Religion
im Wandel der Zeit
Die
Weiterentwicklung ihrer Lebensweise, dem die Spezies Mensch
aufgrund der Leistungsfähigkeit
ihres Verstandes unterworfen ist, macht auch vor der Religion nicht
Halt. Technische Erfindungen, Errungenschaften in Naturwissenschaft
und Medizin und daraus resultierend neue Formen des sozialen
Zusammenlebens wirken sich auch auf die weltanschaulichen Grundlagen
der menschlichen Gesellschaft aus. Die Menschen haben von Gott die
Gabe erhalten, Wissen anzuhäufen und dazu lernen zu können. Sie
haben als Gattung die Fähigkeit, ihre Lebensweise und ihre
Fertigkeiten über Generationen weiter zu entwickeln. Wäre es
anders, würden wir heute noch in Höhlen leben und als Jäger und
Sammler für unseren Lebensunterhalt sorgen.
Aber
unverändert bleiben die Glaubenswahrheiten. Zwar finden durch den
Fortschritt bedingte Änderungen im Alltagsleben ihren Niederschlag
in Kult, Riten und Bräuchen, aber das bedeutet nicht zwangsläufig
eine Verfälschung des Glaubens. Es zeigt nur, dass die Menschen sich
durch Wissenserweiterung fortentwickeln.
So
haben die Erzväter Abraham, Isaak und Jakob ihren Gottes-Dienst
verrichtet, indem sie einen Stein als Altar genommen und darauf ihr
Opfer dargebracht haben.
In den christlichen Kirchen steht auch ein
Altar, aus Holz oder Ziegel, und dient nicht mehr zum Opfern, sondern
als Tisch des Herrn, auf den Bibel, Kerzen, Kelch und Hostie gestellt
werden.
Trotzdem
ist eines gleich geblieben: der Glaube an den einen einzigen Gott,
der die Welt erschaffen hat und sich auch weiterhin seiner Schöpfung
annimmt. An ihn glaubten die Erzväter in der Bronzezeit, an ihn
glauben auch wir im 21. Jahrhundert.
Als
sich die Fertigkeit des Lesens und Schreibens durchsetzte und in
zahlreichen Religionen Glaubensbücher das Fundament des religiösen
Lebens lieferten, kam es in der Folge auch zu unterschiedlichen
Auslegungen der frommen Texte. So führte ein anderes
Bibelverständnis im 16. Jahrhundert zur Reformation von Martin
Luther in Wittenberg und Zwingli in der Schweiz. Und im Umfeld des
Zürchers entstand die Bewegung der Täufer.
Grundlegend
für die Täufer sind die Ablehnung der Kindertaufe und die
Befürwortung der Bekenntnistaufe der Erwachsenen sowie die Rückkehr
zur urchristlichen Gemeinde ohne staatliche und kirchliche
Strukturen.
Ihr prominentester Vertreter war der Theologe Balthasar
Hubmaier, etwa zur selben Zeit wie Martin Luther in Friedberg bei
Augsburg geboren. Zuerst war er ein bedeutender Vertreter des
Katholizismus: Doktor der Theologie, Professor in Ingolstadt,
Domprediger in Regensburg. 1520 zog er sich auf eine Pfarrstelle in
Waldshut zurück und begann sich für die Reformation Zwinglis zu
interessieren. Er machte eine konfessionelle Kehrtwendung und führte
in Waldshut die Reformation ein. Doch Balthasar Hubmaier
radikalisierte sich zunehmend und geriet bald in Widerspruch zu
Zwingli wegen dessen Befürwortung der Kindertaufe.
Die
Täufer wurden sowohl von den Katholiken als auch von den
Evangelischen abgelehnt und von der Obrigkeit mitleidlos verfolgt,
ihre Anhänger auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Balthasar
Hubmaier musste aus der Schweiz fliehen. Er ging nach Mähren und
gründete dort neuerlich eine Täuferkirche. Aber er konnte sich
nicht lange daran erfreuen: Erzherzog Ferdinand von Österreich,
König von Böhmen, ließ ihn gefangen nehmen und nach Wien bringen.
Am 10. März 1528 wurde Balthasar Hubmaier vor dem Stubentor den
Flammen übergeben.
Geht man in unserer Zeit zur Dominikanerbastei in der Wiener Innenstadt,
erinnert nur noch eine Gedenktafel, angebracht an einer Mauer, an das qualvolle Ende eines
Andersdenkenden: genauso gläubig wie alle Christen jener Zeit, aber
mit einer eigenen Auslegung der Heiligen Schrift.
Der Text der Gedenktafel bringt ein Zitat aus einem Werk
des Hingerichteten, in dem er daran erinnert, dass Jesus jede Form
von Gewalt abgelehnt hat.
Und in
der Begebenheit vom fremden Wundertäter, über den die Evangelisten
Markus und Lukas berichten, bestätigt Jesus Hubmaiers Überzeugung
ganz klar. Auf ihrer Wanderung durch Galiäa machten die Jünger eine
Beobachtung, die sie sehr empörte, und sie beschwerten sich sofort
bei Jesus darüber: „Johannes sprach zu
ihm: Meister, wir sahen einen, der trieb böse Geister in deinem
Namen aus, und wir verboten's ihm, weil er uns nicht nachfolgt. Jesus
aber sprach: Ihr sollt's ihm nicht verbieten. Denn niemand, der ein
Wunder tut in meinem Namen, kann so bald übel von mir reden. Denn
wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ (Markus
9,38-40)
Die
Kirche, die Jesus gegründet hat, ist ein großes Haus, in dem alle
Platz haben, die ihn anbeten. Entscheidend ist, dass alle, die sich
Christen nennen, an Jesus, unseren Herrn und Gott, seinen Opfertod am
Kreuz und seine leibliche Auferstehung von den Toten glauben. Das
sind die ewig gültigen Wahrheiten des christlichen Glaubens, die
nicht dem Zeitgeist unterliegen dürfen. Sie sind - unabhängig von
Kult und Riten - die verbindenden Elemente aller christlichen Kirchen
und Glaubensgemeinschaften. Jesus wünscht sich ein konflikt- und
gewaltfreies Miteinander aller, die an ihn glauben, und deshalb
fordert er: „Ein neues Gebot gebe ich
euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe,
damit auch ihr einander liebt. Daran wird jedermann erkennen, dass
ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt!“
(Johannes 13,34.35)
eine gute erinnerung an uns selbst! mit der zeit kann man auch gehen, ohne seine Wurzeln zu vergessen.
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