Dienstag, 31. März 2015


Die Kreuzigung Jesu

Der Prozess gegen Jesus lässt sich in seinem Verlauf nicht mehr genau rekonstuieren. Zeitgenössische Protokolle oder Augen- und Ohrenzeugenberichte gibt es nicht, und die Darstellungen in den vier Evangelien weichen in Details voneinander ab.
In der Kernaussage jedoch berichten sie übereinstimmend: Juden und Römer haben bei der Verurteilung Jesu zusammengewirkt. Zwei Partner, die sich aber keineswegs harmonisch ergänzt haben und dadurch erfolgreich waren, sondern die einander feindselig gegenüber standen und sich einen harten Machtkampf lieferten, bis Jesus letztendlich am Kreuz hing.
Jesu Verhaftung erfolgte durch die Knechte der Hohepriester. Sie brachten Jesus in das Haus des Hohepriesters Kaiphas zum Verhör. Er wurde zwar vom Sanhedrin verurteilt, das hatte aber keine Rechtskraft. Deshalb wurde Jesus am nächsten Morgen an den Statthalter überstellt.
Die römische Besatzungsmacht zeigte keinerlei Interesse an dem Wanderprediger aus Galiläa, auch nicht nach seinem umjubelten Einzug in Jerusalem. Sie sahen in ihm keine Gefahr. Das Todesurteil wurde aber von den Römern ausgesprochen und vollstreckt.

Die Feindseligkeiten gegen Jesus gingen vom Sanhedrin, dem Hohen Rat der jüdischen Geistlichkeit, aus, der in Jesus einen bedrohlichen Gegner sah. Die Priester in Jerusalem fürchteten, dass der populäre Wanderprediger aus Galiläa, dem das Volk so begeistert zujubelte, ihre Autorität in Glaubensfragen untergraben könnte. Das wollten sie nicht kampflos hinnehmen. Der Sanhedrin sah in Jesu Verkündigung einen Angriff auf Gesetz und Tempel, den beiden Fundamenten des jüdischen Glaubens.
Seine Auslegung der heiligen Texte, dass mitmenschliches Verhalten über jedem kultischen Gebot steht, war für die Pharisäer und Schriftgelehrten, die auf detailgetreue Einhaltung des Gesetzes bestanden, eine unerträgliche Provokation. Jesus verstärkte seine Herausforderung noch, indem er die jüdischen Geistlichen der Selbstgerechtigkeit bezichtigte. „Denn ich sage euch, wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist als die der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen.“ (Matth 5,20)
Aber nicht genug, dass Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte in Galiläa angegriffen und öffentlich kritisiert hatte, er tat dies sogar in ihrer Hochburg, dem Tempel von Jerusalem, nachdem er seine Heimat verlassen und mit seinen Jüngern nach Judäa gekommen war.

Der Tempel auf dem Berg Zion war das religiöse Zentrum des Judentums, und hier fanden tagtäglich Tieropfer statt, um Gott zu dienen. Eine religiöse Praxis, die Jesus scharf verurteilte. Aber er beließ es nicht bei Worten, sondern ging in den Tempel hinein und trieb die Verkäufer und Käufer hinaus, stieß die Tische der Geldwechsler und Taubenhändler um und zitierte den Propheten Jesaja (56,7): „Mein Haus soll ein Bethaus heißen.“ und fügte den Vorwurf hinzu: „Ihr aber macht eine Räuberhöhle daraus!“ (Matth 21,13) Dann kamen Blinde und Lahme zu ihm, und Jesus heilte sie im Tempel.
Diese ungeheure Provokation waren die Priester nicht gewillt hinzunehmen. Jesus musste sterben, aber so, dass die Menschen sich von ihm abwandten. Ein Gekreuzigter galt den Juden als von Gott verflucht und würde den Zusammenbruch der Jesusbewegung bedeuten. Also musste man dafür sorgen, dass Jesus am Kreuz hingerichtet wurde. Aber das war leichter geplant als durchgeführt.

Die Geistlichen beschuldigten Jesus der Gotteslästerung, weil er sich dazu bekannte, der von den Propheten verheißene Messias zu sein. Für sie war dies ganz klar ein todeswürdiges Verbrechen, aber sie hatten nicht die Kompetenz, die Todesstrafe zu verhängen, denn Judäa war eine römische Provinz. Hier lag die Blutgerichtsbarkeit allein beim römischen Statthalter. In Jesu Heimat Galiläa hätte der jüdische Tetrarch Herodes Antipas eine Hinrichtung anordnen dürfen, wie er es auch gegen Johannes den Täufer getan hatte. Aber Jesus war von Soldaten des Hohepriesters in Jerusalem verhaftet worden und hier galt römisches Recht.
Um Jesus als Hochverräter ans Kreuz zu bringen, reichte ein religiöses Delikt nicht aus. Die Kreuzigung war die Todesstrafe für politische Aufrührer und die schändlichste Hinrichtungsart im Römischen Reich: würdelos und nackt hing der verurteilte Verbrecher weithin sichtbar für alle an einem Pfahl und jeder konnte sein qualvolles, sich über Stunden ziehendes Sterben mitansehen. Das würde das Ansehen und den guten Ruf des beliebten Rabbi zerstören.

Der Statthalter Pontius Pilatus, der die Provinz Judäa verwaltete, stand der Anschuldigung wegen Gotteslästerung verständnislos gegenüber. Es war ihm nicht einsichtig, wieso er einen so harmlosen Mann wie diesen Jesus von Nazareth sterben lassen sollte. Pilatus hatte also die Kompetenz zur Todesstrafe, konnte aber den strafbaren Tatbestand, den ihm der Hohepriester nannte, nicht nachvollziehen.
Aber Kaiphas gab nicht klein bei, denn es war nicht das erste Mal, dass die jüdischen Geistlichen und der Präfekt wegen dessen Geringschätzung des jüdischen Gesetzes aneinandergerieten. 

Pilatus hatte von Anfang seiner Tätigkeit als Präfekt im Jahre 26 n.Chr. an Schwierigkeiten, die Juden und ihren monotheistischen Glauben zu verstehen. Der Römer beschwor ohne Notwendigkeit Konflikte herauf, weil er keine Sensibilität für die religiösen Gefühle des jüdischen Volkes zeigte. Wiederholt verletzte er das strenge Bilderverbot, indem er zum Beispiel Standarten mit dem Porträt des Kaisers in Jerusalem aufstellen ließ. Es lief immer auf einen Machtkampf mit den Priestern hinaus, und die Seite, die nachgeben musste, grollte der anderen anhaltend.
Also formulierten die Hohepriester die Anklage politisch um und berichteten dem Statthalter, Jesus beanspruche den Titel „König der Juden“. Dieser Anspruch allerdings war politischer Hochverrat, weil der Königstitel nur vom römischen Kaiser vergeben werden durfte. Augustus hatte ihn selbst den Söhnen des Herodes des Großen verweigert. Aber Jesus hatte immer betont, dass sein Reich nicht von dieser Welt sei. Und das glaubte ihm der Präfekten auch.

Im Falle Jesu suchte nun Pilatus verzweifelt einen Ausweg, weil er dem Sanhedrin keinen „Gefallen“ tun wollte. Als erstes bezog er den Tetrarchen Herodes Antipas, den Landesherrn von Galiläa, der Heimat Jesu, mit ein, der sich für nicht zuständig erklärte, weil die Verhaftung in der römischen Provinz stattgefunden hatte. Als dieser Plan nicht klappte, erinnerte sich Pontius Pilatus an den Brauch, anlässlich des Festes einen Gefangenen frei zu lassen. Das Volk durfte zwischen zwei Angeklagten wählen, und der Präfekt rechnete scheinbar damit, dass die Menge den populären Rabbi frei haben wollte. Aber die Stimmung im Volke hatte sich schon gegen Jesus gewandt, die Menschen konnten in dem beklagenswerten Gefangenen nicht mehr den ersehnten Erlöser sehen. In ihrer Enttäuschung schrien sie nach dem zweiten Deliquenten Barabbas.
So gab der mächtige Statthalter letztendlich dem Druck der Priester nach, als sie ihm drohten, sich über ihn in Rom beim Herrscher zu beklagen. „Wenn du ihn frei lässt, bist du kein Freund des Kaisers!“ (Joh 19,12) Pilatus sah seine Karriere bedroht und unterschrieb das Todesurteil gegen Jesus.
Aber er wollte mit einer symbolischen Geste seine Autorität retten, nachdem er eingeknickt war und „nahm Wasser und wuscht sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!“ (Matth 27,24)
Und noch einmal zeigte Pilatus, dass er Jesus für unschuldig hielt, als er Josef von Arimathäa, einem Jünger Jesu, die Erlaubnis erteilte, den Leichnam des Hingerichteten zu begraben. Das römische Recht verbot es, den Leichnam eines wegen Hochverrats Hingerichteten den Angehörigen zu übergeben. Aber Pilatus setzte sich darüber hinweg.

Über dem Kopf eines Gekreuzigten wurde eine Tafel angebracht, auf dem das begangene Verbrechen stand. Pilatus ließ bei Jesus die berühmten Buchstaben INRI schreiben, d.h.: „Jesus von Nazareth, König der Juden“. Die Priester waren damit nicht einverstanden und verlangten, dass er den Text ändere. Er sollte lauten: „dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden“ (Joh 19,21) Sie wollten es deutlich haben, dass Jesus als falscher Messias hingerichtet wurde, und alle Juden sollten dies auch wissen. Aber der Statthalter antwortete nur: „Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ (Joh 19,22)


Der Hinrichtungshügel, Golgatha, lag vor der Stadt, die Längsbalken für die Kreuze waren bereits in die Erde gerammt und wurden mehrfach verwendet.
Der Deliquent wurde über die Hauptstraße der Stadt geführt und musste den Querbalken zur Hinrichtungsstätte tragen. Dort wurden seine Hände mit Stricken oder Nägeln (an den Handgelenken und Fersen) befestigt und dann der Querbalken mit dem Verurteilten am Längsbalken hochgezogen und festgemacht. Der Verurteile hing nackt, nur mit einem Lendenschurz bekleidet, am Kreuz in der prallen Sonne. Muskelkrämpfe durch die stundenlange Unbeweglichkeit, brennende Schmerzen wegen der offenen Wunden und Durst wegen der Hitze machten die letzten Lebensstunden zur unerträglichen Qual.
Der hohe Blutverlust durch die Geißelungen schwächte den Körper und führte zu einem schnelleren Tod am Kreuz. Die offenen Wunden durch die Auspeitschungen lockten aber auch Schwärme von Insekten an.
Der Verurteilte hing mit seinem ganzen Körpergewicht an den Armen. Die Brust des Todeskandidaten wurde zusammengepresst, der Kopf kippte irgendwann nach vorne und drückte auf die Luftröhre. Der Tod trat durch Ersticken oder Erschöpfung und Kreislaufkollaps ein. 

Jesus wurde ca. um 9h gekreuzigt und ist um 15h gestorben.

Die Rechnung der Hohepriester und Geistlichen ging auf. Der schmähliche Tod von Jesus war für seine Anhänger eine menschliche Katastrophe, und seine Jünger zerstreuten und versteckten sich in tiefer Trauer.  
Die Jesusbewegung schien tatsächlich gescheitert.

1 Kommentar:

  1. sehr schön geschrieben, und toll wie die zitate eingebracht wurden! jesus' kreuzigung ist sehr traurig, auch wenn sie eine schwerwiegende aussage enthält!

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