Freitag, 30. September 2022

 

Das Leben ist wüst(e) - aber nicht leer



Als Symbol für ein Dasein voller Entbehrungen gilt die Wüste. Es gibt dort kein Wasser und keine Vegetation. Auch die Temperaturen sind ungemütlich – am Tag ist es sehr heiß, weil die Sonne herab brennt, in der Nacht eiskalt, weil die Wärme nicht gespeichert wird. Menschenleer breitet sich die unwirtliche Einöde bis zum Horizont aus. Menschen, die eine Wüste überwinden wollen, müssen sich auf herausfordernde Bedingungen einstellen. Und oft ist große Geduld nötig, um die Wüste hinter sich zu lassen. Man kann es als eine „Durststrecke“ bezeichnen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.

Von einer solchen mühevollen Zeit der Wüstendurchquerung schreibt Paulus in seinem 1. Brief an die Korinther. Der Apostel erinnert an das Schicksal der Israeliten in der Steinwüste von Sinai und benennt es als Beispiel für eine Zeitspanne des Verzichts, in der man sich bewähren muss. Die Korinther sollen aus dem Schicksal der Hebräer lernen.

Das größte Problem während einer langen „Durststrecke“ ist die Erschöpfung, wenn die Belastungen nicht und nicht enden wollen. Wie lange hält man sie aus? Wie stark erweist sich der Glaube in der Bewährung? Gilt die Zuversicht „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du Herr, bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich!“ (Psalm 23,4Das Bild, das der Psalmist zeichnet, ist das des Ideals eines gläubigen Menschen. Aber wie wir schon bei Petrus gesehen haben, kann jeder Mensch unter massivem Druck einknicken – auch wenn er in guten Zeiten das kategorisch ausschließt. Auch Petrus konnte sich nicht vorstellen, als treuer Jünger im entscheidenden Moment der Prüfung zu versagen: „Und wenn ich mit dir sterben müsste, will ich dich nicht verleugnen!“ (Matthäus 26,35), versprach er Jesus beim Abschiedsmahl. Stunden später wird Petrus aber genau dies machen, weil ihn die Bedrängnisse seine besten Vorsätze vergessen ließen.

Auch das Volk Israel hatte die besten Absichten, seinem Gott auch in schlimmsten Zeiten unbeirrt treu zu bleiben, aber wie in den Büchern Mose nachzulesen ist, gelang das sehr vielen nicht. Mit zunehmendem Leidensdruck machte sich Unverständnis über Gott breit, der seine Anhänger so lange so einem kargen Leben aussetzte.

Ausgehend vom Beispiel der Wüstenwanderung geht Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther auf die Gefahr ein, dass Menschen unter dem Druck enormer Belastungen Gott untreu werden können. Vor allem, wenn sich wie bei den Israeliten die „Durststrecke“ hinzieht. Der Apostel lässt keinen Zweifel daran, dass das jedem passieren kann, deshalb warnt er vor Selbstüberschätzung: Darum, wer meint, er stehe, mag zusehen, dass er nicht falle.“ (1. Korintherbrief 10,12)


Der geglückte Aufbruch aus der Knechtschaft des ägyptischen Pharaos hatte bei den Israeliten große Euphorie ausgelöst. Bald würden sie im Gelobten Land ein neues, schönes Leben beginnen können! Sie rechneten nicht damit, dass der Weg dahin von Gott sehr beschwerlich gestaltet werden wird - war doch Gott sichtbar mit ihnen: „Und der Herr zog vor ihnen her, am Tage in einer Wolkensäule, um sie den rechten Weg zu führen, und bei Nacht in einer Feuersäule, um ihnen zu leuchten, damit sie Tag und Nacht wandern konnten.“ (2 Mose 13,21)

Mit dem Hinweis auf Gottes Beistand beginnt Paulus seinen Vergleich: „Ich will euch aber, liebe Brüder, nicht in Unwissenheit darüber lassen, dass unsere Väter alle unter der Wolke gewesen und alle durchs Meer gegangen sind.“ (1 Korintherbrief 10,1) Mit diesem Rückblick in die Religionsgeschichte beginnt Paulus seine Warnung an die Korinther, dass der Glaube an Gott kein Anrecht auf ein sorgenfreies Leben beinhaltet. Das heißt aber nicht, dass Gott sich nicht um die Menschen kümmert, die an ihn glauben – allerdings nicht auf die bequeme Weise, die letztere sich wünschen. Und die sie offenbar nach einer gewissen Zeit des Darbens einfordern: Wie lange murrt diese böse Gemeinde gegen mich?“ (4 Mose 14,27a)


Nun war es ja nicht so, dass die Hebräer in der Wüste von Sinai vor Hunger und Durst umkamen. Gott ließ Manna vom Himmel regnen und alle wurden von diesem Brot satt. Aber die Israeliten aßen Manna vierzig Jahre lang, bis sie in bewohntes Land kamen; bis an die Grenze des Landes Kanaan aßen sie Manna.“ (2 Mose 16,35) Und anstatt dankbar dafür zu sein, in einer kargen Natur genug zu essen zu bekommen, regten sich die Menschen über diese langweilige Speise auf: Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst aßen, und an die Kürbisse, die Melonen, den Lauch, die Zwiebeln und den Knoblauch. Nun aber ist unsere Seele matt, denn unsere Augen sehen nichts als das Manna. Es war aber das Manna wie Koriandersamen und anzusehen wie Bedolachharz.“ (4 Mose 11,5-7)

Auch verdurstet ist keiner, man musste sich nur die Wassermenge von Moses zuteilen lassen, sodass jeder etwas abbekam: Siehe, ich will dort vor dir stehen auf dem Fels am Horeb. Da sollst du an den Fels schlagen, so wird Wasser herauslaufen, dass das Volk trinke. Und Mose tat so vor den Augen der Ältesten von Israel.“ (2 Mose 17,6)

Wie Paulus in seinem Brief an die Korinther weiter ausführt, suchten viele frustrierte Israeliten nach einem Ausweg aus ihrem tristen Dasein, das Gott ihnen zugemutet hat. Besonders enttäuschend für Gott war die Hinwendung einer großen Anzahl von Hebräern zu einer anderen Gottheit, von der sie sich die Rückkehr zur früheren Bequemlichkeit erhofften. Der „Tanz um das goldene Kalb“ war ein schwerer Affront gegen Gott. Und so mahnt der Apostel: Werdet nicht Götzendiener, wie einige von ihnen es wurden, wie geschrieben steht in 2 Mose 32,6: Das Volk setzte sich nieder, um zu essen und zu trinken, und stand auf, um zu tanzen.“ (1 Korintherbrief 10,7)

Den angestrebten Ausweg aus dem Elend haben die ungetreuen Israeliten nach ihrer Abwendung von Gott nicht gefunden. Denjenigen, die ihm nicht mehr vertrauen wollten, ging es noch schlechter als vorher, weil sie den Halt und die Geborgenheit des Glaubens verloren hatten. Das hätte nicht sein müssen, wie der Psalmist mahnt: „Gelobt sei der Herr täglich. Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch!“ (Psalm 68,20) Gott wendet sich niemals von den Menschen ab, auch dann nicht, wenn sie murren und hadern.

Das versucht Paulus den Korinthern deutlich zu machen: Bisher hat euch nur menschliche Versuchung getroffen. Aber Gott ist treu, der euch nicht versuchen lässt über eure Kraft, sondern macht, dass die Versuchung so ein Ende nimmt, dass ihr’s ertragen könnt.“ (1 Korintherbrief 10,13) Und so kam es auch für die Hebräer, die mit ihren menschlichen Schwächen nicht fertig geworden waren. Nach Jahren der entbehrungsreichen Wanderung durch die Wüste führte Gott das Volk Israel endlich wie versprochen in das Land, in dem Milch und Honig fließen, Kanaan.


Und dann schlägt der Apostel den Bogen von der Geschichte Israels zu den Christen und ruft die Korinther auf, nicht denselben Fehler jener ungeduldigen Israeliten zu machen, die gegen Gott gemurrt haben: Lasst uns auch nicht Christus versuchen, wie einige von ihnen Gott versuchten und wurden von den Schlangen umgebracht.“ (1 Korintherbrief 10,9) Die Schlange, die den schwachen Menschen in den Abgrund reißt, kennen wir aus der Sündenfall-Geschichte. Auch damals ging es darum, dass Adam und Eva mit dem, was sie hatten, nicht zufrieden waren und mehr wollten. Sie fühlten sich von Gott benachteiligt, weil sie nicht alles bekommen hatten, was das Paradies an Früchten zu bieten hatte. Durch ihre Gier verspielten sie ihr sorgloses Leben unter der Obhut Gottes.


Aber die Bibel sagt den Gläubigen die Gewissheit auf die Treue Gottes zu: Der Herr weiß die Frommen aus der Versuchung zu erretten, die Ungerechten aber festzuhalten für den Tag des Gerichts, um sie zu strafen.“ (2 Petrusbrief 2,9) Die Entscheidung, zu welcher Gruppe man gehören will, trifft jeder Mensch selbst. Dass Geld aber wirklich eine größere Sicherheit bietet als der Beistand Gottes, ist ein Trugschluss, dem Christen nicht zum Opfer fallen sollten. Noch einmal wollen wir Paulus sprechen lassen und auf seine Worte hören: „Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.“ (1 Korintherbrief 1,9)



1 Kommentar: