Das
Schwert des Glaubens
„Selig
sind die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen.“
(Matthäus
5,9)
Nachdem
Jesus seine Heimat verlassen hatte und nach Jerusalem gegangen war,
zeichnete sich das Ende seiner Mission ab. Obwohl der Meister in
Galiläa seinen Jüngern wiederholt seinen Tod in der heiligen Stadt
angekündigt hatte, sah nach seinem umjubelten Einzug in Jerusalem
alles nach einem Triumpf aus. Doch Jesus wusste, dass seine
geistlichen Feinde sich davon nicht beeindrucken lassen würden.
Und
als er nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern zusammen saß,
erinnerte er sie an seine düsteren Ankündigungen: „Denn
ich sage euch: Es muss das an mir vollendet werden, was beim
Propheten Jesaja geschrieben steht: 'Er ist zu den Übeltätern
gerechnet worden'. Denn was von mir geschrieben ist, das wird
vollendet.“ (Lukas
22,37)
Auf
seine Verhaftung und seinen gewaltsamen Tod in Jerusalem durch die
Obrigkeit hatte Jesus seine Jünger in Galiläa mehrmals hingewiesen:
„Denn der Messias wird verhaftet werden, und
er wird verspottet und misshandelt und angespien werden, und sie
werden ihn geißeln und töten; und am dritten Tage wird er
auferstehen.“ (Lukas
18,32.33) Die
Jünger zeigten sich damals begriffsstutzig und erfassten den Sinn seiner
Rede nicht, aber so viel hatten sie verstanden, dass es in Jerusalem
für ihren Meister lebensgefährlich werden würde. Und offenbar
hatten sie hinter dem Rücken ihres Meisters für den Ernstfall
vorgesorgt.
Denn
jetzt, als sie beim Abschiedsessen mit Jesus um den Tisch saßen und
er nochmals von seiner bevorstehenden Verurteilung als Verbrecher
sprach, zogen sie plötzlich Waffen hervor:
„Herr,
siehe, hier sind zwei Schwerter.“ (Lukas
22,38a) Aber Jesus wollte sie nicht nehmen und lehnte das
Angebot ab: „Er aber sprach zu ihnen: Es ist
genug.“ (Lukas
22,38b) Danach stand er
auf und ging hinaus an den Ölberg in den Garten Gethsemane.
Die
Jünger folgten ihm – und nahmen die Schwerter mit. Die Szene, die
sich bei Jesu Verhaftung in Gethsemane abspielte, ist jedem bekannt.
Die Soldaten kamen mit Judas Ischariot an der Spitze, um Jesus in
Stricken abzuführen. Die Jünger, zu diesem Zeitpunkt noch mutig,
fragten ihren Meister: „Herr, sollen wir mit
dem Schwert dreinschlagen?“ (Lukas
22,49) Und ohne auf eine Antwort zu warten nahm einer von
ihnen das Schwert, schlug nach einem der Soldaten und hieb ihm das
Ohr ab. Das war nicht im Sinne Jesu: „Er
sprach: Lasst ab! Nicht weiter! Und rührte das Ohr an und heilte
ihn.“ (Lukas 22,51)
Danach ließ sich Jesus ohne Gegenwehr verhaften, seine Jünger aber
flohen in großer Angst.
Die
Jünger hatten Jesus auch diesmal, wie schon früher in Galiläa,
missverstanden. Über die Verständnislosigkeit seiner engsten
Weggefährten war Jesus oft enttäuscht gewesen. Doch geduldig hatte
er sie stets über den tieferen Sinn seiner Gleichnisse aufgeklärt.
Schließlich würden sie eines Tages seine Mission weiterführen.
Es
gehörte zur Besonderheit seiner Predigten, dass Jesus in
Bildergeschichten sprach. Die Beispiele aus der Lebenswelt seiner
Zuhörer sollten den Leuten theologische Themen anschaulich näher
bringen. Denn der größte Teil von ihnen gehörte der einfachen
Landbevölkerung an, die die Religion, ihre Werte und Regeln aus der
Praxis kannte und nicht durch das Studium wissenschaftlicher Werke.
Und so
rief Jesus in seiner radikalen Art sich auszudrücken den Menschen
zu: „Ihr sollt nicht meinen, dass ich
gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht
gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.“
(Matthäus 10,34)
Für
sich allein betrachtet ist das ein verstörender Vers: forderte Jesus
wirklich zur Anwendung von Gewalt auf? Doch wenn man weiter liest,
wird schnell klar, dass Jesus etwas ganz Anderes damit meinte: „Denn
ich bin gekommen, den Sohn zu entzweien mit seinem Vater und die
Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer
Schwiegermutter. Und des Menschen Feinde werden seine eigenen
Hausgenossen sein.“ (Matthäus
10,35.36) Demzufolge ist
in Vers 34 nicht die Rede von einem tatsächlichen Schwert mit seiner
scharfen Klinge, das Todesopfer in einer Familie fordert. Vielmehr
gewährt Jesus mit seinem Vergleich einen Blick in die harte Zukunft, in
der seine Lehre für schwere Meinungsverschiedenheiten und verhärtete
Fronten selbst im eigenen Haus sorgen wird.
Denn
nicht alle Menschen, die das Evangelium hören, werden sich taufen
lassen. Und nicht alle, die die Taufe verweigern, werden jene
tolerieren, die sich zu Jesus Christus bekennen. Der Riss wird nicht
nur durch ein Volk gehen, sondern schon bei den Familien anfangen.
Das Evangelium wendet sich an den einzelnen, für den durch die Taufe
ein neues Leben beginnt. Doch der Glaube an Jesus ist nicht nur das
Auswechseln eines Gottesbildes. Es bedeutet den Bruch mit religiösen
und gesellschaftlichen Traditionen und in weiterer Folge eine neue
Lebensweise nach neuen ethischen Geboten. Das zieht Veränderungen im
familiären Zusammenleben nach sich, die durch keine Zugeständnisse
abgemildert werden können. Denn Jesus fordert für seine Nachfolge:
„Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich,
der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als
mich, der ist meiner nicht wert.“ (Matthäus
10,37)
Jesus
verwendet den Vergleich mit dem Schwert in einer Zeit, in der
Konflikte stets mit der Waffe in der Hand ausgetragen wurden. Zu
seiner Lebenszeit herrschte rund um das Mittelmeer die „Pax
Romana“. Es war allerdings ein trügerischer Frieden, denn er wurde
durch die schwer bewaffneten Legionen der römischen Besatzungsmacht
durchgesetzt. Völker, die aufbegehrten, wurden von ihnen mit dem
Schwert zum Schweigen gebracht.
Jesus
zeigt uns durch sein Verhalten bei seiner Verhaftung, dass er von der
Anwendung von Gewalt nichts hält. Er will die Verteidigung des
Glaubens durch Standhaftigkeit der Gläubigen, die selbst unter
Todesgefahr ihrem Herrn nicht abschwören: „Und
wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und folgt mir nach, der ist
meiner nicht wert.“ (Matthäus
10,38)
Drei
Jahrhunderte hindurch hat die römische Staatsmacht versucht, die
Ausbreitung des Christentums durch die Bekämpfung mit dem Schwert zu
verhindern. Aber die blutigen Verfolgungen konnten die
Standhaftigkeit der Christen nicht brechen, und schließlich
kapitulierten die heidnischen Kaiser.
Jesus
hat durch Gewaltlosigkeit eine neue Weltordnung begründet. Dort, wo
ein echtes Schwert bei seiner Gefangennahme in Gethsemane gezogen
wurde, lehnte er seinen Einsatz ab und ist damit für uns Christen
ein Vorbild. Nach der Himmelfahrt Jesu bewiesen auch seine
Jünger, dass sie endlich ihren Herrn richtig verstanden hatten. Als
Apostel missionierten sie völlig gewaltfrei und trugen das
Evangelium zu den Menschen im ganzen Römischen Reich. Viele von
ihnen starben für ihren Glauben einen gewaltsamen Tod, aber sie
widerstanden der Verlockung, selbst zum Schwert zu
greifen. Das Toleranzedikt von Mailand im Jahre 313, in dem Kaiser
Konstantin I. die christliche Religion erlaubte, sollte ihnen Recht
geben.
Der
Apostel Paulus mahnt in seinem Brief an die Christen in Rom:
„Vergeltet niemand Böses mit Bösem. Seid
auf Gutes bedacht gegenüber jedermann. Ist's möglich, soviel an
euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden.“ (Römer
12,17.18)
Nehmen
wir uns an der Friedfertigkeit Jesu Christi ein Vorbild und nicht an
denjenigen, die Glauben mit Gewalt gleichsetzen und davon überzeugt
sind, im Namen Gottes zu handeln. Leben wir nach den Worten des
Apostels Paulus: „Lass dich nicht vom Bösen
überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Römer
12,21) und zeigen wir auf diese Weise unsere Liebe zu unserem
Herrn Jesus Christus.
So wie
er seine Liebe zu uns Menschen gezeigt hat, als er sich ohne
Gegenwehr ans Kreuz nageln ließ.
immer gut, sich dieses in erinnerung zu rufen, denn wir neigen leicht dazu vergeltung ausüben zu wollen, und sei es noch so klein.
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