Wie ging es also mit Jona weiter? Nachdem er seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt hatte, ging Jona aus Ninive hinaus, kehrte aber nicht nach Israel zurück. Er ließ sich östlich der Stadt nieder und baute sich eine Hütte auf. Vor dieser sitzend wartete er schmollend das weitere Schicksal von Ninive ab. Die Sonne brannte auf den Propheten herab: „Gott der Herr aber ließ eine Staude wachsen; die wuchs über Jona, dass sie Schatten gäbe seinem Haupt und ihm hülfe von seinem Unmut. Und Jona freute sich sehr über die Staude.“ (Jona 4,6) Für Jona war damit klar: Gott hieß sein selbstgerechtes Verhalten für gut. Warum sonst sollte er für sein Wohlergehen sorgen?

Doch dann erlebte er am nächsten Morgen eine böse Überraschung: ein Wurm, den Gott geschickt hatte, stach die Staude und ließ sie verdorren - und der Prophet verlor seinen angenehmen Schatten. 

Ein heißer Ostwind und die gleißende Sonne quälten Jona so sehr, dass er in schwere Niedergeschlagenheit verfiel und mit seinem Schicksal haderte, dass Gott nicht für ihn da war. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, dass Gott ihm seine Lektion erteilte: „Dich jammert die Staude, um die du dich nicht bemüht hast, hast sie auch nicht aufgezogen, die in einer Nacht ward und in einer Nacht verdarb, und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen sind, dazu auch viele Tiere?“ (Jona 4,10.11) Damit will Gott Jona sagen, dass auch für ihn gilt: Gottes Wille steht über dem Willen des Menschen, die in seinen Diensten stehen.

Jahrhunderte später wird Gott wieder einen Mann in die Nachfolge rufen und mit der Aufgabe, Menschen außerhalb Palästinas das Heil zu bringen, betrauen. Dieser Mann, Paulus von Tarsus, wurde völlig überraschend aus seiner persönlichen Lebensplanung gerissen (anders als Jona, der bereits im Dienste Gottes stand): „Als Saulus aber auf dem Weg war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, warum verfolgst du mich? Und er sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst!“ (Apostelgeschichte 9,3-5). Gott war - so wie zuvor bei Jona - der Überzeugung, dass nur dieser Paulus aus Tarsus den Menschen außerhalb Israels Gottes Botschaft überbringen konnte. Und die erfolgreiche Missionsarbeit als Apostel gibt Gott Recht: ohne Paulus gäbe es heute keine christliche Weltkirche.

Der Unterschied zwischen Jona und Paulus ist der, dass zweiterer nie an Gottes Auftrag zweifelte, obwohl es für ihn schwerer war, die Menschen mit der frohen Botschaft von der Vergebungsbereitschaft Gottes zu erreichen. Paulus musste immer wieder Rückschläge hinnehmen (von denen Jona in Ninive verschont geblieben ist): „Mich wundert, dass ihr euch so bald abwenden lasst von dem, der euch berufen hat in die Gnade Christi, zu einem anderen Evangelium.“ (Galater 1,6) Doch trotz Mühen stand für Paulus fest: „In allem erweisen wir uns als Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten.“ (2 Korinther 6,4) Niemals murrte Paulus, niemals wollte er aus der Mission „aussteigen“. Er unterwarf sich in demütigem Gehorsam dem Willen Gottes, diente ihm unbeirrt auf dem Platz, an den dieser ihn hingestellt hatte: „Ich nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut.“ (1 Korinther 3,10)

Grundsätzlich stellt sich für jeden Gläubigen die Frage, ob wir Gottes Entscheidungen – wie immer sie in unser Leben eingreifen – im Gehorsam akzeptieren oder besserwisserisch anzweifeln. Haben wir Vertrauen in den Willen Gottes, auch wenn er uns schwere Belastungen aufbürdet, oder nicht?

Leicht ist diese Frage nicht zu beantworten, aber das Vorbild von Jesus Christus, unserem Herrn, könnte uns dabei helfen. Kurz vor seiner Verhaftung zog er sich im Garten Gethsemane von seinen Jüngern zurück, um alleine zu beten. Er wusste, welch grausame Qualen ihm bevorstanden und hatte Todesangst. In seiner Panik flehte er Gott an: „Mein Vater, ist‘s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber!“ (Matthäus 26,39a) Doch er fügte den entscheidenden Satz hinzu: „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“(Matthäus 26,39b) Danach hat sich Jesus demütig dem Willen Gottes unterworfen und den Weg ans Kreuz angetreten: „Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz.“ (Philipper 2,8)
  
Was wäre wohl aus uns geworden, wenn sich Jesus – so wie es Jona damals wollte – aus dem Staub gemacht hätte und unerkannt nach Galiläa zurückgekehrt wäre? Dann wäre mit unserem Tod alles zu Ende, und wir hätten keine Hoffnung auf ein neues Leben im Reich Gottes. Aber durch seinen Opfertod hat Jesus die Menschen mit Gott versöhnt und erreicht, dass wir trotz unserer Verfehlungen und Bosheiten auf die Vergebung Gottes hoffen können. Jesu Vertrauen in Gottes Entscheidung, dass der Weg zum Heil nur über das Leid am Kreuz führen kann, hat uns Menschen die Gewissheit von Gottes Barmherzigkeit gebracht. Das lehrt uns, dass Gott allein weiß, welche Entscheidung die richtige ist, auch wenn wir es oft nicht gleich verstehen. Im Vaterunser beten wir vertrauensvoll: „Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.“ (Matthäus 6,10b) Und das soll auch das Leitmotiv unseres christlichen Lebens sein -was immer auch kommt!


1 Kommentar:

  1. sehr schön geschrieben! Es ist sehr interessant und spannend, von Jona zu lesen. Auch der Vergleich zu Paulus war sehr gut!
    Wenn Jesus sich so geopfert hat, dann sollten wir auch versuchen Schmerz und Leid hinzunehmen. Das ist vielleicht das wenigste, was wir für ihn tun können.

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