Sonntag, 11. Juni 2017


Der Anfang der christlichen Kirche

Pfingsten war für alle Beteiligten ein überwältigendes Ereignis gewesen. Die Jünger konnten es noch gar nicht fassen, mit welcher Begeisterung sich die Leute zur Taufe gedrängt hatten. Es sah alles nach einem glänzenden Sieg des Evangeliums in kürzester Zeit aus: „Aber alle, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten viele Dinge gemeinsam.“ (Apostelgeschichte 2,44)

Doch der Weg zur Weltkirche würde noch sehr steinig werden. Und auch als die Zeit der Verfolgungen vorbei war und das Christentum zur Staatsreligion aufgestiegen war, hörten die Schwierigkeiten nicht auf, sondern verlagerten sich auf andere Ebenen. War die Kirche in den ersten drei Jahrhunderten von der römischen Staatsmacht existentiell bedroht worden, war sie im Mittelalter als vorherrschende Institution durch ihr autoritäres Verhalten in ihrer Glaubwürdigkeit gefährdet. Die Kehrtwendung kam mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert, als die Menschen begannen, an der dogmatischen und uneinsichtigen Haltung der Kirchenvertreter Kritik zu üben und sich aus der Vormundschaft der christlichen Religion zu lösen. Heute verlieren immer mehr Christen ihre Angst vor dem Gericht Gottes und meinen, auch ohne Evangelium und den Glauben an Jesus Christus glücklich werden zu können.

Diese Einstellung hätte die ersten Christen sehr befremdet. Für sie war am wichtigsten im Leben das Versprechen Jesu, sie durch seinen Opfertod am Kreuz von der Sünde erlöst und mit Gott versöhnt zu haben: „Und in keinem ist das Heil, auch ist kein andrer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir sollen selig werden.“ (Apostelgeschichte 4,12) Für die urchristliche Gemeinde stand absolut im Vordergrund, dass ihnen Jesus die Hoffnung gegeben hat in das Reich Gottes einzugehen, das nach dem Untergang der sichtbaren Welt anbrechen wird.

Angefangen hat die christliche Kirche also mit einer kleinen Gruppe von Menschen, die sich im Glauben an den auferstandenen Herrn Jesus Christus zusammengefunden hatten und auf das Anbrechen des Reiches Gottes warteten. Aber von dieser kleinen Schar ging eine die Welt grundlegend verändernde Bewegung aus, weil die Aposteln den nicht-getauften Mitmenschen gegenüber ein hohes Verantwortungsgefühl besaßen. Denn wer nicht an Jesus Christus glaubt, wird vor dem Gericht Gottes nicht bestehen können. Deshalb wollten sie so viele Menschen wie möglich vor diesem Schicksal durch die Taufe bewahren

Die urchristliche Verkündigung war auf die Apokalypse ausgerichtet. Die Aufrichtung des Gottesreiches bedeutete zwar für alle Menschen das furchtbare Weltgericht, aber für die getauften Anhänger Jesu war es ein Ereignis der Freude, weil sie das ewige Leben im Paradies erwartete.

In Erwartung des baldigen Weltunterganges zählten neue Prioritäten. Man forderte nicht die Abschaffung von Sklaverei und Frauendiskriminierung, aber man praktizierte sie innerhalb der Gemeinde nicht. Alle Mitglieder waren (und sind es bis heute) ungeachtet ihrer Herkunft und ihres Geschlechts gleichwertig und sitzen bunt zusammengewürfelt gemeinsam im Gebetsraum und am Tisch des Herrn. Die Gruppe schätzte ökonomische Fragen wegen der Naherwartung des Weltendes und der ausschließlichen Zuwendung zum Gottesreich gering und teilte, was sie hatte, untereinander auf.

Die Urchristen verstanden sich als die „heilige Gemeinschaft der Endzeit“ und erwarteten die Wiederkunft Jesu noch zu ihren Lebzeiten. Aber das hatte Jesus nicht zugesagt, im Gegenteil, er hat den Zeitpunkt offen gelassen: „Darum wachet; denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt!“ (Matthäus 24,42)
Als die Rückkehr Jesu nicht und nicht eintrat, blieb den Christen nichts Anderes übrig, als sich in der Welt einzurichten und sich in ihrer Lebensführung den Zeitumständen anzupassen. Das stellt grundsätzlich kein Problem dar, wenn man als Christ weiterhin an die ewig gültigen Wahrheiten des Evangeliums glaubt. Erst wenn man aus dem Messias Jesus Christus, der für uns am Kreuz gestorben und am dritten Tage auferstanden ist, einen „normalen“ Menschen macht, der sich halt sehr engagiert für den Nächsten eingesetzt hat, hat man sich vom christlichen Glauben abgewandt. Denn die christliche Religion steht und fällt mit der Menschwerdung Gottes, wie es im Prolog des Johannesevangeliums steht: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1,14)
Noch ist es Zeit für den rechten Glauben – aber wir wissen nicht, wie lange noch.


1 Kommentar:

  1. sehr schön geschrieben, und es regt richtig zum nachdenken an! Gut sich das immer weder ins Gedächtnis zu rufen!

    AntwortenLöschen