Samstag, 8. Januar 2022

 

Sünde und Vergebung

An dir Gott allein habe ich mich versündigt

und übel vor dir getan!“ (Psalm 51,6)

Ein wesentliches Thema der christlichen Lehre ist das sündhafte Verhalten. Sünde ist Schuld vor Gott, die Abwendung von ihm. Aber die Macht der Sünde wird von Jesus bekämpft, besiegt und im Glauben an Christus überwunden. Durch die Entsendung des Messias will Gott seinen Geschöpfen die Möglichkeit einräumen, die Entfremdung zu überwinden. Jesu Botschaft im Evangelium ist die Verkündigung der Chance auf Vergebung und Versöhnung mit Gott.


Sünde wird durch den freien Willen möglich, den Gott bei der Schöpfung den Menschen geschenkt hat. Der Mensch kann mit Gott leben oder ohne ihn. Dadurch, dass der Mensch die Wahl hat, trägt er auch Verantwortung für sein Handeln und muss darüber vor Gott Rechenschaft ablegen. Die Sündenfallgeschichte zeigt, dass Gott Ausreden nicht zulässt. Adam, Eva und die Schlange müssen sich für ihren Ungehorsam verantworten, sie hatten die Wahl und haben sich gegen Gottes Willen entschieden. Ein sündiger Mensch setzt seine Wünsche über die von Gott.

Wir verdanken Gott unsere Existenz. Er ist für die Schöpfung verantwortlich und nimmt das auch wahr. Dass Gott den Messias in die Welt geschickt hat, beweist, dass er sich um seine Schöpfung kümmert. Er will keinen Menschen durch die Sünde verlieren. Gott lässt die Menschen durch Jesus Christus wissen, dass er bereit ist, jedem reuigen Sünder zu vergeben.

Es gibt nicht nur die „eine Sünde“. Wir finden in der Bibel mehrere Sündenkataloge aufgelistet, zusätzlich zu den Zehn Geboten. Für Jesus ist die größte Sünde die Selbstgerechtigkeit, denn nichts trennt so sehr von Gott wie die selbstsichere Frömmigkeit, die zur Arroganz gegenüber unserem Schöpfer verleitet.

Selbstgerechtigkeit ist fehlende Demut vor Gott, die zu Hartherzigkeit gegenüber den Mitmenschen führt. So ein Mensch denkt zu gut über seine Frömmigkeit, er sieht sich über die Sünde erhaben, wird intolerant und verächtlich. Der Selbstgerechte ist so von der Richtigkeit seines religiösen Lebens überzeugt, dass er keine Angst vor Gott hat: er erfülle ja ohnehin sichtbar alle Forderungen der Bibel, und so bleibe Gott nichts Anderes übrig, als auch gut von ihm zu denken.


Im 3. Jahrhundert wurden die Christenverfolgungen immer härter. Vor allem die Kaiser Decius (249-251) und Diocletian (284-305) griffen brutal durch, um das Christentum auszurotten und die alte römische Religion wieder zum einigenden Band des Imperiums zu machen. Viele litten tapfer als unbeugsame Christen, aber viele knickten auch aus Todesangst ein und brachten das geforderte Götteropfer dar. Es waren jedoch nur kurzfristige Erfolge, über die die Machthaber jubeln konnten. Das Rad der Zeit ließ sich auch mit Gewalt nicht zurückdrehen. Die Kirche war bereits zu fest in der Gesellschaft verankert, um sie zu vernichten. Das Toleranzedikt von 313 n. Chr. trug der gesellschaftlichen Realität Rechnung und erklärte das Christentum zur gleichberechtigten Glaubensgemeinschaft. Nun war es an den Christen zu jubeln, groß war die Freude über die Religionsfreiheit. Aber bald sollten sich unerwartete Belastungen zeigen, die die Einheit der Kirche bedrohten – und zerstörten.

Denn nun, wo es ungefährlich war, Christ zu sein, wollten die Abgefallenen wieder in der Kirche aufgenommen werden. Ihr Glaube an Jesus Christus hatte sich in der Bedrängnis nicht geändert, nur die Angst hatte sie dazu gebracht, dem Messias untreu zu werden. Das sahen jene, die standhaft geblieben waren, aber nicht ein. Angeführt wurden diese Unnachsichtigen vom römischen Presbyter Novartian, einem energischen und theologisch gebildeten Mann. Er und seine Gesinnungsfreunde empfanden es als ungerecht, dass die „Verräter“ jetzt wieder einfach in die Kirche zurückkehren konnten als wäre nichts geschehen - und somit auf der selben Stufe standen wie sie, die Tapferen.

Der Streit zwischen Ideal und Realität ging nicht gut aus für die Christenheit, es kam zu einer Abspaltung. Novartian und seine Anhänger bestanden auf einer „rigorosen Kirche der Reinen“ und den unwiderruflichen Ausschluss der Abgefallenen. Sie zeigten keine Barmherzigkeit für jene, die aus Angst schwach geworden waren. Da sie sich gegen die Mehrheit in der Kirche nicht durchsetzen konnten, gründeten sie ihre eigene und fanden Mitglieder im ganzen Römischen Reich.

Waren Novartian und seine Anhänger wirklich im Recht? Man könnte nach menschlichem Ermessen sagen, eh klar, die Standhaften haben sich bewährt, die anderen sind Verräter – das mutige Durchhaltevermögen gehört belohnt. Aber ist es das, was Jesus gelehrt hat? Ohne Zweifel nicht, Novartian und seine Gesinnungsfreunde haben nicht den Willen Jesu umgesetzt, denn für Christen zählt allein das, was Jesus richtig findet und nicht, was bei den Menschen gut ankommt.


Im Gleichnis vom „Pharisäer und Zöllner“ machte Jesus deutlich, welche Werte bei ihm zählen. Er verglich zwei Männer, die in den Tempel zum Beten gingen, miteinander. Der eine war ein hochangesehener Pharisäer, der andere ein gesellschaftlich verachteter Zöllner. Ersterer betete so: „Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die anderen Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste 2x in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme.“ (Lukas 18,11.12) Stolz und prahlerisch hatte sich der Pharisäer vor Gott hingestellt, da er sich keiner Sünde bewusst war. Ganz anders dagegen der Zöllner. Er stand ferne und „wollte die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig!“ (Lukas 18,13) Wer von beiden hatte sich nun richtig verhalten? Die Antwort von Jesus ist eindeutig, der Hochmut des Pharisäers findet keine Gnade vor Gott: „Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.“ (Lukas 18,14)

Eingedenk der Worte Jesu wurde diese Gnade in der Alten Kirche den Abgefallenen zuteil. Die Barmherzigkeit der Standhaften und die Demut der Schwachgewordenen gab den Weg frei für die Rückkehr in die Kirchengemeinschaft. Eine Gesellschaft, die von Vergebungsbereitschaft geprägt ist, ist eine liebevolle Gemeinschaft – und Jesus ist immer in ihrer Mitte.

Jesus verlangt von uns Christen, dass wir uns an der Vergebungsbereitschaft Gottes den Sündern gegenüber ein Vorbild nehmen und sie an unsere Mitmenschen weitergeben. Deshalb hat Jesus im Vaterunser formuliert: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ (Matthäus 6,12) Für selbstgerechte, intolerante Frömmler hat Gott nichts übrig: „Wenn ihr den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben!“ (Matthäus 6,15)

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