Die
Kreuzigung Jesu
Der
Prozess gegen Jesus lässt sich in seinem Verlauf nicht mehr genau
rekonstuieren. Zeitgenössische Protokolle oder Augen- und
Ohrenzeugenberichte gibt es nicht, und die Darstellungen in den vier
Evangelien weichen in Details voneinander ab.
In der
Kernaussage jedoch berichten sie übereinstimmend: Juden und Römer
haben bei der Verurteilung Jesu zusammengewirkt.
Zwei Partner, die sich aber keineswegs harmonisch ergänzt haben und
dadurch erfolgreich waren, sondern die einander feindselig gegenüber
standen und sich einen harten Machtkampf lieferten, bis Jesus
letztendlich am Kreuz hing.
Jesu
Verhaftung erfolgte durch die Knechte der Hohepriester. Sie brachten
Jesus in das Haus des Hohepriesters Kaiphas zum Verhör. Er wurde
zwar vom Sanhedrin verurteilt, das hatte aber keine Rechtskraft.
Deshalb wurde Jesus am nächsten Morgen an den Statthalter
überstellt.
Die
römische Besatzungsmacht zeigte keinerlei Interesse an dem
Wanderprediger aus Galiläa, auch nicht nach seinem umjubelten Einzug
in Jerusalem. Sie sahen in ihm keine Gefahr. Das Todesurteil wurde
aber von den Römern ausgesprochen und vollstreckt.
Die
Feindseligkeiten gegen Jesus gingen vom Sanhedrin, dem Hohen
Rat der jüdischen Geistlichkeit, aus, der in Jesus einen
bedrohlichen Gegner sah. Die Priester in Jerusalem fürchteten, dass
der populäre Wanderprediger aus Galiläa, dem
das Volk so begeistert zujubelte, ihre Autorität in Glaubensfragen
untergraben könnte. Das wollten sie nicht kampflos hinnehmen.
Der Sanhedrin sah in Jesu Verkündigung einen Angriff auf Gesetz und
Tempel, den beiden Fundamenten des jüdischen Glaubens.
Seine
Auslegung der heiligen Texte, dass mitmenschliches Verhalten über
jedem kultischen Gebot steht, war für die Pharisäer und
Schriftgelehrten, die auf detailgetreue Einhaltung des Gesetzes
bestanden, eine unerträgliche Provokation. Jesus verstärkte seine
Herausforderung noch, indem er die jüdischen Geistlichen der
Selbstgerechtigkeit bezichtigte. „Denn ich
sage euch, wenn nicht eure Gerechtigkeit vorzüglicher ist als die
der Schriftgelehrten und Pharisäer, so werdet ihr nicht in das Reich
der Himmel eingehen.“ (Matth 5,20)
Aber
nicht genug, dass Jesus Pharisäer und Schriftgelehrte in Galiläa
angegriffen und öffentlich kritisiert hatte, er tat dies sogar in
ihrer Hochburg, dem Tempel von Jerusalem, nachdem er seine Heimat
verlassen und mit seinen Jüngern nach Judäa gekommen war.
Der
Tempel auf dem Berg Zion war das religiöse Zentrum des Judentums,
und hier fanden tagtäglich Tieropfer statt, um Gott zu dienen. Eine
religiöse Praxis, die Jesus scharf verurteilte. Aber er beließ es
nicht bei Worten, sondern ging in den Tempel hinein und trieb die
Verkäufer und Käufer hinaus, stieß die Tische der Geldwechsler und
Taubenhändler um und zitierte den Propheten Jesaja (56,7):
„Mein
Haus soll ein Bethaus heißen.“
und fügte den Vorwurf hinzu: „Ihr
aber macht eine Räuberhöhle daraus!“
(Matth
21,13) Dann
kamen Blinde und Lahme zu ihm, und Jesus heilte sie im Tempel.
Diese
ungeheure Provokation waren die Priester nicht gewillt hinzunehmen.
Jesus musste sterben, aber so, dass die Menschen sich von ihm
abwandten. Ein Gekreuzigter galt den Juden als von Gott verflucht und
würde den Zusammenbruch der Jesusbewegung bedeuten. Also musste man
dafür sorgen, dass Jesus am Kreuz hingerichtet wurde. Aber das war
leichter geplant als durchgeführt.
Die
Geistlichen beschuldigten Jesus der Gotteslästerung, weil er sich
dazu bekannte, der von den Propheten verheißene Messias zu sein. Für
sie war dies ganz klar ein todeswürdiges Verbrechen, aber sie hatten
nicht die Kompetenz, die Todesstrafe zu verhängen, denn Judäa war
eine römische Provinz. Hier lag die Blutgerichtsbarkeit allein beim
römischen Statthalter. In Jesu Heimat Galiläa hätte der jüdische
Tetrarch Herodes Antipas eine Hinrichtung anordnen dürfen, wie er es
auch gegen Johannes den Täufer getan hatte. Aber Jesus war von
Soldaten des Hohepriesters in Jerusalem verhaftet worden und hier
galt römisches Recht.
Um
Jesus als Hochverräter ans Kreuz zu bringen, reichte ein religiöses
Delikt nicht aus. Die Kreuzigung war die Todesstrafe für politische
Aufrührer und die schändlichste Hinrichtungsart im Römischen Reich:
würdelos und nackt hing der verurteilte Verbrecher weithin sichtbar
für alle an einem Pfahl und jeder konnte sein qualvolles, sich über
Stunden ziehendes Sterben mitansehen. Das würde das Ansehen und den
guten Ruf des beliebten Rabbi zerstören.
Der
Statthalter Pontius Pilatus, der die Provinz Judäa verwaltete, stand
der Anschuldigung wegen Gotteslästerung verständnislos gegenüber.
Es war ihm nicht einsichtig, wieso er einen so harmlosen Mann wie
diesen Jesus von Nazareth sterben lassen sollte. Pilatus hatte also
die Kompetenz zur Todesstrafe, konnte aber den strafbaren Tatbestand,
den ihm der Hohepriester nannte, nicht nachvollziehen.
Aber
Kaiphas gab nicht klein bei, denn es war nicht das erste Mal, dass
die jüdischen Geistlichen und der Präfekt wegen dessen
Geringschätzung des jüdischen Gesetzes aneinandergerieten.
Pilatus
hatte von Anfang seiner Tätigkeit als Präfekt im Jahre 26 n.Chr. an
Schwierigkeiten, die Juden und ihren monotheistischen Glauben zu
verstehen. Der Römer beschwor ohne Notwendigkeit Konflikte herauf,
weil er keine Sensibilität für die religiösen Gefühle des
jüdischen Volkes zeigte. Wiederholt verletzte er das strenge
Bilderverbot, indem er zum Beispiel Standarten mit dem Porträt des
Kaisers in Jerusalem aufstellen ließ. Es lief immer auf einen
Machtkampf mit den Priestern hinaus, und die Seite, die nachgeben
musste, grollte der anderen anhaltend.
Also
formulierten die Hohepriester die Anklage politisch um und
berichteten dem Statthalter, Jesus beanspruche den Titel „König
der Juden“. Dieser Anspruch allerdings war politischer Hochverrat,
weil der Königstitel nur vom römischen Kaiser vergeben werden
durfte. Augustus hatte ihn selbst den Söhnen des Herodes des Großen
verweigert. Aber Jesus hatte immer betont, dass sein Reich nicht
von dieser Welt sei. Und das glaubte ihm der Präfekten auch.
Im
Falle Jesu suchte nun Pilatus verzweifelt einen Ausweg, weil er dem
Sanhedrin keinen „Gefallen“ tun wollte. Als erstes bezog er den
Tetrarchen Herodes Antipas, den Landesherrn von Galiläa, der Heimat
Jesu, mit ein, der sich für nicht zuständig erklärte, weil die
Verhaftung in der römischen Provinz stattgefunden hatte. Als dieser
Plan nicht klappte, erinnerte sich Pontius Pilatus an den Brauch,
anlässlich des Festes einen Gefangenen frei zu lassen. Das Volk
durfte zwischen zwei Angeklagten wählen, und der Präfekt rechnete
scheinbar damit, dass die Menge den populären Rabbi frei haben
wollte. Aber die Stimmung im Volke hatte sich schon gegen Jesus
gewandt, die Menschen konnten in dem beklagenswerten Gefangenen nicht
mehr den ersehnten Erlöser sehen. In ihrer Enttäuschung schrien sie
nach dem zweiten Deliquenten Barabbas.
So gab
der mächtige Statthalter letztendlich dem Druck der Priester nach,
als sie ihm drohten, sich über ihn in Rom beim Herrscher zu
beklagen. „Wenn du ihn frei lässt, bist du
kein Freund des Kaisers!“ (Joh 19,12)
Pilatus sah seine Karriere bedroht und unterschrieb das Todesurteil
gegen Jesus.
Aber
er wollte mit einer symbolischen Geste seine Autorität retten,
nachdem er eingeknickt war und „nahm Wasser
und wuscht sich die Hände vor dem Volk und sprach: Ich bin
unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!“ (Matth
27,24)
Und
noch einmal zeigte Pilatus, dass er Jesus für unschuldig hielt, als
er Josef von Arimathäa, einem Jünger Jesu, die Erlaubnis erteilte,
den Leichnam des Hingerichteten zu begraben. Das römische Recht
verbot es, den Leichnam eines wegen Hochverrats Hingerichteten den
Angehörigen zu übergeben. Aber Pilatus setzte sich darüber hinweg.
Über
dem Kopf eines Gekreuzigten wurde eine Tafel angebracht, auf dem das
begangene Verbrechen stand. Pilatus ließ bei Jesus die berühmten
Buchstaben INRI schreiben, d.h.: „Jesus von Nazareth, König der
Juden“. Die Priester waren damit nicht einverstanden und
verlangten, dass er den Text ändere. Er sollte lauten: „dass
er gesagt hat: Ich bin der König der Juden“ (Joh
19,21) Sie wollten es deutlich haben, dass Jesus als
falscher Messias hingerichtet wurde, und alle Juden sollten dies auch
wissen. Aber der Statthalter antwortete nur: „Was
ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.“ (Joh
19,22)
Der
Hinrichtungshügel, Golgatha, lag vor der Stadt, die Längsbalken für
die Kreuze waren bereits in die Erde gerammt und wurden mehrfach
verwendet.
Der
Deliquent wurde über die Hauptstraße der Stadt geführt und musste
den Querbalken zur Hinrichtungsstätte tragen. Dort wurden seine
Hände mit Stricken oder Nägeln (an den Handgelenken und Fersen)
befestigt und dann der Querbalken mit dem Verurteilten am Längsbalken
hochgezogen und festgemacht. Der Verurteile hing nackt, nur mit einem
Lendenschurz bekleidet, am Kreuz in der prallen Sonne. Muskelkrämpfe
durch die stundenlange Unbeweglichkeit, brennende Schmerzen wegen der
offenen Wunden und Durst wegen der Hitze machten die letzten
Lebensstunden zur unerträglichen Qual.
Der
hohe Blutverlust durch die Geißelungen schwächte den Körper und
führte zu einem schnelleren Tod am Kreuz. Die offenen Wunden durch
die Auspeitschungen lockten aber auch Schwärme von Insekten an.
Der
Verurteilte hing mit seinem ganzen Körpergewicht an den Armen. Die
Brust des Todeskandidaten wurde zusammengepresst, der Kopf kippte
irgendwann nach vorne und drückte auf die Luftröhre. Der Tod trat
durch Ersticken oder Erschöpfung und Kreislaufkollaps ein.
Die
Rechnung der Hohepriester und Geistlichen ging auf. Der schmähliche
Tod von Jesus war für seine Anhänger eine menschliche Katastrophe,
und seine Jünger zerstreuten und versteckten sich in tiefer Trauer.
Die
Jesusbewegung schien tatsächlich gescheitert.
sehr schön geschrieben, und toll wie die zitate eingebracht wurden! jesus' kreuzigung ist sehr traurig, auch wenn sie eine schwerwiegende aussage enthält!
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