Sonntag, 12. Februar 2017


Das Schwert des Glaubens

Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
(Matthäus 5,9)

Nachdem Jesus seine Heimat verlassen hatte und nach Jerusalem gegangen war, zeichnete sich das Ende seiner Mission ab. Obwohl der Meister in Galiläa seinen Jüngern wiederholt seinen Tod in der heiligen Stadt angekündigt hatte, sah nach seinem umjubelten Einzug in Jerusalem alles nach einem Triumpf aus. Doch Jesus wusste, dass seine geistlichen Feinde sich davon nicht beeindrucken lassen würden. 

Und als er nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern zusammen saß, erinnerte er sie an seine düsteren Ankündigungen: „Denn ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was beim Propheten Jesaja geschrieben steht: 'Er ist zu den Übeltätern gerechnet worden'. Denn was von mir geschrieben ist, das wird vollendet.“ (Lukas 22,37)

Auf seine Verhaftung und seinen gewaltsamen Tod in Jerusalem durch die Obrigkeit hatte Jesus seine Jünger in Galiläa mehrmals hingewiesen: „Denn der Messias wird verhaftet werden, und er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, und sie werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er auferstehen.“ (Lukas 18,32.33) Die Jünger zeigten sich damals begriffsstutzig und erfassten den Sinn seiner Rede nicht, aber so viel hatten sie verstanden, dass es in Jerusalem für ihren Meister lebensgefährlich werden würde. Und offenbar hatten sie hinter dem Rücken ihres Meisters für den Ernstfall vorgesorgt. 

Denn jetzt, als sie beim Abschiedsessen mit Jesus um den Tisch saßen und er nochmals von seiner bevorstehenden Verurteilung als Verbrecher sprach, zogen sie plötzlich Waffen hervor: Herr, siehe, hier sind zwei Schwerter.“ (Lukas 22,38a) Aber Jesus wollte sie nicht nehmen und lehnte das Angebot ab: „Er aber sprach zu ihnen: Es ist genug.“ (Lukas 22,38b) Danach stand er auf und ging hinaus an den Ölberg in den Garten Gethsemane.

Die Jünger folgten ihm – und nahmen die Schwerter mit. Die Szene, die sich bei Jesu Verhaftung in Gethsemane abspielte, ist jedem bekannt. Die Soldaten kamen mit Judas Ischariot an der Spitze, um Jesus in Stricken abzuführen. Die Jünger, zu diesem Zeitpunkt noch mutig, fragten ihren Meister: „Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?“ (Lukas 22,49) Und ohne auf eine Antwort zu warten nahm einer von ihnen das Schwert, schlug nach einem der Soldaten und hieb ihm das Ohr ab. Das war nicht im Sinne Jesu: „Er sprach: Lasst ab! Nicht weiter! Und rührte das Ohr an und heilte ihn.“ (Lukas 22,51) Danach ließ sich Jesus ohne Gegenwehr verhaften, seine Jünger aber flohen in großer Angst. 
 
Die Jünger hatten Jesus auch diesmal, wie schon früher in Galiläa, missverstanden. Über die Verständnislosigkeit seiner engsten Weggefährten war Jesus oft enttäuscht gewesen. Doch geduldig hatte er sie stets über den tieferen Sinn seiner Gleichnisse aufgeklärt. Schließlich würden sie eines Tages seine Mission weiterführen.
Es gehörte zur Besonderheit seiner Predigten, dass Jesus in Bildergeschichten sprach. Die Beispiele aus der Lebenswelt seiner Zuhörer sollten den Leuten theologische Themen anschaulich näher bringen. Denn der größte Teil von ihnen gehörte der einfachen Landbevölkerung an, die die Religion, ihre Werte und Regeln aus der Praxis kannte und nicht durch das Studium wissenschaftlicher Werke.

Und so rief Jesus in seiner radikalen Art sich auszudrücken den Menschen zu: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“ (Matthäus 10,34)
Für sich allein betrachtet ist das ein verstörender Vers: forderte Jesus wirklich zur Anwendung von Gewalt auf? Doch wenn man weiter liest, wird schnell klar, dass Jesus etwas ganz Anderes damit meinte: „Denn ich bin gekommen, den Sohn zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen Hausgenossen sein.“ (Matthäus 10,35.36) Demzufolge ist in Vers 34 nicht die Rede von einem tatsächlichen Schwert mit seiner scharfen Klinge, das Todesopfer in einer Familie fordert. Vielmehr gewährt Jesus mit seinem Vergleich einen Blick in die harte Zukunft, in der seine Lehre für schwere Meinungsverschiedenheiten und verhärtete Fronten selbst im eigenen Haus sorgen wird.

Denn nicht alle Menschen, die das Evangelium hören, werden sich taufen lassen. Und nicht alle, die die Taufe verweigern, werden jene tolerieren, die sich zu Jesus Christus bekennen. Der Riss wird nicht nur durch ein Volk gehen, sondern schon bei den Familien anfangen. Das Evangelium wendet sich an den einzelnen, für den durch die Taufe ein neues Leben beginnt. Doch der Glaube an Jesus ist nicht nur das Auswechseln eines Gottesbildes. Es bedeutet den Bruch mit religiösen und gesellschaftlichen Traditionen und in weiterer Folge eine neue Lebensweise nach neuen ethischen Geboten. Das zieht Veränderungen im familiären Zusammenleben nach sich, die durch keine Zugeständnisse abgemildert werden können. Denn Jesus fordert für seine Nachfolge: „Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.“ (Matthäus 10,37)

Jesus verwendet den Vergleich mit dem Schwert in einer Zeit, in der Konflikte stets mit der Waffe in der Hand ausgetragen wurden. Zu seiner Lebenszeit herrschte rund um das Mittelmeer die „Pax Romana“. Es war allerdings ein trügerischer Frieden, denn er wurde durch die schwer bewaffneten Legionen der römischen Besatzungsmacht durchgesetzt. Völker, die aufbegehrten, wurden von ihnen mit dem Schwert zum Schweigen gebracht.
Jesus zeigt uns durch sein Verhalten bei seiner Verhaftung, dass er von der Anwendung von Gewalt nichts hält. Er will die Verteidigung des Glaubens durch Standhaftigkeit der Gläubigen, die selbst unter Todesgefahr ihrem Herrn nicht abschwören:Und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist meiner nicht wert.“ (Matthäus 10,38)

Drei Jahrhunderte hindurch hat die römische Staatsmacht versucht, die Ausbreitung des Christentums durch die Bekämpfung mit dem Schwert zu verhindern. Aber die blutigen Verfolgungen konnten die Standhaftigkeit der Christen nicht brechen, und schließlich kapitulierten die heidnischen Kaiser.
Jesus hat durch Gewaltlosigkeit eine neue Weltordnung begründet. Dort, wo ein echtes Schwert bei seiner Gefangennahme in Gethsemane gezogen wurde, lehnte er seinen Einsatz ab und ist damit für uns Christen ein Vorbild. Nach der Himmelfahrt Jesu bewiesen auch seine Jünger, dass sie endlich ihren Herrn richtig verstanden hatten. Als Apostel missionierten sie völlig gewaltfrei und trugen das Evangelium zu den Menschen im ganzen Römischen Reich. Viele von ihnen starben für ihren Glauben einen gewaltsamen Tod, aber sie widerstanden der Verlockung, selbst zum Schwert zu greifen. Das Toleranzedikt von Mailand im Jahre 313, in dem Kaiser Konstantin I. die christliche Religion erlaubte, sollte ihnen Recht geben.

Der Apostel Paulus mahnt in seinem Brief an die Christen in Rom: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Römer 12,17.18)

Nehmen wir uns an der Friedfertigkeit Jesu Christi ein Vorbild und nicht an denjenigen, die Glauben mit Gewalt gleichsetzen und davon überzeugt sind, im Namen Gottes zu handeln. Leben wir nach den Worten des Apostels Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Römer 12,21) und zeigen wir auf diese Weise unsere Liebe zu unserem Herrn Jesus Christus. So wie er seine Liebe zu uns Menschen gezeigt hat, als er sich ohne Gegenwehr ans Kreuz nageln ließ.

1 Kommentar:

  1. immer gut, sich dieses in erinnerung zu rufen, denn wir neigen leicht dazu vergeltung ausüben zu wollen, und sei es noch so klein.

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