Montag, 1. Mai 2023

 

Der Ackerbau und seine Rolle in der biblischen Geschichte


Im Altertum lebten die Menschen ausschließlich in Agrargesellschaften. Der weit überwiegende Teil der Bewohner arbeitete in der Landwirtschaft und ernährte das ganze Land. Nur eine dünne Bildungsschicht an der Spitze des Staates führte die Regierungsgeschäfte und übte die Verwaltung aus. Je höher die Erträge der Bauern ausfielen, desto größer war der Wohlstand im Lande.

Diese Gesellschaftsstruktur, die Jahrtausende hindurch das Leben auf der Erde prägte, änderte sich erst grundlegend im 19. Jahrhundert mit der Industriellen Revolution. Viele technische Erfindungen erleichterten den Alltag der Leute. Bis dahin waren die Menschen in ihrer Ernährung dem Wetter ausgeliefert, denn Vorratshaltung war nur in geringem Maße möglich. Erst die neuen technischen Errungenschaften machten eine effiziente Lagerung von Obst, Gemüse, Fleisch und Molkereiprodukten möglich. Mit Kühlschränken und Lebensmitteldosen mussten und müssen die Leute keine jährlichen Ernteausfälle mehr fürchten.

Allerdings hat diese Sicherheit ihr Ende dann, wenn es nichts mehr zu ernten gibt! Der Klimawandel mit seinen Wetterkapriolen zeigt uns in der Gegenwart wieder die Grenzen der technischen Möglichkeiten auf und beweist: der Mensch ist trotz vieler ausgeklügelter Erfindungen der Natur unterlegen, er kann nur mit ihren Gesetzen, aber nicht gegen sie existieren.

Denn eines kann der Mensch nicht herstellen - und doch ist gerade das für die Existenz von Leben auf der Erde entscheidend: das Süßwasser. Mit Trinkwasser begann das Leben auf der Erde, und ohne Trinkwasser wird es enden. Hätte es Gott am Anfang der Schöpfung nicht regnen lassen, hätte es nie eine Menschheitsgeschichte gegeben, die Erde wäre wüst geblieben.

Viele Kulturen vor unserer Zeit mussten bereits feststellen, dass Trinkwasser nicht unendlich vorhanden ist, und sie gezwungen waren, blühende Wohngebiete aufzugeben. Grundwasser wird durch Niederschläge immer wieder aufgefüllt. Wenn Regen, Schnee, Feuchtigkeit ausbleiben, breitet sich Trockenheit aus. Brunnen werden zu leeren Schächten, Bäche und Seen zu Geröllhalden, die Erde auf den Äckern springt auf und wird zu harten Brocken, auf denen nichts mehr wachsen kann. Alles Leben verdurstet und verhungert, übrig bleibt eine Wüste – wie am Anfang.

Leer und unfruchtbar sah es auf der Erde aus, bevor Gott sich ans Werk machte: Und alle die Sträucher auf dem Felde waren noch nicht auf Erden, und all das Kraut auf dem Felde war noch nicht gewachsen; denn Gott der Herr hatte es noch nicht regnen lassen auf Erden, und kein Mensch war da, der das Land bebaute.“ (1 Mose 2,5) Trockenheit und Wüste lagen als Ausgangssituation vor, als Gott jenes Element einsetzte, das zur Grundlage allen Lebens wurde: Wasser. Aber ein Nebel stieg auf von der Erde und befeuchtete alles Land.“ (1 Mose 2,6) Dieser 2. biblische Schöpfungsbericht gibt uns einen Einblick in die bäuerliche Lebensweise des Altertums, die sich aber bis heute in ihren Fundamenten nicht verändert hat: ohne Wasser keine Fruchtbarkeit auf den Äckern!

Die Paradiesgeschichte berichtet, dass die ersten Menschen eine sorglose Lebensweise hätten haben können. Aber sie wussten ihren Überfluss nicht zu schätzen und setzen ihn durch ihre Gier aufs Spiel. Der Rausschmiss aus dem Garten Eden beendete das bequeme Leben im Wohlstand. Nach dem Verlust des Paradieses musste der Mensch dem Acker mühsam die Feldfrüchte abringen: Dornen und Disteln soll dir der Acker tragen, und du sollst das Kraut auf dem Felde essen.“ (1 Mose 3,18.) Adam fügte sich gehorsam in sein Schicksal und blieb Gott in Demut treu. Er pflügte schwitzend den Acker und rang ihm so viel Ernte ab, dass er seine Familie ernähren konnte. 

Seine Gefährtin Eva schenkte zwei Söhnen das Leben, die die Eltern im Glauben an Gott erzogen. Beide Brüder waren in der Landwirtschaft tätig. Der ältere Kain wurde wie der Vater Ackerbauer, der jüngere Abel kümmerte sich um die Schafherde. Da sie wie ihre Eltern dem einen Gott dienten, brachten sie entsprechend dem Brauch der Zeit von ihren Erträgen auf dem Altar Gott Opfer dar: Kain von den Früchten des Feldes, Abel ein Tier seiner Schafherde.

Es zeigte sich aber bald, dass es nicht nur die schwere Landarbeit war, die das Alltagsleben der Menschen belastete, sondern dass auch unterschiedliche persönliche Prioritäten zu Familienkonflikten (sogar mit tödlichem Ausgang) führten. Der Konkurrenzkampf um die Gunst Gottes zwischen den Brüdern Kain und Abel spiegelt das menschliche Streben, der Bessere und Erfolgreichere sein zu wollen, wider. Je karger die Ressourcen, desto härter der Kampf um die Nutzung - aber den Ehrgeiz zur Überlegenheit minderte das nicht. Auch heute nicht!

Die Probleme einer Agrargesellschaft begegnen uns auch in den Gleichnissen Jesu. Der Rabbi aus Nazareth baute in seine Predigten stets Bilder aus dem bäuerlichen Leben ein, weil er voraussetzen konnte, dass seine Zuhörer sie verstehen würden. Die praktischen Beispiele, mit denen er seine theologischen Aussagen erklärte, entstammten der dörflichen Lebenswelt. Können wir den tieferen Sinn dieser bäuerlichen Gleichnisse auch in unsere industrialisierte Gesellschaft übertragen und verstehen? Oder sind sie lediglich interessante, geschichtliche Berichte, die uns einen Einblick in das Leben vor rund 2000 Jahren gewähren?

Es geht nun darum, die Frage zu klären, ob die Predigten Jesu in ihrer Gesamtheit ewig gültige Wahrheiten beinhalten oder sich ihre Bilder nur an seine Zeitgenossen richten. Nehmen wir als Beispiel das „Gleichnis vom Sämann“: würde es Jesus auch heute erzählen?

Die Menschenmenge, die Jesus umringte, hörte das Gleichnis wie folgt: „Siehe, es ging ein Sämann aus, zu säen. Und indem er säte, fiel einiges auf den Weg: da kamen die Vögel und fraßen es auf, Einiges fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzeln hatte, verdorrte es. Einiges fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten es. Einiges fiel auf gutes Land und trug Frucht, einiges 100fach, einiges 60fach, einiges 30fach.“ (Matthäus 13,3-8)

Und Jesus erklärte den Leuten die Bedeutung des Gleichnisses wie folgt: der Same, der ausgestreut wird, ist das Wort Gottes, das aus unterschiedlichen Gründen von den Menschen oft nicht nachhaltig aufgenommen wird. Sei es, weil das Böse dann doch mehr Anreiz ausübt (die Vögel fressen das auf den Weg Gefallene), sei es, weil nach der ersten Begeisterung das Interesse schnell wieder verfliegt (keine Wurzeln wie auf einem Felsen), oder weil die alltäglichen Sorgen den Glauben verdrängen (die Dornen ersticken das Pflänzchen). Aber nicht bei allen, die das Wort Gottes hören, geschieht dies vergebens. Wäre es so, dann gäbe es heute keine christliche Weltkirche. Dank des Eifers der urchristlichen Missionare, bei denen das Evangelium auf fruchtbaren Boden fiel, trug die Lehre Jesu Christi reichhaltige Früchte.

Wenn man diese Bilder betrachtet, erkennt man, dass das Gleichnis vom antiken Sämann durchaus auf einen Bauern im 21. Jahrhundert übertragen werden kann. Zunehmend macht unfruchtbare Erde wegen des ausbleibenden Regens das Ernten schwieriger, und immer häufiger bringt Samen keine Früchte mehr hervor. Und auf die christliche Kirche angewandt: auch das Wort Gottes verdorrt, weil es nicht mehr die Herzen der Menschen erreicht. Ist das die Zukunft? Wüste und Einöde?

Bevor ein Bauer sein Feld bestellen kann, muss er es pflügen, um den Samen in die Furchen streuen zu können. Er muss bei dieser Arbeit den Blick nach vorne richten, weil er sonst von der geraden Linie abkommt. Das verlangt Jesus auch von jenen, die in seine Nachfolge treten: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lukas 9,62)

Immer mit Zuversicht und Gottvertrauen in die Zukunft zu blicken, das ist es, was Christen ausmacht, unabhängig von äußeren Bedingungen. Nach vorne schauen gilt auch dann, wenn etwa Naturkatastrophen immensen Schaden angerichtet haben. Noah ist darin Vorbild, denn nach der Sintflut bebaute er mit seiner Familie die Felder der Erde neu: „Noah aber, der Ackermann, pflanzte als erster einen Weinberg.“ (1 Mose 9,20) Wer das Evangelium zum Fundament seines Lebens gemacht hat, hat keine Angst vor der Zukunft. Denn er weiß, dass alles in Gottes Hand liegt – und das bedeutet Geborgenheit. Und es bedeutet die Hoffnung auf das ewige Leben im Reich Gottes, das Ziel christlichen Lebens.

Allerdings weiß niemand, wann das sein wird, nur Gott allein kennt den Zeitpunkt: So seid nun geduldig, liebe Brüder und Schwestern, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie empfange den Frühregen und Spätregen. Seid auch geduldig und stärkt eure Herzen; denn das Kommen des Herrn ist nahe.“ (Jakobusbrief 5,7.8)

Wenn es dann soweit ist am Ende der Zeit, erwartet die gläubigen Christen der Garten Eden mit seinem Überfluss, so wie Adam und Eva ihn einst vorgefunden haben: Und es wird sein ein Strom lebendigen Wassers, klar wie Kristall, der ausgeht von dem Thron Gottes und des Lammes; mitten auf dem Platz und auf beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die tragen 12mal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker.“ (Offenbarung des Johannes 22,1.2)

Aber wie soll man bis dahin leben? Welche Werte weisen Christen aus als jene, bei denen das Wort Gottes Frucht hervor gebracht hat? Jesus hat Nächstenliebe immer vorrangig gefordert, betont, dass das für einander Dasein das Charakteristische für eine christliche Gemeinschaft ist: „Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ (Johannes 13,35) Jesus hat sich nicht damit begnügt, das Geben von Almosen zu fordern. Sein Anliegen war immer das Teilen. Almosen spenden bedeutet lediglich, dass jemand von seinem Überfluss gönnerhaft jenen etwas zu Gute kommen lässt, die wenig haben. Teilen bedeutet dagegen, dass schließlich beide Seiten gleich viel haben, so wie es die urchristliche Gemeinde vorgelebt hat: Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein wären, sondern es war ihnen allen gemeinsam genutzt.“ (Apostelgeschichte 4,32)

Ein utopisches Gesellschaftsmodell, denn es hat sich gezeigt, dass es auch die christliche Kirche nicht durchgehalten hat. Aber ist es eine Überlegung wert, ob es nicht doch das einzige ist, das in Zeiten des Wassermangels und ausbleibender Ernteerträge das gemeinsame Überleben der Menschen (und Tiere) sichern kann - weil es die gerechte Verteilung der knappen Ressourcen aus christlicher Nächstenliebe gewährleistet

Voraussetzung dafür ist allerdings, dass das Wort Gottes auch in Zukunft reichlich Frucht bringt. Das geschieht dann, wenn die Lehre Jesu Christi das Fundament der Gesellschaft bildet, denn Wer an Jesus glaubt, wie die Schrift sagt, von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.“ (Johannes 7,38) So wie damals, als die urchristlichen Missionare auszogen, um das Evangelium in die Welt hinaus zu tragen, und den Samen, der reichhaltig Frucht bringt, auszusäen. Und dieses „lebendige Wasser“ wird auch keine Erderwärmung austrocknen können, nur Menschen, die dem Wort Gottes keine Wurzeln schlagen lassen.

1 Kommentar:

  1. Der Beitrag war sehr lehrreich! Es hatte alle essentiellen Punkte, und die Erläuterung des Gleichnisses vom Sämann hat mir besonders gut gefallen :)

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