Das
Gleichnis vom Sauerteig
In
Galiläa zur Zeit Jesu gab es keine Bäckerei, in der die Leute
einkaufen gehen konnten. Es war die Aufgabe der Hausfrau, für die
Familie das tägliche Brot zu backen. Sie wusste, dass sie Sauerteig
brauchte, um locker-leichtes Brot herstellen zu können. Sauerteig
ist ein Triebmittel zur Lockerung von Backwaren, damit das Brot nicht
flach und geschmacklos bleibt.
Auch
Jesus war diese Herstellungsweise bekannt. Und so wählte er das
Beispiel aus der Küche, um den Zuhörern die Bedeutung des
Evangeliums vor Augen zu führen: „Das
Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter
einen halben Zentner Mehl mengte, bis er ganz durchsäuert war.“
(Matthäus 13,33) Jesus
meint damit, dass das Bemühen um das Eingehen in das Reich Gottes
die Gesellschaft besser macht, weil die Botschaft von der Liebe
Gottes und seiner Vergebung die
Menschen zum Positiven verändert, und sie als Christen diese Liebe
Gottes zum verständnisvolleren Zusammenleben in die Gemeinschaft
einbringen.
Der
Sauerteig einer christlichen Gemeinschaft ist die religiöse
Erziehung ihrer Kinder. Mit der Taufe, die fast in den meisten
Familien nach wie vor an den Säuglingen vollzogen wird, verpflichten
sich Eltern und Paten, das Kind im christlichen Glauben zu erziehen.
In früheren Zeiten haben die Erwachsenen ihr Versprechen sehr ernst
genommen. Die Kinder lernten im Elternhaus christliche Bräuche und
Gebete kennen, nahmen am Religionsunterricht in der Schule und an der
kirchlichen Jugendarbeit teil. Sie bekamen eine Bibel und lasen darin
die Geschichten von Jesus von Nazareth, seiner Kreuzigung und
Auferstehung. Die christlich erzogenen Heranwachsenden lernten, dass
das Evangelium Teil ihres Alltags ist und gaben es als Eltern wieder
an ihre Kinder weiter. So kann christliche Gemeinschaft über
Generationen hinaus funktionieren und hat in den letzten 2000 Jahren
auch funktioniert.
Beispiele
aus der Geschichte zeigen, wie entscheidend wichtig die Vermittlung
religiöser Werte durch die Erziehung ist:
Beispiel
1: Kaiser Konstantin I. der Große war selbst nicht getauft, als
er 313 im Edikt von Mailand den Christen die freie Religionsausübung
gestattete. Er hatte aber erkannt, dass die Zukunft des Römischen
Reiches mit dieser jungen und glaubensstarken Religion verbunden war.
Von ihr erwartete er, das einigende Band für die vielen
unterschiedlichen Völker seines Herrschaftsgebietes zu werden.
Und um
die Weichen für ein christianisiertes Römisches Reich zu stellen,
ließ er seine Söhne Constantin, Constantius und Constans im
christlichen Glauben erziehen. Konstantins pädagogische Weitsicht
trug Früchte: denn als ihm seine drei Söhne auf dem Thron
nachfolgten, waren sie bereits gläubige Christen und gaben als
Vorbild ihre Überzeugung an ihre Untertanen weiter. Das Römische
Reich wurde nunmehr christlich.
Beispiel
2: Bitter waren die Folgen dagegen für Frankreich, weil sein
erster Bourbonenkönig Heinrich IV. sich um die religiöse Erziehung
seiner Kinder nicht kümmerte. Er selbst war gläubiger Hugenotte
(französische Protestanten) und nach dem Erlöschen der katholischen
Herrscherdynastie der Valois der legitime Thronfolger. Doch die
mächtigen katholischen Adeligen verweigerten einem evangelischen
König die Anerkennung. Da entschloss sich Heinrich, um Frankreich
nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg zwischen den Konfessionen
endlich befrieden zu können, zu konvertieren, aber zugleich den
Hugenotten im Edikt von Nantes 1598 freie Glaubensausübung zu
garantieren. Heinrich liebte seine Kinder, überließ aber ihre
religiöse Erziehung seiner streng katholischen Gattin Maria von
Medici. Die Konsequenz war, dass in der französischen Königsfamilie
der Toleranzgedanke Protestanten gegenüber keinen Platz fand. Der
Eklat erfolgte 1685, als Ludwig XIV. der Sonnenkönig das Edikt von
Nantes aufhob und den Protestanten nicht nur ihre Religionsfreiheit
nahm, sondern auch ihre Bürgerrechte. Hunderttausende flohen aus
Frankreich in evangelische Länder wie England, Holland und
Brandenburg und schwächten damit, da sie überwiegend dem
Handwerksstand angehörten, die Wirtschaft Frankreichs entscheidend.
Die Verarmung des Staates sollte hundert Jahre später zum Ausbruch
der blutigen Revolution führen. Ein friedliches Zusammenleben der
beiden Konfessionen hätte dies wohl verhindert, es hätte nur einer
entsprechenden Erziehung der königlichen Kinder bedurft.
Aber
die Gefahr geht nicht nur von einer fehlenden religiösen Erziehung
aus, sondern auch von einer, die falsche Werte lehrt. Jesus warnte
seine Zuhörer: „Seht zu und hütet euch
vor dem Sauerteig der Pharisäer und Sadduzäer!“
(Matthäus 16,6). Jesus
verurteilt damit eine Lehre, die die Menschen dem Reich Gottes nicht
näher bringt, sondern sie durch ihre Unerbittlichkeit den Sündern
und Schwachen gegenüber vom Himmelreich entfernt. Eine Gesellschaft,
die von Selbstgerechtigkeit und hierarchischem Denken beherrscht
wird, verbreitet Kälte statt wärmende Nächstenliebe, weil sich die
Stärksten und Rücksichtslosesten auf Kosten der Schwächeren
Vorteile verschaffen.
Jesus dagegen fordert, dass die Menschen
Verständnis für einander haben, Nachsicht üben und Schuld vergeben
sowie den Reichtum eines Landes gerecht aufteilen, damit es allen gut
geht und nicht nur einigen wenigen.
Das
Evangelium, das als Sauerteig die Gesellschaft durchmengt, indem es
durch eine christlich-religiöse Erziehung weitergegeben wird, macht
das Zusammenleben der Menschen durch die Nächstenliebe humaner.
Aber das funktioniert nur, wenn die Botschaft Jesu in ihrer
Radikalität ernst genommen und nicht für eigene Vorteile verfälscht
wird. Jesus stellt uns vor die Entscheidung, ob wir ganz für ihn
oder ganz ohne ihn leben wollen: „Niemand
kann zwei Herren dienen: entweder er wird den einen hassen und den
anderen lieben, oder er wird an dem einen hängen und den anderen
verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“
(Matthäus 6,24)
Welche Entscheidung will ich treffen?
sehr interessant! Die Vergleiche gefallen mir sehr gut! Und ich finde es toll, dass die Beispiele mit der Geschichte zu tun haben, so kann man es gut nachvollziehen.
AntwortenLöschen