Freitag, 25. März 2016


Karfreitag: die Verlassenheit im Sterben

Jesus hielt sich schon einige Tage mit seinen Jüngern in Jerusalem auf. Er hatte öffentlich gepredigt, auch im Tempel, und damit die hohe jüdische Geistlichkeit noch mehr gegen sich aufgebracht. Jesus war sich der Gefahr, in die er sich begeben hatte, sehr wohl bewusst. Und je näher der Zeitpunkt der Verhaftung rückte, desto mehr erfüllte ihn Furcht vor dem drohenden Leiden.

Nach dem gemeinsamen letzten Abendessen verließ Jesus mit seinen Jüngern die Herberge und ging mit ihnen in den Garten Gethsemane. Dort nahm er Simon Petrus und die beiden Zebedäus-Brüder zur Seite und vertraute ihnen seine Ängste an: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod; bleibt hier und wacht mit mir!“ (Matthäus 26,38
Dann ging er ein wenig weiter weg von ihnen, um beim Gebet alleine zu sein. Er fiel nieder auf sein Angesicht und flehte zu Gott: „Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39) Jesus erhob sich etwas gestärkt und kehrte zu seinen drei Jüngern zurück in der Meinung, sie hätten ihm durch Gebete beigestanden. Aber sie schliefen fest. Jesus war  enttäuscht: „Könnt ihr denn nicht eine Stunde mit mir wachen?“ (Matthäus 26,40) Offenbar waren sich die Jünger des Ernstes der Lage nicht bewusst. Obwohl ihnen Jesus mehrfach seinen Leidensweg angekündigt hatte, hielten sie die Reise nach Jerusalem lediglich für eine harmlose Pilgerfahrt.
Noch zwei Mal ging Jesus wieder hin und betete, und jedes Mal fand er seine Jünger schlafend vor. Resigniert weckte er sie: „Steht auf, lasst uns gehen! Siehe, er ist da, der mich verrät.“ (Matthäus 26,46) Und sie kehrten zu den anderen zurück.
Kurz darauf kamen die Soldaten mit Judas an der Spitze und nahmen Jesus gefangen und führten ihn gefesselt ab. Voller Entsetzen überfiel die elf Jünger Todesangst: „Da verließen ihn alle und flohen.“ (Markus 14,50) Jesus musste seinen Leidensweg alleine gehen.

Nach Verhör und Folterung unterschrieb der Statthalter Pontius Pilatus das Todesurteil, und die römischen Soldaten brachten den Deliquenten nach Golgatha. 
Dort wurde Jesus ans Kreuz genagelt, um hängen zu bleiben bis zum Eintritt des Todes. Muskelkrämpfe setzten bald ein. Die Schwerkraft zog den Körper nach unten, aber die Nägel hielten ihn an den schweren Balken fest. Blut rann ihm über das Gesicht, weil die Dornenkrone, die ihm mit Gewalt auf den Kopf gedrückt worden war, tiefe Wunden in die Haut gerissen hatte. Die offenen Striemen am Rücken von der Geißelung rieben am Holz des Kreuzes. Die Sonne brannte erbarmungslos nieder auf den nackten Körper. 
Und Jesus schrie unter unerträglichen Schmerzen: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Matthäus 27,46) Dann konnte Jesus seinen Kopf nicht mehr hochhalten, sein Haupt kippte nach vorne und drückte die Luftröhre zu. Der Prediger aus Galiläa, der niemandem etwas zuleide getan hatte, erstickte qualvoll. Um die neunte Stunde war der Messias tot.

Am dritten Tag danach, am Ostermorgen, folgte der Triumph: die Auferstehung. Der geschundene Körper Jesu erwachte von den Toten und kehrte ins Leben zurück. Jesus, das unschuldige Lamm Gottes, hatte nicht umsonst gelitten. Zwei Engel verkündeten es den Frauen, die zum Grab gekommen waren: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“ (Lukas 24,5.6)

Die leibliche Auferstehung Jesu wird heute in der Christenheit immer weniger geglaubt. Viele Christen wissen gar nicht mehr, worum es zu Ostern überhaupt geht. Und immer mehr Pfarrer und Theologen zweifeln die leibliche, tatsächliche Auferstehung Jesu von den Toten an und lehren, dass es sich nur um einen symbolischen Akt handelt.
Wenn aber die Kernbotschaft des Evangeliums nicht mehr gilt, wofür steht die Kirche dann noch? „Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich!“ (1 Korinther 15,14) mahnte der Apostel Paulus. Und eben das ist die Konsequenz aus dem Unglauben: wenn Jesus tot geblieben ist, werden wir es auch bleiben. Dann gibt es kein Reich Gottes, keine Hoffnung auf das neue, gerechte Leben nach dem Tod, wie es Johannes in seiner Offenbarung beschrieben hat: „Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein.“ (Offenbarung 21,4)

Stirbt Jesus im 21. Jh. einen zweiten Tod, diesmal den ewigen Tod des Vergessens? Die Menschen, die auf seinen Namen getauft sind, wenden sich nicht nur von ihm ab, sondern ignorieren ihn einfach. Wie verlassen muss sich Jesus heute wohl fühlen?
Ostern ist kein Triumph mehr. Aus dem Tag der Freude ist ein Tag der Trauer geworden. Denn Jesus muss uns zurufen „Christen, Christen, warum habt ihr mich vergessen?

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