Karfreitag:
die Verlassenheit im Sterben
Jesus
hielt sich schon einige Tage mit seinen Jüngern in Jerusalem auf. Er
hatte öffentlich gepredigt, auch im Tempel, und damit die hohe
jüdische Geistlichkeit noch mehr gegen sich aufgebracht. Jesus war
sich der Gefahr, in die er sich begeben hatte, sehr wohl bewusst. Und
je näher der Zeitpunkt der Verhaftung rückte, desto mehr erfüllte
ihn Furcht vor dem drohenden Leiden.
Nach
dem gemeinsamen letzten Abendessen verließ Jesus mit seinen Jüngern
die Herberge und ging mit ihnen in den Garten Gethsemane. Dort nahm
er Simon Petrus und die beiden Zebedäus-Brüder zur Seite und
vertraute ihnen seine Ängste an: „Meine
Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wacht mit mir!“
(Matthäus 26,38)
Dann
ging er ein wenig weiter weg von ihnen, um beim Gebet alleine zu
sein. Er fiel nieder auf sein Angesicht und flehte zu Gott: „Mein
Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch
nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus
26,39) Jesus erhob sich etwas gestärkt und kehrte zu seinen
drei Jüngern zurück in der Meinung, sie hätten ihm durch Gebete
beigestanden. Aber sie schliefen fest. Jesus war
enttäuscht: „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir
wachen?“ (Matthäus
26,40) Offenbar waren sich die Jünger des Ernstes der Lage
nicht bewusst. Obwohl ihnen Jesus mehrfach seinen Leidensweg
angekündigt hatte, hielten sie die Reise nach Jerusalem lediglich
für eine harmlose Pilgerfahrt.
Noch
zwei Mal ging Jesus wieder hin und betete, und jedes Mal fand er
seine Jünger schlafend vor. Resigniert weckte er sie: „Steht
auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.“
(Matthäus 26,46) Und sie
kehrten zu den anderen zurück.
Kurz
darauf kamen die Soldaten mit Judas an der Spitze und nahmen Jesus
gefangen und führten ihn gefesselt ab. Voller Entsetzen überfiel
die elf Jünger Todesangst: „Da verließen
ihn alle und flohen.“ (Markus
14,50) Jesus musste seinen Leidensweg alleine gehen.
Nach
Verhör und Folterung unterschrieb der Statthalter Pontius Pilatus
das
Todesurteil,
und die römischen Soldaten brachten den Deliquenten nach Golgatha.
Dort wurde Jesus ans Kreuz genagelt, um hängen zu bleiben bis zum
Eintritt des Todes. Muskelkrämpfe setzten bald ein. Die Schwerkraft
zog den Körper nach unten, aber die Nägel hielten ihn an den
schweren Balken fest. Blut rann ihm über das Gesicht, weil die
Dornenkrone, die ihm mit Gewalt auf den Kopf gedrückt worden war,
tiefe Wunden in die Haut gerissen hatte. Die offenen Striemen am
Rücken von der Geißelung rieben am Holz des Kreuzes. Die Sonne
brannte erbarmungslos nieder auf den nackten Körper.
Und Jesus
schrie unter unerträglichen Schmerzen:
„Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
(Matthäus 27,46) Dann
konnte Jesus seinen Kopf nicht mehr hochhalten, sein Haupt kippte
nach vorne und drückte die Luftröhre zu. Der Prediger aus Galiläa,
der niemandem etwas zuleide getan hatte, erstickte qualvoll. Um die
neunte Stunde war der Messias tot.
Am
dritten Tag danach, am Ostermorgen, folgte der Triumph: die
Auferstehung. Der geschundene Körper Jesu erwachte von den Toten und
kehrte ins Leben zurück. Jesus, das unschuldige Lamm Gottes, hatte
nicht umsonst gelitten. Zwei Engel verkündeten es den Frauen, die
zum Grab gekommen waren: „Was sucht ihr den
Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden.
Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“
(Lukas 24,5.6)
Die
leibliche Auferstehung Jesu wird heute in der Christenheit immer
weniger geglaubt. Viele Christen wissen gar nicht mehr, worum es zu
Ostern überhaupt geht. Und immer mehr Pfarrer und
Theologen zweifeln die leibliche, tatsächliche Auferstehung Jesu von
den Toten an und lehren, dass es sich nur um einen symbolischen Akt
handelt.
Wenn
aber die Kernbotschaft des Evangeliums nicht mehr gilt, wofür steht
die Kirche dann noch? „Ist
aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich,
so ist auch euer Glaube vergeblich!“
(1
Korinther 15,14)
mahnte der Apostel Paulus. Und eben das ist die Konsequenz aus dem
Unglauben: wenn Jesus tot geblieben ist, werden wir es auch bleiben.
Dann gibt es kein Reich Gottes, keine Hoffnung auf das neue, gerechte Leben
nach dem Tod, wie es Johannes in seiner Offenbarung beschrieben hat:
„Und
Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird
nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr
sein.“
(Offenbarung
21,4)
Stirbt Jesus im 21. Jh. einen
zweiten Tod, diesmal den ewigen Tod des Vergessens? Die Menschen, die
auf seinen Namen getauft sind, wenden sich nicht nur von ihm ab,
sondern ignorieren ihn einfach. Wie verlassen muss sich Jesus heute
wohl fühlen?
Ostern
ist kein Triumph mehr. Aus dem Tag der Freude ist ein Tag der Trauer
geworden. Denn Jesus muss uns zurufen „Christen,
Christen, warum habt ihr mich vergessen?“
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