Samstag, 19. Januar 2019


Jesus, der Rabbi aus Nazareth, und Elia, der Prophet aus Tischbe

Die Unsicherheit, wer Jesus von Nazareth tatsächlich ist, gab es schon zu seinen Lebzeiten und ist keine Spezialität des 21. Jahrhunderts. Auch schon die Zeitgenossen des Rabbis aus Galiläa waren sich über seine Identität nicht einig. Jesus wusste das und redete darüber mit den Zwölfen: Und er ging fort mit seinen Jüngern in die Dörfer bei Cäsarea Philippi. Und auf dem Wege fragte er seine Jünger und sprach zu ihnen: Wer sagen die Leute, dass ich sei?“ (Markus 8,27) Sie antworteten ihm: „Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, einige sagen, du seist Elia; andere, du seist einer der Propheten.“ (Markus 8,28)

Für uns Christen heute stellt sich nach dieser Auskunft die Frage: wie kommen die Leute in Galiläa gerade auf diese beiden frommen Männer? Bei Johannes dem Täufer ist es noch naheliegend, denn dieser trat schon einige Jahre vor Jesus auf und war inzwischen berühmt. Es wäre durchaus vorstellbar gewesen, dass er seinen Wirkungsbereich am Jordan verlassen und an den See Genezareth verlegt hätte. Aber Elia? Dieser Prophet des alten Israel wirkte im 9. Jahrhundert vor Christus. Wie kam man also auf die Idee, er würde jetzt wieder als Messias lebendig auftreten?

Als Herkunftsort des Elia nennt das Alte Testament eine Ortschaft östlich vom Jordan: „Elia, der Tischbiter aus Tischbe in Gilead“ (1 Könige 17,1) und beschreibt sein Aussehen: „Er hatte langes Haar und einen Ledergurt um seine Lenden.“ (2 Könige 1,8). 
Beides sind äußerliche Merkmale eines Propheten. Und sie erinnern an den anderen Mann Gottes, den Täufer, den die Jünger in ihrer Antwort neben Elia benennen: Johannes aber trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Lenden.“ (Markus 1,6a) Von Jesu Kleidung und Haartracht dagegen gibt es keine derartige Beschreibung, wie sie für das Aussehen von Propheten üblich war. Damit macht das Neue Testament deutlich: der Rabbi aus Nazareth war nicht einfach einer der Propheten, wie sie in der Geschichte des jüdischen Volkes so zahlreich vorkamen.

Es war also schon viele Jahrhunderte her, dass Elia als Prophet den Willen Gottes verkündete. Es herrschten damals schwere Zeiten für den jüdischen Monotheismus. Die politische Lage beutelte die Hebräer gewaltig und stellte sie in ihrem Glauben an den einen einzigen Gott auf eine schwere Probe. Das Königreich, das Saul einst gegründet hatte, war in zwei souveräne Monarchien zerfallen. Während das Südreich Juda mit Jerusalem und seinem Tempel dem Monotheismus treu blieb, machten sich im Nordreich Israel die Einflüsse der polytheistischen Religionen der Nachbarvölker zersetzend bemerkbar. Im Herrscherhaus fanden sich willige Unterstützer.

Aber Gott hatte sein Volk, das ihm zunehmend untreu wurde und auch andere Götter anbetete, nicht vergessen: Siehe, ich will euch senden den Propheten Elia, ehe der große und schreckliche Tag des HERRN kommt. Der soll das Herz der Väter bekehren zu den Söhnen und das Herz der Söhne zu ihren Vätern, auf dass ich nicht komme und das Erdreich mit dem Bann schlage.“ (Maleachi 3,23.24) Elia folgte gehorsam der Berufung und geriet in einen lebensbedrohlichen religiösen Konflikt mit dem regierenden Königspaar.

König Ahab von Israel (874-853 v.Chr.) hatte eine phönizische Prinzessin zur Frau genommen und nicht von ihr verlangt, die jüdische Religion anzunehmen. Aber Isebel bewies weniger Toleranz und setzte sich zum Ziel, in ihrer neuen Heimat die Verehrung des Gottes Baal, einer der phönizischen Hauptgötter, einzuführen. Zu diesem Zweck brachte sie hunderte Priester mit ins Land und ging mit Gewalt gegen die jüdischen Priester vor. Viele flohen, viele bezahlten mit dem Leben. Wie schlimm es um den Glauben an den einen Gott Israels stand, erkennt man an der Rede, mit der sich Elia an sein Volk wandte: „Ich bin allein übriggeblieben als Prophet des HERRN, aber die Propheten Baals sind 450 Mann.“ (1 Könige 18,22)

Als erstes schickte Gott Elia zu Ahab und ließ dem König mitteilen, dass er nicht mehr länger tatenlos zusehe, wie Königin Isebel seine Propheten verfolgen und töten lasse, um den Kult des phönizischen Gottes Baal durchzusetzen. Elias Auftrag war es, dem Volk den wahren Gott vor Augen zu führen durch ein Gottesurteil auf dem Berg Karmel. Deshalb forderte er die Priester des Baals auf, mit ihm zusammen Brandopfer darzubringen und zu sehen, welches Opfer eine göttliche Reaktion hervorrufen würde: „Welcher Gott nun mit Feuer antworten wird, der ist wahrhaftig Gott.“ (1 Könige 18,24) Die Baal-Priester stellten sich der Herausforderung, sie waren von ihrem Sieg überzeugt und sahen die Chance, ein für allemal den Gott Israels zu verdrängen.

Nachdem die Altäre für die Brandopfer errichtet waren, stellte sich Elia vor seinen und betete laut: Erhöre mich HERR, erhöre mich, damit dies Volk erkennt, dass du, HERR, Gott bist und ihr Herz wieder zu dir kehrst!“ (1 Könige 18,37) 

Und Gott verhalf seinem Propheten zu einem beeindruckenden Schauspiel: „Da fiel das Feuer des HERRN herab und fraß Brandopfer, Holz, Steine und Erde und leckte Wasser auf im Graben. Als das alles Volk sah, fielen sie auf ihr Angesicht und sprachen: der HERR ist Gott, der HERR ist Gott!“ (1 Könige 18,38.39) Die Altäre Baals blieben aber ohne Feuer, so sehr sich seine Priester auch darum bemühten. 

Elia war davon überzeugt, nun die Verehrung Baals endgültig aus Israel verbannt zu haben. Das sollte sich aber als schwerer Irrtum erweisen, denn Elias Sieg hatte Königin Isebel keineswegs eingeschüchtert und zum Einlenken gebracht. Sie ließ Elia ausrichten, dass sie ihm nun nach dem Leben trachte. Nach dieser Drohnung ergriff Elia die Flucht und kam nach Beerscheba in Juda. Für den Tischbiter war dies ein tiefer Fall, mit dem er nach seinem Triumph nicht gerechnet hatte. 

Verzweifelt und resigniert zog er sich in die Einsamkeit zurück: „Er aber ging in die Wüste eine Tagesreise weit und kam und setzte sich unter einen Wacholder und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele, ich bin nicht besser als meine Väter.“ (1 Könige 19,4) 
Elia muss jetzt erfahren, was allen widerfährt, die im Dienste Gottes stehen: der Weg der Nachfolge ist ein steiniger Weg. Es ist keineswegs so, dass jenen, die ihr Leben in den Dienst Gottes stellen, alles gelingt, und sie von Erfolg zu Erfolg eilen.

Das lernte jetzt auch Elia. Gott hatte ihm den leichten Weg versperrt und Königin Isebel den Triumph über den frommen Propheten überlassen. Trotzdem galt sein Auftrag, für den Glauben an den HERRN in Israel zu kämpfen und den Baalsglauben zurückzudrängen, weiterhin. Und ungeachtet der Gefahr gehorchte Elia, verließ die Wüste und verkündete offen in Israel das Wort Gottes.

Doch Elia wurde immer älter, und er brauchte einen Nachfolger, dem er sein Vermächtnis übergeben konnte. Er fand ihn auf dem Feld beim Pflügen: Elisa. Nach Prophetenbrauch ging Elia auf ihn zu und warf seinen Mantel über ihn, woraufhin der Landmann Pflug und Zugtiere stehen ließ und mit ihm ging. Elisa blieb treu an der Seite seines Lehrers, bis sich Elias irdisches Wirken dem Ende zuneigte.

Und jetzt beginnt jener Teil der Biographie Elias, der dazu führte, dass ihn die Legende unsterblich machte - im wahrsten Sinn des Wortes: Als aber der HERR Elia im Wetter gen Himmel holen wollte, gingen Elia und Elisa von Gilgal weg.“ (2 Könige 2,1) Weil der Verfasser des Königsbuches auf so pathetische Weise beschreibt, wie Elia am Ende seines Lebens angelangt war und starb, lasen fromme Menschen aus diesen Zeilen heraus, dass Elia noch vor seinem Tod in den Himmel „entrückt“ wurde. Verstärkt wird diese wörtliche Auslegung noch dadurch, dass der unbekannte Autor den irdischen Abgang des Elia noch weiter dramatisch ausschmückte: „Und als Elia und Elisa miteinander gingen und redeten, siehe, da kam ein feuriger Wagen mit feurigen Rossen, die schieden die beiden voneinander. Und Elia fuhr im Wetter gen Himmel.“ (2 Könige 2,11) Aufgrund dieser Legende, die auch noch zur Zeit Jesu geglaubt wurde, hielten es etliche Galiläer für möglich, dass der Rabbi aus Nazareth, der wie einst Elia so kompromisslos für den Glauben an den einen Gott eintrat, der „entrückte“ Elia sein könnte.

Die Jünger aber ließen sich durch fromme Überlieferungen nicht beirren. Sie wussten, dass nur ein einziger als Lebender in den Himmel aufsteigen kann, weil er auch nur als einziger von dort auf die Erde gekommen ist: nämlich der Messias, der Gesalbte Gottes, der in der Person des Jesus von Nazareth vor ihnen stand. Und als Jesus sie fragte: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach zu ihm: Du bist der Messias!“ (Markus 8,29) 

Und dieses Bekenntnis werden sie nach Jesu Auferstehung und Himmelfahrt in die Welt hinaus tragen. Ein Bekenntnis, das auf jenen Tatsachen beruht, die sie selbst zu Ostern und 40 Tage danach bei Jesu Rückkehr in den Himmel gesehen hatten, und nicht auf frommen Formulierungen eines ausdrucksvollen Autors. Und deshalb waren die Aposteln in ihrer Missionsarbeit auch so erfolgreich: weil sie die einzigartige göttliche Rolle des Jesus von Nazareth bezeugen konnten. Wie gut für uns, dass sich die Jünger nicht von der öffentlichen Meinung, die in Jesus nicht den Messias sehen wollte, beeinflussen ließen. Und gut für uns heute, wenn wir das auch nicht tun und nicht auf jene hören, die in Jesus von Nazareth nur einen guten und hilfsbereiten Menschen sehen wollen.

1 Kommentar:

  1. Ein sehr interessanter Beitrag! Ich fand es vor allem sehr interessant, dass es Kennzeichen und Bräuche für und von Propheten gibt :D
    Sehr gut geschrieben!

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