Die
Abschiedsreden Jesu am Kreuz
Wenn
jemand gekreuzigt wurde, starb er einen langsamen, qualvollen Tod.
Das war auch durchaus beabsichtigt, denn diese Art der Hinrichtung
wurde nur über antirömische
Widerstandskämpfer
und aufsässige Sklaven
verhängt.
Es galt den Herrschern
in Rom als größtes Verbrechen, sich gegen ihre
Besatzungsmacht
aufzulehnen. Um „Nachahmungstäter“ abzuschrecken, mussten
solche Übeltäter deshalb
hart bestraft werden.
Da
die Hinrichtungen
öffentlich stattfanden, sollte
das blutige Spektakel den
Zuschauern
Roms unnachsichtige Gewalt vor Augen führen und
Angst machen. Die
Verurteilten mussten den Querbalken auf ihre Schultern laden und zur
Hinrichtungsstätte
schleppen. Die schweren Längsbalken, die kein Mensch allein hätte
tragen können, standen bereits dort und wurden auch nicht jedes Mal
ausgewechselt.
Bevor
sich in Jerusalem der
Zug mit Soldaten, Deliquenten und Schaulustigen in Bewegung setzte,
band man Jesus und den
beiden anderen Verurteilten die
Querbalken, die
auch kein geringes Gewicht hatten,
auf die Schultern.
Aber Jesus
war bereits so geschwächt von den Folterungen, dass er nicht
imstande war, das schwere Holzstück
zu tragen. Pontius Pilatus hatte ihn geißeln lassen, die Soldaten
hatten
ihm eine Dornenkrone aufs Haupt gedrückt
und mit
Stöcken geschlagen. Das
blieb nicht ohne schwere Verletzungen.
Jesus hatte bereits viel Blut
verloren, bevor er noch ans
Kreuz genagelt wurde. Mit letzter Kraft schaffte er es bis zur
Hinrichtungsstätte,
aber nur mit Hilfe:
Simon von Kyrene, der gerade vom Feld kam, hatte statt Jesus den
Holzpflock tragen müssen.
Auf Golgatha, einem
Hügel außerhalb von
Jerusalem, wurde Jesus
an seinen Handgelenken an den Querbalken genagelt und am Längsbalken
hochgezogen. Zur besseren Festigung
wurde er auch noch an den Füßen festgenagelt. So hing er am Kreuz
bis der Tod eintrat,
der sengenden Sonne
preisgegeben. Bis
zum Ende
würden
noch Stunden vergehen -
aber
Jesus sollte all der
Pein zum Trotz
nicht ohne letzte
Botschaften an die Welt
sterben.
Die
Evangelisten haben unterschiedliche Worte von ihm überliefert, je
nachdem, was ihnen theologisch wichtig erschien. Versuchen wir, die
vorhandenen Texte in eine zeitliche Abfolge zu bringen, sodass wir
uns ein Bild von den letzten Stunden im Leben des gekreuzigten Jesus machen
können.
Unter
furchtbaren Qualen sah Jesus nun seinem Tod entgegen und blieb
trotzdem seiner Mission treu: er setzte sich auch jetzt noch für
andere Menschen ein, obwohl er eigentlich derjenige gewesen wäre,
der die Hilfe anderer gebraucht hätte. Ohne Groll und Hader betete
er für die, die ihn ans Kreuz gebracht hatten, obwohl er ihnen
nichts getan hatte: „Vater,
vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
(Lukas
23,34)
Die
Vergebungsbereitschaft war immer das wichtigste Anliegen gewesen,
das Jesus in Galiläa gepredigt
hatte. Für
ihn gab es keine Nächstenliebe, wenn sie nicht auf Verzeihen
und Nachsicht aufgebaut war.
Und jetzt
am Kreuz stand er selbst für seine
Forderungen ein. So wie er als Rabbi in
Galiläa stets verlangt hatte,
man solle dem Mitmenschen, der einem weh getan hatte, vergeben,
so tat er es als
Gekreuzigter auch:
Jesus
flehte Gott
um Nachsicht an mit jenen, die seinen qualvollen Tod zu
verantworten hatten.
Aber
nicht nur um jene namenlose Menge, die durch
ihr Gebrülltes
„Kreuzige ihn!“ sein Todesurteil
verschuldet hatte, war
Jesus besorgt. Auch einzelne Menschen
um sein Kreuz herum
waren ihm
trotz unerträglicher Schmerzen nicht gleichgültig.
Links
und rechts von Jesus
waren zwei weitere Männer ans Kreuz gehängt worden und litten
wie er große Qualen: „Aber einer der Übeltäter lästerte
ihn und sprach: Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!“
(Lukas 23,39)
Das ließ der zweite Verbrecher aber
nicht gelten: „Wir sind mit Recht verurteilt worden, denn
wir empfangen, was unsere Taten verdienen; dieser aber hat nichts
Unrechtes getan.“ (Lukas
23,41) Und sterbend bekannte
er sich zum Glauben an den Messias: „Jesus, gedenke an mich,
wenn du in dein Reich kommst.“ (Lukas
23,42) Und
Jesus wandte sich dem Mann zu und sprach
zu dem reuigen Übeltäter:
„Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese
sein.“ (Lukas 23,43)
Damit unterstrich
Jesus, was
er immer
gepredigt hatte:
Gott vergibt dem Sünder
immer, selbst wenn die Reue erst im
Angesicht des Todes erfolgt.
Der verurteilte Verbrecher hat im Sterben begriffen,
dass er den Messias vor sich hat und sich zu ihm bekannt. Es
war noch rechtzeitig.
Einige
Frauen aus seinem Anhängerkreis hatten Jesus auf seinem letzten Weg
begleitet und standen nun weinend unter dem Kreuz, darunter seine
Mutter, weiters Maria,
die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Ihnen war die Gefahr für
ihr eigenes Leben,
weil sie einem Hochverräter die Treue hielten, egal. Sie wollten
Jesus in seiner schwersten Stunde nicht alleine lassen. Jesus
sah die
Frauen,
aber von seinen Jüngern fehlte jede
Spur, nur einer stand bei ihnen.
Jesus
war einst gegen den ausdrücklichen Willen seiner Mutter als
Wanderprediger durch Galiläa gezogen. Es hatte deshalb Spannungen
zwischen ihnen gegeben. Das hieß aber nicht, dass sich Mutter und
Sohn nicht weiterhin in Liebe zugetan waren. Und nun war Maria sogar
aus Galiläa nach Jerusalem gegangen,
um ihrem Kind beizustehen. Bekümmert
sah Jesus aber, dass kein anderer aus seiner Familie mitgekommen war.
Er wollte sie aber nicht unversorgt
zurücklassen: „Und als nun
Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte,
sprach er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn.
Danach sprach er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter.
Und von der Stunde an nahm der Jünger sie zu sich.“ (Johannes
19,26.27)
Warum
glaubte Jesus nicht, dass sich seine Halbbrüder – er hatte vier -
um die gemeinsame Mutter kümmern werden? Immerhin wird einer von
ihnen, Jakobus, später als Herrenbruder in der urchristlichen
Gemeinde eine führende Rolle spielen. Aber jetzt war auch er nicht
da. So wenig wie die anderen aus dem Kreis der Zwölf.
Jesus,
der hilflos am Kreuz hing, wusste nicht, ob sich seine Jünger und
seine Halbbrüder wieder fangen würden, denn schließlich waren sie
alle in Panik weggelaufen und hatten sich versteckt. So vertraute er
seine Mutter, die zu dem Zeitpunkt schon eine alte Frau war und auch
verwitwet, dem einzigen Jünger an, der bei ihm geblieben war. In der
damaligen Zeit hatten alleinstehende Frauen keine Chance auf
materielle Versorgung, sie brauchten einen männlichen Ernährer.
Wer
war aber der Jünger, den Jesus lieb hatte? Es war sicher einer der
Zwölf, denn er war beim Abschiedsmahl dabei: „Es
war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte, der lag
bei Tisch an der Brust Jesu.“ (Johannes
13,23) Er stand also Jesus nahe, Name wird keiner
genannt. Simon Petrus war es nicht. Denn als Jesus ankündigte, dass
einer aus der Runde ihn den Knechten des Hohepriesters verraten wird
„winkte Simon
Petrus dem Jünger, den Jesus lieb hatte, dass er fragen sollte, wer
es wäre, von dem er redete.“ (Johannes
13,24)
Warum
betont aber der Evangelist Johannes – zum Unterschied zu den
anderen drei Evangelisten - überhaupt, dass es einen Jünger gab,
den Jesus besonders lieb hatte? Das überrascht. Schließlich wissen
wir, dass Jesus alle Menschen gleich liebt und niemanden bevorzugt.
Dass der Evangelist Johannes trotzdem einen der Zwölf so deutlich
heraushebt, spiegelt wohl seine Bewunderung für jenen Jünger wider,
der als einziger den Mut aufbrachte, seinen Rabbi nach Golgatha zu
begleiten.
Je
länger Jesus am Kreuz hing, desto größer wurde die körperliche
Qual und desto größer seine Verzweiflung. Muskelkrämpfe
durchzuckten den Leib. Der Körper sackte immer mehr nach unten ab,
die Schmerzen in den Armen, die das ganze Gewicht des Gekreuzigten
halten mussten, wurden unerträglich. Es fühlte sich an, als ob sie
jeden Moment reißen würden, aber die Nägel hielten stand. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte unbarmherzig auf die nackte Haut des Gekreuzigten. Schweiß
rann über den blutenden Körper und lockte Fliegen an. Bewegungslos
war Jesus der Tortur ausgeliefert und schrie in seinem Schmerz: „Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
(Matthäus
27,46; Markus 15,34)
Er wusste, dass Gott seine
Kreuzigung nicht nur zugelassen, sondern als unersetzlicher
Bestandteil des göttlichen Heilsplanes verlangt hat.
Darüber
war sich Jesus schon während seines öffentlichen Wirkens in Galiläa
im Klaren, er hat es den Jüngern mehrfach angekündigt. Aber als
seine Verhaftung im Garten Gethsemane und der Gang nach Golgatha
unmittelbar bevorstanden, flehte er in panischer Todesangst Gott an:
„Mein Vater,
ist‘s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber: doch nicht,
wie ich will, sondern wie du willst! (Matthäus
26,39) Der
Kelch, den Jesus meinte, war seine qualvolle Hinrichtung, vor
der er sich verständlicherweise fürchtete. Aber er blieb Gott auch
in der Furcht treu und verdrückte sich nicht im Schutz der
Dunkelheit zurück nach Galiläa. Es war auch für Jesus nicht
leicht, den Willen Gottes zu erfüllen.
Alle
vier Evangelisten berichten, dass Jesus als Letztes vor seinem Tod
noch zu trinken bekommen hat. Es war jedes Mal ein in Essig
getauchter Schwamm, aber nur bei Johannes verlangte Jesus danach:
„Mich
dürstet.“ (Johannes
19,28)
Jesus hing bereits seit Stunden am Kreuz und die Sonne brannte auf
seinen geschundenen Körper herab, als er wegen unerträglichem Durst
um etwas zu trinken bat und auch bekam: „Da
stand ein Gefäß voll Essig. Ein Soldat füllte einen Schwamm mit
Essig und steckte ihn auf einen Stab und hielt ihn Jesus an den
Mund.“ (Johannes
19,29)
Bei
Lukas bekam Jesus zu trinken, ohne danach zu verlangen, sondern als
Teil der Verhöhnung durch die römischen Kriegsknechte: „Es
verspotteten ihn auch die Soldaten, traten hinzu und brachten ihm
Essig.“ (Lukas
23,36)
Ähnlich berichten Matthäus und Markus, allerdings ohne den Spott
der Kriegsknechte. Der
Essig der Bibel ist allerdings nicht derselbe Essig, wie wir ihn
heute als Gewürz in der Küche verwenden. Es war ein saurer Wein mit
Wasser gemischt, dementsprechend ein kostengünstiges
Erfrischungsgetränk für das einfache Volk und die Soldaten.
Nach
Stunden der Marter spürte Jesus, dass sein Tod unmittelbar
bevorstand, und er wusste, dass er es geschafft hatte, den Willen
Gottes bis zum bitteren Ende zu erfüllen. Mit letzter Kraft rief
er laut:
„Vater, ich befehle meinen Geist in
deine Hände.“ (Lukas
23,46)
Und Gott wird ihn annehmen und das Heilsgeschehen nach drei Tagen
vollenden. Jesus wird von den Toten auferstehen.
Endlich
war es für
den Gekreuzigten ausgestanden, mit
ersterbender Stimme flüsterte er: „Es
ist vollbracht!“ (Johannes
19.30)
Sein Kopf, den der geschwächte Körper
nicht mehr halten konnte, kippte nach vorne und drückte die
Luftröhre ab. Der Tod trat durch Ersticken ein.
Am
Karfreitag brachte Jesus stellvertretend für uns Sünder, die wir
die eigentlich Schuldigen am zerrütteten Verhältnis zwischen
Menschen und Gott sind, ein Blutopfer am Kreuz dar.
In der Antike war es allgemein religiöser Brauch, Gottheiten
Opfer darzubringen, um sich ihr Wohlwollen zu sichern. Im Judentum
wurden im Tempel Tiere auf dem Altar geschlachtet und Gott geopfert,
damit er nicht zürnt und straft, sondern den Sündern vergibt.
Blutige
Opferungen für einen milden Gott waren aber nicht mehr nötig,
nachdem Jesus von Nazareth am Kreuz für uns
geschlachtet worden ist, wie der Prophet Jesaja das stellvertretende
Leiden des Messias angekündigt hatte: „Er
ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen
zerschlagen. Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten,
und durch seine Wunden sind wir geheilt.“ (Jesaja
53,5)
Gott
nahm
das Opfer von Jesus an
und lässt es in Hinkunft für alle schuldig gewordenen
Menschen gelten. Es muss nicht mehr wiederholt werden, deshalb kennt
das Christentum keine Opferriten. Seit dem Karfreitag genügen Reue
und Bitte um Vergebung, um mit Gott ins Reine zu kommen.
Die
Botschaft vom stellvertretenden Leiden und Sühnen fremder Schuld
stand auch für den Apostel Paulus im Zentrum seiner Missionspredigt:
„Denn als erstes habe ich euch weitergegeben,
was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere
Sünden nach der Schrift.“ (1
Korintherbrief 15,3) Aber das ist nur der erste Teil
des Heilshandelns Gottes, es folgt ein zweiter Teil, wie Paulus
fortfährt: „und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift.“ (1
Korintherbrief 15,4)
Karfreitag
und Ostern, Opfertod und Auferstehung von den Toten: beide zusammen
sind das unverzichtbare Fundament christlichen Glaubens. Jesus
Christus hat für uns sein Leben gegeben und dann wieder für uns
zurückbekommen: damit hat er uns Menschen die Hofnung gegeben, dass
uns ein liebender, versöhnlicher Gott eines Tages die Tür zu seinem
Himmelsreich öffnet.
Der Beitrag regt mich sehr zum nachdenken und besinnen an. Es wurde gut ausgeführt, was am Karfreitag essentielles gilt und woran wir denken sollen an diesem Tag.
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