der Weg nach Jerusalem
Vom
historischen Jesus zum biblischen Christus
Jesus von Nazareth war in Galiläa ein sehr
erfolgreicher Wanderprediger: „Er lehrte in
ihren Synagogen und predigte das Evangelium von dem Reich Gottes und
heilte alle Krankheiten und alle Gebrechen im Volk.“
(Matthäus 4,23) Die
Kunde von ihm erscholl weit über die Grenzen hinaus, und die
Menschen brachten zu ihm ihre Kranken, die mit mancherlei Leiden und
Plagen behaftet waren, und er heilte sie: „Und
es folgte ihm eine große Menge aus Galiläa, aus den Zehn Städten,
aus Jerusalem, aus Judäa und von jenseits des Jordans.“
(Matthäus 4,25) Jesus
war weithin berühmt, und wenn man seine große Anhängerschaft
ansieht, auch sehr beliebt.
Aber die Menschen haben nicht genau zugehört,
wenn Jesus gepredigt hat. Denn ihm ging es keineswegs nur darum, den
Bedürftigen und Schwachen das Leben in dieser Welt zu erleichtern.
Seine Heilungen und gesellschaftlichen Tabubrüche hatten den Zweck,
die Gläubigen auf das Reich Gottes und seine Herrlichkeiten
hinzuweisen. Das ewige Leben im Himmelreich, im Paradies Gottes,
sollte das Ziel jedes gläubigen Menschen sein. Deshalb rief Jesus
den Leuten zu: „Die Zeit ist erfüllt, und
das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das
Evangelium!“ (Markus
1,15) Die Menschen aber sahen in ihm in erster Linie den von
Gott mit besonderen Kräften ausgestatteten Wunderheiler, der ihrer
Meinung nach das Paradies auf Erden ankündigte.
Solange Jesus in Galiläa wirkte, waren diese
unterschiedlichen Auffassungen für ihn selbst kein Problem. Die
feindselige hohe jüdische Geistlichkeit war weit weg im Tempel von
Jerusalem, und der regierende Fürst Herodes Antipas fürchtete sich
davor, sich nach der Hinrichtung des Propheten Johannes des Täufers
nochmals an einem heiligen Mann zu vergreifen. Jesus von Nazareth
hätte also ohne Schwierigkeiten weiter viele Jahre in Galiläa Gutes
tun können, ohne dass ihm Lebensgefahr gedroht hätte.
Aber da war eben dieser andere, dieser
entscheidende Aspekt seiner Mission: „Siehe,
das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt!“ (Johannes
1,29) Johannes der Täufer machte seine Anhänger auf die
Einzigartigkeit des Jesus von Nazareth aufmerksam, als dieser am
Beginn seines öffentlichen Wirkens an den Jordan zur
Taufe kam - und er bezeugte: „Dieser
ist Gottes Sohn!“
(Johannes
1,34)
Aber Jesu
Rolle als Heiland der Welt war von Anfang an umstritten. Zwar kannten
alle Juden die Messiasprophezeiungen des Propheten Jesaja und
wussten, dass der Gesalbte Gottes, auf den das Volk Israel so
sehnsüchtig wartete, irgendwann auf die Erde kommen wird. Aber als
es dann soweit war und er den Menschen persönlich begegnete,
überstieg die Erfüllung der göttlichen Verheißung das
Vorstellungsvermögen der Leute. Und sie würden letztendlich die Mission des
Messias als Erlöser von den Sünden abschwächen auf die Rolle des Befreiers
von den römischen Heiden. Das war nach menschlichem Ermessen
leichter zu verstehen.
Und so kam die erste Leidensankündigung für
seine Anhänger überraschend: „Seit der Zeit
fing Jesus an, seinen Jüngern zu zeigen, wie er nach Jerusalem gehen
und viel leiden müsse von den Ältesten und Hohepriestern und
Schriftgelehrten und getötet werde und am dritten Tage auferstehe.“
(Matth 16,21) Petrus war
fassungslos, nahm seinen Meister sofort beiseite und fuhr ihn: „Gott
bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht!“ (Matth
16,22) Jesus aber wies seinen aufgebrachten Jünger zurecht:
„Geh weg von mir, Satan! Du bist mir ein
Ärgernis; denn du meinst nicht, was göttlich ist, sondern was
menschlich ist!“ (Matth
16,23)
Das war das grundlegende Problem – und das
ist es bis heute geblieben: ein blutiger Opfertod am Kreuz, um die
sündigen Menschen mit Gott zu versöhnen, und drei Tage darauf die
leibliche Auferstehung von den Toten wider alle Naturgesetze: das ist
nach menschlichem Ermessen schwer nachvollziehbar.
Jesus von Nazareth
für eine tatsächlich existierende historische Person zu halten, die
in Galiläa als heilender Wanderprediger herumgezogen ist und
Randgruppen geholfen hat, ist leicht. Jesus als
„guten Menschen“ kann man sich sogar als Nicht-Christ zum Vorbild
nehmen.
Aber seine Mission als Messias, als Gesalbter Gottes, der
sein Leben für die Sünden der Welt hingegeben und den Tod für
unsere Hoffnung auf das ewige Leben überwunden hat, ist eine ganz
andere Sache. In diesem Punkt endet die Wissenschaft und beginnt der
Glaube. „Selig
sind, die nicht sehen und doch glauben!“
(Johannes
20,29) verlangte
Jesus vom ungläubigen Thomas, der einen handfesten Beweis für die
Auferstehung des Meisters sehen wollte. Jesus ließ den neuen Jünger
seine Hände in seine Wundmale von der Kreuzigung legen, aber
eigentlich war er enttäuscht von ihm. Darum sollen wir uns kein
Beispiel an Thomas nehmen und nur das glauben, was die Wissenschaft
beweisen kann, sondern dem Evangelium vertrauen und bekennen: „Jesus,
mein Herr und mein Gott!“
(Johannes
20,28)
Obwohl
seine Jünger sehr befremdet auf seine Leidensankündigung reagiert
hatten, ließ Jesus nicht locker. Und noch während sie in
Galiläa unterwegs waren, konfrontierte er seine Jünger zum zweiten
Mal mit seiner Todesbotschaft: „Und er lehrte
seine Jünger und sprach zu ihnen: Der Messias wird überantwortet
werden in die Hände der Menschen, und sie werden ihn töten; wenn er
getötet ist, so wird er nach drei Tagen auferstehen.“ (Mk
9,31) Diesmal war die Reaktion der Jünger zurückhaltender:
„Sie aber verstanden das Wort nicht und
fürchteten sich, ihn zu fragen.“ (Mk
9,32) Sie spürten den Ernst der Lage, aber sie wollten es
nicht wahrhaben und schwiegen.
Danach ging Jesus mit seinen Jüngern nach
Kapernaum, dem Ort, in dem sie sich häufig längere Zeit aufgehalten
hatten. Es war der Heimatort von Simon Petrus und seinem Bruder
Andreas. Ein Gefühl von Hoffnung keimte in den Jüngern im
vertrauten Zuhause auf, aber es täuschte.
Nach einem letzten Blick
zurück wandte sich Jesus von Galiläa ab und schlug den Weg nach
Jerusalem ein, dem schweren Teil seiner Aufgabe entgegen. Seine
besorgten und verunsicherten Jünger folgten ihm.
Die Gruppe war bereits auf dem Weg nach
Jerusalem, als Jesus zum dritten Mal über das Leiden sprach, das ihn
erwartete: „Seht, wir ziehen hinauf nach
Jerusalem, und der Messias wird den Hohepriestern und
Schriftgelehrten überantwortet werden; und sie werden ihn zum Tode
verurteilen und werden ihn den Heiden überantworten,
damit sie ihn verspotten und geißeln und kreuzigen; und am dritten
Tage wird er auferstehen.“
(Mt
20,18.19) Die
detaillierte Beschreibung seiner bevorstehenden Qualen verstörte
seine Jünger noch mehr: warum nur sollte man ihren Meister töten? Er hatte doch niemandem ein Leid zugefügt. „Sie
aber begriffen nichts davon, und der Sinn der Rede war ihnen
verborgen, und sie verstanden nicht, was damit gesagt war.“
(Lk
18,34)
Endlich
sahen sie von weitem Jerusalem auf einer Anhöhe liegen. Jesus und
seine Jünger waren nicht die einzigen Leute unterwegs in die heilige
Stadt Israels. In einigen Tagen würde eines der wichtigsten
jüdischen Pilgerfeste, das Passah, stattfinden. Zu diesem Anlass
kamen besonders viele Juden, auch aus der Diaspora, nach Jerusalem,
um im Tempel zu opfern und zu beten.
Hier, im Zentrum der jüdischen
Religion, wird durch Kreuzigung und Auferstehung aus dem
irdisch-menschlichen Jesus von Nazareth der himmlisch-göttliche
Christus, der uns von unseren Sünden erlöst: „Das
Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber,
die wir selig werden, ist's eine Gotteskraft.“ (1
Korinther 1,18)
sehr schön geschrieben und sehr anschaulich. Ich finde die Stelle mit Thomas auch gut, um ein gegenbeispiel zu haben. Auch schön zu erfahren, dass seine Jünger auch Menschen waren, da se die Botschaft von Jesus nicht wahr haben wollen.
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