Samstag, 4. März 2017


der Weg nach Jerusalem
 
Vom historischen Jesus zum biblischen Christus


Jesus von Nazareth war in Galiläa ein sehr erfolgreicher Wanderprediger: „Er lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich Gottes und heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk.“ (Matthäus 4,23) Die Kunde von ihm erscholl weit über die Grenzen hinaus, und die Menschen brachten zu ihm ihre Kranken, die mit mancherlei Leiden und Plagen behaftet waren, und er heilte sie: „Und es folgte ihm eine große Menge aus Galiläa, aus den Zehn Städten, aus Jerusalem, aus Judäa und von jenseits des Jordans.“ (Matthäus 4,25) Jesus war weithin berühmt, und wenn man seine große Anhängerschaft ansieht, auch sehr beliebt. 
 
Aber die Menschen haben nicht genau zugehört, wenn Jesus gepredigt hat. Denn ihm ging es keineswegs nur darum, den Bedürftigen und Schwachen das Leben in dieser Welt zu erleichtern. Seine Heilungen und gesellschaftlichen Tabubrüche hatten den Zweck, die Gläubigen auf das Reich Gottes und seine Herrlichkeiten hinzuweisen. Das ewige Leben im Himmelreich, im Paradies Gottes, sollte das Ziel jedes gläubigen Menschen sein. Deshalb rief Jesus den Leuten zu: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1,15) Die Menschen aber sahen in ihm in erster Linie den von Gott mit besonderen Kräften ausgestatteten Wunderheiler, der ihrer Meinung nach das Paradies auf Erden ankündigte.

Solange Jesus in Galiläa wirkte, waren diese unterschiedlichen Auffassungen für ihn selbst kein Problem. Die feindselige hohe jüdische Geistlichkeit war weit weg im Tempel von Jerusalem, und der regierende Fürst Herodes Antipas fürchtete sich davor, sich nach der Hinrichtung des Propheten Johannes des Täufers nochmals an einem heiligen Mann zu vergreifen. Jesus von Nazareth hätte also ohne Schwierigkeiten weiter viele Jahre in Galiläa Gutes tun können, ohne dass ihm Lebensgefahr gedroht hätte.

Aber da war eben dieser andere, dieser entscheidende Aspekt seiner Mission: „Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Johannes 1,29) Johannes der Täufer machte seine Anhänger auf die Einzigartigkeit des Jesus von Nazareth aufmerksam, als dieser am Beginn seines öffentlichen Wirkens an den Jordan zur Taufe kam - und er bezeugte: „Dieser ist Gottes Sohn!“ (Johannes 1,34)
Aber Jesu Rolle als Heiland der Welt war von Anfang an umstritten. Zwar kannten alle Juden die Messiasprophezeiungen des Propheten Jesaja und wussten, dass der Gesalbte Gottes, auf den das Volk Israel so sehnsüchtig wartete, irgendwann auf die Erde kommen wird. Aber als es dann soweit war und er den Menschen persönlich begegnete, überstieg die Erfüllung der göttlichen Verheißung das Vorstellungsvermögen der Leute. Und sie würden letztendlich die Mission des Messias als Erlöser von den Sünden abschwächen auf die Rolle des Befreiers von den römischen Heiden. Das war nach menschlichem Ermessen leichter zu verstehen.

Und so kam die erste Leidensankündigung für seine Anhänger überraschend: „Seit der Zeit fing Jesus an, seinen Jüngern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten und Hohepriestern und Schriftgelehrten und getötet werde und am dritten Tage auferstehe.“ (Matth 16,21) Petrus war fassungslos, nahm seinen Meister sofort beiseite und fuhr ihn: „Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!“ (Matth 16,22) Jesus aber wies seinen aufgebrachten Jünger zurecht: „Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich ist, sondern was menschlich ist!“ (Matth 16,23)
Das war das grundlegende Problem – und das ist es bis heute geblieben: ein blutiger Opfertod am Kreuz, um die sündigen Menschen mit Gott zu versöhnen, und drei Tage darauf die leibliche Auferstehung von den Toten wider alle Naturgesetze: das ist nach menschlichem Ermessen schwer nachvollziehbar. 

Jesus von Nazareth für eine tatsächlich existierende historische Person zu halten, die in Galiläa als heilender Wanderprediger herumgezogen ist und Randgruppen geholfen hat, ist leicht. Jesus als „guten Menschen“ kann man sich sogar als Nicht-Christ zum Vorbild nehmen. 

Aber seine Mission als Messias, als Gesalbter Gottes, der sein Leben für die Sünden der Welt hingegeben und den Tod für unsere Hoffnung auf das ewige Leben überwunden hat, ist eine ganz andere Sache. In diesem Punkt endet die Wissenschaft und beginnt der Glaube. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Johannes 20,29) verlangte Jesus vom ungläubigen Thomas, der einen handfesten Beweis für die Auferstehung des Meisters sehen wollte. Jesus ließ den neuen Jünger seine Hände in seine Wundmale von der Kreuzigung legen, aber eigentlich war er enttäuscht von ihm. Darum sollen wir uns kein Beispiel an Thomas nehmen und nur das glauben, was die Wissenschaft beweisen kann, sondern dem Evangelium vertrauen und bekennen: „Jesus, mein Herr und mein Gott!“ (Johannes 20,28)

Obwohl seine Jünger sehr befremdet auf seine Leidensankündigung reagiert hatten, ließ Jesus nicht locker. Und noch während sie in Galiläa unterwegs waren, konfrontierte er seine Jünger zum zweiten Mal mit seiner Todesbotschaft: „Und er lehrte seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Messias wird überantwortet werden in die Hände der Menschen, und sie werden ihn töten; wenn er getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen.“ (Mk 9,31) Diesmal war die Reaktion der Jünger zurückhaltender: „Sie aber verstanden das Wort nicht und fürchteten sich, ihn zu fragen.“ (Mk 9,32) Sie spürten den Ernst der Lage, aber sie wollten es nicht wahrhaben und schwiegen.

Danach ging Jesus mit seinen Jüngern nach Kapernaum, dem Ort, in dem sie sich häufig längere Zeit aufgehalten hatten. Es war der Heimatort von Simon Petrus und seinem Bruder Andreas. Ein Gefühl von Hoffnung keimte in den Jüngern im vertrauten Zuhause auf, aber es täuschte. 



Nach einem letzten Blick zurück wandte sich Jesus von Galiläa ab und schlug den Weg nach Jerusalem ein, dem schweren Teil seiner Aufgabe entgegen. Seine besorgten und verunsicherten Jünger folgten ihm.

Die Gruppe war bereits auf dem Weg nach Jerusalem, als Jesus zum dritten Mal über das Leiden sprach, das ihn erwartete: „Seht, wir ziehen hinauf nach Jerusalem, und der Messias wird den Hohepriestern und Schriftgelehrten überantwortet werden; und sie werden ihn zum Tode verurteilen und werden ihn den Heiden überantworten, damit sie ihn verspotten und geißeln und kreuzigen; und am dritten Tage wird er auferstehen.“ (Mt 20,18.19) Die detaillierte Beschreibung seiner bevorstehenden Qualen verstörte seine Jünger noch mehr: warum nur sollte man ihren Meister töten? Er hatte doch niemandem ein Leid zugefügt. „Sie aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.“ (Lk 18,34)

Endlich sahen sie von weitem Jerusalem auf einer Anhöhe liegen. Jesus und seine Jünger waren nicht die einzigen Leute unterwegs in die heilige Stadt Israels. In einigen Tagen würde eines der wichtigsten jüdischen Pilgerfeste, das Passah, stattfinden. Zu diesem Anlass kamen besonders viele Juden, auch aus der Diaspora, nach Jerusalem, um im Tempel zu opfern und zu beten. 
Hier, im Zentrum der jüdischen Religion, wird durch Kreuzigung und Auferstehung aus dem irdisch-menschlichen Jesus von Nazareth der himmlisch-göttliche Christus, der uns von unseren Sünden erlöst: „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft.“ (1 Korinther 1,18)

1 Kommentar:

  1. sehr schön geschrieben und sehr anschaulich. Ich finde die Stelle mit Thomas auch gut, um ein gegenbeispiel zu haben. Auch schön zu erfahren, dass seine Jünger auch Menschen waren, da se die Botschaft von Jesus nicht wahr haben wollen.

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