Paulus missioniert in Philippi
(Apostelgeschichte 16,9-40)
Paulus und seine Begleiter waren auf ihrer Missionsreise mittlerweile bis nach Troas gekommen. Hier legten sie eine Rast ein und nahmen ein Zimmer in einer Herberge. In der folgenden Nacht hatte Paulus im Traum eine Erscheinung: „Ein Mann aus Mazedonien stand da und bat ihn: Komm herüber nach Mazedonien und hilf uns!“ (Apostelgeschichte 16,9) Für Paulus stand fest: „Gewiss, dass uns Gott dahin berufen hat, ihnen das Evangelium zu predigen.“ (Apostelgeschichte 16,10b)
In Philippi betraten sie eine neue Welt. Sie kamen in eine Siedlung, deren Bevölkerung hauptsächlich aus altgedienten Soldaten des römischen Heeres bestand. Philippi war eine Veteranenstadt mit dem Recht und den Privilegien einer römischen Stadt. Dementsprechend war der Glaube an Jupiter, Juno, Mars und die anderen Götter die vorherrschende Religion. Es lebten so wenige Juden hier, dass sie nicht einmal eine eigene Synagoge besaßen. In dieser römischen Militärkolonie setzte nun Paulus den Anfang seiner christlichen Missionsarbeit auf europäischem Boden – nach dem Willen Gottes.
Der Tag der Ankunft in Philippi war ein Sabbat. Das war insofern von Bedeutung, weil eine jener Gruppen, die Paulus für seine Missionspredigt als erste Ansprechpartner bevorzugte, sogenannte „Gottesfürchtige“ waren. Das ist die Bezeichnung für Heiden, die sich zur jüdischen Gemeinde bekannten, dem jüdischen Gottesglauben anhingen und sich an Gebetsgottesdiensten beteiligten, aber nicht das ganze jüdische Gesetz übernahmen. Ihnen war die Botschaft vom Messias nicht fremd. Üblicherweise traf Paulus auf diese Gottesfürchtigen im Umfeld der Synagogen, aber eine solche gab es in Philippi nicht. Die jüdischen Frauen gingen vor die Stadt an den Fluss zum Gebet. Paulus und seine Gefährten erfuhren dies und gesellten sich zu ihnen.
Zu dieser Gruppe von betenden Jüdinnen gehörte die Heidin Lydia, eine gottesfürchtige Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira. Die wohlhabende Geschäftsfrau hörte Paulus aufmerksam zu und ließ sich von seiner Predigt überzeugen, dass Jesus von Nazareth der verheißene Messias ist. Noch am selben Tag ließ sie sich taufen und mit ihr alle Angehörigen ihres Haushaltes. Es war in der damaligen patriachalisch geprägten Zeit üblich, dass die Entscheidung des Haushaltsvorstandes auch von allen anderen Mitgliedern mitgetragen wurde. Nach ihrer Taufe bestand Lydia darauf, dass Paulus und seine Begleiter als ihre Gäste in ihrem Haus wohnten: „Wenn ihr anerkennt, dass ich an den Herrn glaube, so kommt in mein Haus und bleibt da.“ (Apostelgeschichte 16,15b)
Paulus war sehr erfreut, dass seine Missionsarbeit im römisch geprägten Philippi gleich so einen guten Anfang genommen hatte. Dann jedoch wurde er mit einer heiklen Situation konfrontiert, die seinen Erfolg gefährden konnte: „Es geschah aber, als sie zum Gebet gingen, da begegnete ihnen eine Magd, die hatte einen Wahrsagegeist und brachte ihren Herren viel Gewinn ein mit ihrem Wahrsagen.“ (Apostelgeschichte 16,16)
Diese Magd war auf die christlichen Missionare, die sich auf den Straßen Philippis frei bewegten, aufmerksam geworden: „Sie folgte Paulus überall hin und schrie: Diese Menschen sind Knechte des allerhöchsten Gottes, die euch den Weg des Heils verkündigen.“ (Apostelgeschichte 16,17) Die Frau lief viele Tage schreiend hinter Paulus her und erregte damit großes, öffentliches Aufsehen. Das war nicht im Sinne des Paulus, der die Bewohner durch seine Predigten von der Taufe überzeugen wollte und nicht durch das Geschrei eines Dämons, der aus einer Magd sprach. Endlich war die Geduld des Paulus aufgebraucht, und er drehte sich zu der Frau um und gebot dem Dämon, aus der Magd auszufahren – was dieser auch augenblicklich tat.
Exorzismus-Wunder kennen wir aus den Evangelien. Entsprechend dem ärztlichen Wissen jener Zeit glaubte man, dass Menschen von Dämonen befallen sind, wenn sie sich in der Öffentlichkeit auffällig verhalten haben. Heute wissen wir, dass es keine Dämonen gibt, die von Menschen Besitz ergreifen können, und wir finden medizinische Erklärungen und Hilfen.
Diese Magd hatte aber auch die Predigten des Paulus gehört und schöpfte nun für sich Hoffnung, dass der Weg des Heils auch für sie gelten könnte. Den Apostel direkt anzusprechen wagte sie nicht, also versuchte sie auf andere Weise seine Aufmerksamkeit zu erlangen – was sie auch nach einigen Tagen schaffte. Mit den Worten „Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, dass du von ihr ausfährst. Und er fuhr aus zu derselben Stunde.“ (Apostelgeschichte 16,18b) eröffnete Paulus der Frau den Weg zur christlichen Gemeinschaft. Über das weitere Schicksal der Magd, ihre Taufe etwa, erfahren wir nichts, doch so viel war klar: mit der einträglichen Wahrsagerei war es vorbei. Und das sorgte für Empörung.
Denn Paulus verdarb den römischen Herren, in deren Diensten die Magd stand und denen sie viel Geld eingebracht hatte, das einträgliche Geschäft. Die um ihren Gewinn gebrachten Besitzer der Magd verstanden keinen Spaß und schleppten Paulus und seinen Gefährten Silas auf den Markt vor die Stadtrichter. Der Vorwurf wog schwer: sie bringen Aufruhr in die Stadt. Das galt der römischen Staatsmacht als ein Verbrechen, das keine Nachsicht zuließ: „Das Volk wandte sich gegen sie; und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider herunter reißen und befahlen, sie mit Stöcken zu schlagen.“ (Apostelgeschichte 16,22)
Nachdem man sie hart verprügelt hatte, warf man sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block. Dem Aufseher wurde streng befohlen, sie gut zu bewachen. Aber kein noch so fest gebautes Gefängnis kann Gott aufhalten, wenn er andere Pläne hat mit jenen, die ihm dienen. Um Mitternacht erschütterte plötzlich ein Erdbeben Philippi, alle Türen der Haftanstalt öffneten sich, und von den Gefangenen fielen die Fesseln ab. Der Aufseher schreckte aus dem Schlaf hoch, sah mit Entsetzen die offenen Türen und wollte sich ins Schwert stürzen. Er fürchtete, dass die Gefangenen Paulus und Silas geflohen waren, und hatte panische Angst vor den Stadtrichtern, denn sie würden ihn zur Verantwortung ziehen und bestrafen: „Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an, denn wir sind alle hier!“ (Apostelgeschichte 16,28)
Aber es gab für Paulus keine Situation, in der er nicht an seinen Missionsauftrag dachte. Und als ihn der Aufseher, zitternd und erleichtert fragte, was er tun müsse, um gerettet zu werden, antwortete ihm Paulus: „Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig.“ (Apostelgeschichte 16,31) Noch in derselben Nacht ließen sich der Aufseher und alle die Seinen taufen. Aus der Haft war ein Segen für die Missionsarbeit geworden.
Inzwischen hatten auch die Stadtrichter mangels Beweisen den Vorwurf des Aufruhrs fallen gelassen und verfügten die Freilassung der Missionare. Nachdem sich Paulus und Silas von Lydia, der Purpurhändlerin, verabschiedet hatten, reisten sie weiter nach Thessalonich (das heutige Saloniki), ca. 170 km westlich von Philippi gelegen. Es war die Hauptstadt der Provinz Mazedonien und der Sitz des Prokonsuls, und hier setzte Paulus seine Verkündigung auf europäischem Boden fort.
In den wenigen Tagen, die Paulus und seine Gefährten in der römischen Veteranenstadt Philippi verbracht hatten, begegnen sie uns in verschiedenen Bekehrungssituationen. Das unterstreicht, dass sich das Evangelium an alle Menschen wendet, unabhängig ihrer Herkunft und Religionszugehörigkeit.
Das Christentum erwies sich letztendlich als widerstandsfähig gegen die grausamen Verfolgungen durch die römische Staatsmacht. Es konnte nicht besiegt werden, weil die Getauften in unerschütterlicher Treue an ihrem Glauben an Jesus Christus festhielten. Im Jahre 381 n. Chr. erhob Kaiser Theodosius I. das Christentum zur Staatsreligion. Was mit der Missionsarbeit des Paulus in Philippi begonnen hatte, die Christianisierung Europas, fand rund 300 Jahre später ihren ersten erfolgreichen Höhepunkt.
Paulus setzte seine Missionsarbeit im europäischen Teil des römischen Imperiums unermüdlich fort, aber er vergaß den Beginn in Philippi nicht und schrieb später der Gemeinde einen Brief: „Und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu.“ (Philipperbrief 1,6) Paulus sollte Recht behalten, zumindest bis in unsere Tage. Eine neue Bedrohung für das Christentum hat sich herausgestellt: die Gleichgültigkeit und das Desinteresse unserem Herrn und Heiland Jesu Christi gegenüber.
Ein sehr spannender und informativer Beitrag :)
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