Auf
der Suche nach einem gnädigen Gott
Erlösung,
Sünde: was soll das bedeuten? Es klingt nach verstaubten, unnützen
Worten. Sie kommen aus der christlichen Theologie, die für immer
mehr Menschen auch nur noch verstaubt und unnütz ist. Von Erlösung
der Sünden hört man höchstens noch am Karfreitag im Gottesdienst –
sofern man hingeht, wozu sich auch immer weniger Christen aufraffen
können.
Man
kann sich heute gar nicht vorstellen, dass sich vor 500 Jahren ein
Mann in Lebensgefahr gebracht hat, weil für ihn die Erlösung von
seinen Sünden zum entscheidenden Problem in seinem Leben geworden
war. Er wurde beherrscht von der Frage: Wie bekomme ich einen
gnädigen Gott? Für diesen Mann, Martin Luther aus Eisleben, war die
Beantwortung so entscheidend wichtig, dass er das katholische
Establishment herausforderte und selbst unter Androhung des
Scheiterhaufens nicht einknickte.
Der
Sohn eines thüringischen Bergmannes hatte eine glänzende Karriere
vor sich. Martins Vater war als Minenpächter durch harte Arbeit zu
Wohlstand gekommen und finanzierte seinem begabten Ältesten eine
Universitätsausbildung in Erfurt. Ein Studienabschluss vor allem in
Jus war im Spätmittelalter an der Schwelle zur Renaissance für
bürgerliche Männer die einzige Chance, gesellschaftlich
aufzusteigen. Die Macht im Staat lag in den Händen des Adels, aber
der brauchte gebildete Hochschulabsolventen aus dem Bürgertum für
seinen Verwaltungsapparat.
Martin
Luther studierte sehr erfolgreich und schien die hohen Erwartungen
seiner Eltern zu erfüllen. Sie waren stolz auf ihren Ältesten und
malten sich aus, wie er ein berühmter Mann werden würde. Das wurde
Martin auch, aber nicht so, wie es sich seine Eltern erträumten.
Denn was diese nicht wussten, war, dass ihren Sohn religiöse Zweifel
immer mehr niederdrückten.
Seine Angst vor Gottes Zorn und
Verdammung wurde schließlich so übermächtig, dass Martin Luther am
17. Juli 1505 sein Jusstudium hinschmiss und in den Orden der
strengen Augustinereremiten in Erfurt eintrat.
Mit
dieser Entscheidung glaubte Martin Luther, sein religiöses Leben in
den Griff bekommen zu haben. Aber
dann musste er enttäuscht feststellen, dass ihm das
entbehrungsreiche Klosterleben keineswegs die innere Ruhe eines
Menschen, der mit Gott im Einklang ist, einbrachte. Der junge Mann
hatte alles aufgegeben, um nur für seinen Glauben zu leben, und
jetzt begriff er schmerzhaft, dass ihm sein Verzicht einem gnädigen
Gott keinen Schritt näher gebracht hatte. Zuerst versuchte er es mit
noch strengerer Askese und noch mehr Sündenbeichten. Aber es half
nicht: Luther spürte Gottes Vergebung trotz seiner immensen
Bußleistungen nicht, und die Unerbittlichkeit des göttlichen
Gerichts und die Verdammung zur Hölle türmten sich wie ein
unüberwindliches Hindernis vor dem zitternden Mönch auf.
Das
ausgehende Mittelalter war eine Zeit, in der sich die Christen noch
vor den Konseqenzen der Sünde fürchteten. Luther war aufgewachsen
in dem Glauben an einen Gott, der am Ende der Zeit als unbarmherziger
Richter das Verdammungsurteil über den Sünder ausspricht. Aber als
ein Mensch, der es ebenso wenig wie alle anderen schaffte, ohne Sünde
zu leben, sehnte sich Luther nach einem Gott der Liebe und der
Vergebung. Und er suchte verzweifelt nach einem Weg, wie er als Mensch trotz seiner Sündhaftigkeit vor dem Gericht Gottes bestehen kann.
Luther
kam in seiner Gewissensnot der Auftrag seines Ordens, als Professor
an die neugegründete Universität von Wittenberg zu gehen, zu Hilfe.
Seine Hauptaufgabe war es von nun an, Theologie zu lehren. Um seine
Vorlesungen über einzelne Schriften der Bibel vorzubereiten, begann
Martin Luther, sich intensiv mit den Texten der Heiligen Schrift zu
beschäftigen.
So
saß er alleine in seinem Turmstübchen im Wittenberger Kloster und
arbeitete. Und als Luther eines Tages den Römerbrief des Apostels
Paulus las, hatte er ein Erleuchtungserlebnis: „Ich
rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den
Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. Denn es ist hier
kein Unterschied: sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhms,
den sie bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst errettet
aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus
geschehen ist.“
(Römer
3,22-24)
Luther war überwältigt: jetzt endlich hatte er den gnädigen Gott
gefunden, nach dem er so viele Jahre verzweifelt gesucht hatte.
Paulus zeigte ihm den Weg, indem er dem Sünder die Erlösung durch
die Gnade Gottes zusagte, die dieser durch noch so viele gute Werke
nicht schaffen konnte. Der Apostel verwies mit Nachdruck darauf,
dass der Mensch sich die Gnade Gottes nicht durch eigene Leistungen
verdienen kann: „So
halten wir nun dafür, dass der Mensch errettet wird ohne des
Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“
(Römer
3,28) Luthers
religiöses Leben bekam durch den Römerbrief wieder eine
Zukunftsperspektive. Durch Paulus hat der junge Theologieprofessor
begriffen, dass sich Gott den Menschen zuwendet und nicht wartet, bis
sich die Menschen durch die von der Kirche festgelegten guten Werke
ihm andienen.
Gottes voraussetzungslose Gnade ist die Brücke über den Abgrund der
Sünde, der uns von ihm trennt, weil durch sie die Menschen zum
Glauben finden, der sie errettet.
Der
Glaube an Gott ist aber nur rechter Glaube, wenn er Jesus Christus
einschließt. Daran lässt Paulus keinen Zweifel: „Da
wir nun errettet worden sind durch den Glauben, haben wir Frieden mit
Gott durch unseren Herrn Jesus Christus; durch ihn haben wir den
Zugang zu dieser Gnade, in der wir stehen, und rühmen uns der
Hoffnung der zukünftigen Herrlichkeit, die Gott geben wird.“
(Römer
5,1.2) Nach dem
Neuen Testament gründet sich das Heil für die Menschen auf Christi
Kreuz und Auferstehung. Es ist Luthers religionsgeschichtliche
Leistung, dass er auf Jesus Christus als unseren alleinigen Herrn und
Erlöser hingewiesen hat. Denn die mittelalterliche Frömmigkeit
hatte den Messias an den Rand gedrängt und an seine Stelle Marien-
und Heiligenverehrung sowie die Spende der Sakramente als
Heilsbringer gestellt. Der Reformator hat mit dieser religiösen
Praxis gebrochen und Jesus Christus als einzigem Erlöser wieder zu
seinem Recht verholfen. Allein
Jesus Christus (Solus
Christus)
hat durch seine
stellvertretende Hingabe am Kreuz den Gläubigen die Vergebung von
Gott verschafft. Der Tod Jesu ist ein Sühneopfer: „Gott
aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns
gestorben ist, als wir noch Sünder waren. (Röm
5,8) Nicht allein aber das, sondern wir
rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den
wir jetzt die Versöhnung empfangen haben.“ (Röm
5,11)
Gott ist durch Christi Blut und allein durch dieses
versöhnt: „Ich elender Mensch! Wer wird mich
erlösen von diesem todverfallenen Leibe? Dank sei Gott durch Jesus
Christus, unseren Herrn!“ (Römer
7,24.25)
Das
Wort der Bibel hat Martin Luther aus seinen Glaubensnöten befreit -
nicht die Heilszusagen der Kirche. Aus dieser Erfahrung heraus hat
der Reformator die Heilige Schrift zur alleinigen Glaubensnorm
erklärt: nur was in der Bibel steht, ist christliche
Glaubenswahrheit.
Damit
ging Martin Luther noch einen radikalen Schritt weiter, indem er den
Schwerpunkt von der Institution auf das Individuum verlegte: jeder
Christ ist Gott direkt verantwortlich und entscheidet nach seinem
Gewissen. Luther eröffnete den Gläubigen den unmittelbaren Zugang
zu Gott und machte die Priester als Vermittler überflüssig. Er
begründete auf dem Wort der Bibel das allgemeine Priestertum der
Gläubigen und erklärte, dass jeder Getaufte bereits Priester sei:
„Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht,
die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das des Eigentums,
dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen
hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht.“ (1
Petrus 2,9)
Der
unmittelbare Zugang zu Gott erforderte aber auch den unmittelbaren
Zugang zu seinem Wort, das in der Bibel aufgeschrieben wurde. Die in
lateinischer Sprache vorliegende Heilige Schrift war nur wenigen
Gebildeten zugänglich, die Sprachbarriere war für die breite
Bevölkerung eine unüberwindliche Hürde. Dieses Hindernis
beseitigte der Reformator durch seine Bibelübersetzung ins Deutsche.
Der Buchdruck (rund ein halbes Jahrhundert früher von Gutenberg in
Mainz erfunden) unterstützte die Verbreitung der neuartigen
deutschsprachigen Bibel dadurch, dass er die Preise deutlich senkte
und damit für größere Leserkreise erschwinglich machte.
Es war
ein weiter Weg, den Luther auf seiner Suche nach einem gnädigen Gott
zurückgelegt hatte. Er fand nach einigen Umwegen die Antwort in der
Bibel und wollte ungeachtet der Gefahr, als Ketzer verbrannt zu
werden, auch allen anderen Christen diesen Weg zu Gott aufzeigen.
Seine Bibelübersetzung ins Deutsche gab nun allen Gläubigen die
Chance, dem gnädigen und liebenden Gott direkt in seinem Wort zu
begegnen: „Denn der Sünde Sold ist der Tod;
die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem
Herrn.“ (Römer 6,23)
ich finde das hintergrundwissen knapp und gut dazugesetzt! vieles weiß man aus dieser zeit nicht, und da ist es gut, wenn man einen kurzen überblick bekommt.
AntwortenLöschenes ist sehr interessant über Luthers Werdegang zu lesen und über Gottes Gnade!