Sonntag, 16. Juli 2017


Die Frau aus Syrophönizien
(Markus 7,24-30)

Jesus brauchte wieder eine Auszeit. Die großen Menschenmengen, die kritischen Pharisäer und Schriftgelehrten sowie seine unverständigen Jünger hatten seine Kräfte aufgezehrt. Jesus sehnte sich nach einer Pause und verließ den See Genezareth, um zur Ruhe zu kommen. Er ging in eine Gegend, von der er annahm, dass er dort unerkannt bleiben würde. Jesus zog sich in die südlichste phönizische Stadt zurück und nahm Quartier in einem Haus: „Und Jesus stand auf und ging von dort in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte es niemanden wissen lassen.“ (Markus 7,24) Jesus hatte berechtigte Hoffnung, dass ihn in dieser Stadt, die nicht mehr jüdisches Siedlungsgebiet war, niemand kannte.

In alttestamentlicher Zeit trennte zwar eine Staatsgrenze Israel von den phönizischen Stadtstaaten (Byblos, Sidon, Tyros), aber die Königreiche waren durch enge wirtschaftliche Beziehungen verbunden. Vor allem die phönizischen Zedern, die bis zu 40 m hoch und 4 m dick wuchsen, waren ein gutes Geschäft als Bauholz im waldarmen Nahen Osten. Schon König David stand auf der Kundenliste: „Und Hiram, der König von Tyrus, sandte Boten zu David mit Zedernholz, dazu Zimmerleute und Steinmetzen, dass sie David ein Haus bauten.“ (2 Sam 5,11) Davids Sohn und Nachfolger Salomo löste einen Bauboom aus und benötigte dafür besonders viel Holz.
In einem Brief an Hiram von Tyros wegen des Tempelbaus schrieb Salomo: „So befiehl nun, dass man mir Zedern im Libanon fällt, und meine Leute sollen mit deinen Leuten sein. Und den Lohn deiner Leute will ich dir geben, alles, wie du es sagst. Denn du weißt, dass bei uns niemand ist, der Holz zu hauen versteht wie die Sidonier.“ (1 Könige 5,20) Phönizier bauten also mit am jüdischen Tempel und auch noch am prunkvollen Palast des Königs in Jerusalem. Salomo bezahlte dafür in Naturalien, indem er 20 galiläische Dörfer an Hiram abtrat.

Aber zur Zeit Jesu gehörte der gesamte Orient zum Römischen Reich und eine Grenze existierte nicht mehr. Deshalb konnte Jesus zwar einfach Galiläa verlassen und nach Tyrus gehen, aber für alle anderen Bewohner dieser Gebiete galt das auch. Und so tauschten sich die Leute über die neuesten Ereignisse aus. Die Nachricht vom Wanderprediger aus Nazareth, der unheilbar Kranke gesund machen konnte, war auch nach Tyrus gelangt. Die Bewohner, die verschiedenen Völkern (Phönizier, Griechen, Römer) angehörten, aber gemeinsam hatten, dass sie viele Götter anbeteten, redeten über den jüdischen Rabbi. Und bei einigen hatte das zur Folge, dass sie sich auch für die religiöse Mission des Mannnes aus Galiläa interessierten und begannen, an ihn als Sohn des einen Gottes zu glauben.

In diese Situation kam Jesus mit seinem Wunsch nach Ruhe, der sich nun nicht erfüllte. Denn es kam zu einer Begegnung mit einer heidnischen Mutter, die ihn um Hilfe bat und sich nicht abweisen ließ: „Alsbald hörte eine Frau von ihm, deren Töchterlein einen unreinen Geist hatte. Und sie kam und fiel nieder zu seinen Füßen.“ (Markus 7,25) Die Mutter war Griechin und flehte Jesus an, er möge ihr besessenes Kind heilen.

Jesus reagierte unwillig und deutete darauf hin, dass seine Mission auf Israel beschränkt sei, denn dem Volk Gottes allein galt die Messiasweissagung der alten Propheten „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen.“ (Jesaja 11,1)

Aber die Frau ließ nicht locker. Sie war überzeugt, dass Jesus auch für Nicht-Juden der Heilsbringer ist. Sie bestand darauf, dass auch die Menschen anderer Religionszugehörigkeiten Anhänger Jesu sein können - so wie sie, die seiner Predigt vom Reich Gottes Glauben geschenkt und sich seiner Lehre zugewandt hat. Dieses Argument überzeugte Jesus, er gab nach: „Um dieses Wortes willen geh hin, der böse Geist ist von deiner Tochter ausgefahren.“(Markus 7,29)

Diese Begebenheit, die der Evangelist Markus schildert, greift der Entwicklung des Christentums vor. Jesus wird nach einigen Tagen der Erholung nach Galiläa zurückkehren und seine Mission in Israel fortsetzen. Nach Pfingsten werden auch die Apostel zuerst versuchen, in Palästina unter ihren jüdischen Mitmenschen zu missionieren und sie für die Taufe zu gewinnen. Erst als sich die Israeliten mehrheitlich der neuen Lehre verweigerten, wandten sich die christlichen Missionare den Menschen außerhalb ihrer Heimat zu. Dort war der Bedarf am Evangelium groß, weil der Glaube an die vielen polytheistischen Religionen Risse bekommen hatte. Immer mehr „Heiden“ ließen sich taufen, weil sie in Jesus Christus jene Geborgenheit und Liebe fanden, die ihnen ihre angestammten Religionen nicht mehr bieten konnten. Und obwohl in den ersten drei Jahrhunderten tiefgläubige Kaiser des alten römischen Glaubens versuchten, das Christentum auszurotten, antworteten ihnen ihre Völker mit einem unerschrockenen Bekenntnis zu Jesus Christus. Und schließlich begriffen auch die Herrscher, dass sie ihre Untertanen nicht zu einer bestimmten Religion zwingen konnten. 
Und das können sie auch heute nicht.


1 Kommentar:

  1. sehr schön, wie Jesus auch für andere da ist :) ein sehr interessanter beitrag!

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