Das Gleichnis von den ungleichen Söhnen
Ein Mann besaß einen Weinberg und arbeitete fleißig, um eine gute Ernte zu erwirtschaften. Als ihm die Anstrengung zu groß wurde, sprach er zum ersten seiner beiden Söhne: „Geh hin und arbeite heute im Weinberg.“ (Matthäus 21,28b) Der Sohn hatte aber keine Lust sich abzuschuften, und er lehnte ab. Der Vater bestand nicht darauf und ging enttäuscht weg. Daraufhin tat dem jungen Mann sein Nein leid, und er bereute seine schroffe Ablehnung. Also änderte er seine Pläne, ging in den Weinberg und arbeitete schwer, um seine unfreundliche Antwort vergessen zu machen.
Davon wusste der Vater nichts. Er versuchte deshalb sein Glück bei seinem zweiten Sohn. Dieser sagte sofort seine Hilfe zu – aber dann hatte er doch keine Lust zum Arbeiten und ging nicht in den Weinberg, sondern machte es sich weiter Zuhause bequem.
Jesus erzählte das Gleichnis von den ungleichen Söhnen den Hohepriestern und Ältesten, die zu ihm getreten waren, als er im Tempel lehrte. Nun wollte er von den Geistlichen wissen: „Wer von den beiden hat des Vaters Willen getan?“ (Matthäus 21,31a) Ohne lange mit der Antwort zu zögern, bezeichneten sie den ersten Sohn als den gehorsamen.
Was Jesus ihnen daraufhin als tieferen Sinn des Gleichnisses erklärte, verstörte sie: „Wahrlich, ich sage euch: Die Zöllner und Huren kommen eher ins Reich Gottes als ihr. Denn Johannes kam zu euch und lehrte euch den rechten Weg, und ihr glaubtet ihm nicht; aber die Zöllner und Huren glaubten ihm. Und obwohl ihr es gesehen habt, tatet ihr dennoch nicht Buße, so dass ihr ihm dann auch geglaubt hättet.“ (Matthäus 21,31b.32) Stellvertretend für alle Sünder nannte Jesus jene Personengruppen, die zu den am meisten Verachteten im Volk zählten. Sie galten nicht als fromm - die einen wegen ihres betrügerischen, die anderen wegen ihres unsittlichen Lebenswandels. Vor allem die bei den Gläubigen hochangesehenen Priester und Pharisäer konnten sich nicht vorstellen, dass solche Verworfenen auch Gnade vor Gott finden könnten.
Und tatsächlich hatte Johannes der Täufer niemanden ausgeschlossen, als er die Sünder zur Umkehr aufrief und sie aufforderte, ein neues Leben nach dem Willen Gottes zu beginnen: „Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße!“ (Matthäus 3,8) Jeder Mensch hat das Recht, Entscheidungen zu überdenken und sein Verhalten zu ändern. Dafür steht der erste Sohn. Er symbolisiert die reuigen Sünder. Und das können laut Jesus auch Geistliche sein, sie sind nicht gegen sündhaftes Verhalten gefeit (auch wenn sie davon überzeugt sind).
Wofür steht der zweite Sohn? Er symbolisiert diejenigen Christen, die schon getauft sind. Sie haben mit diesem Schritt ihre Bereitschaft bekundet, den Willen Gottes zu tun. Doch sie laufen wie die Hohepriester und Pharisäer Gefahr, sich in ihrer Frömmigkeit zu sicher zu fühlen. Wozu sollen sie das eigene Verhalten überdenken und nötigenfalls Buße tun? Sie stünden als Kirchenmitglieder doch schon auf der richtigen Seite, sie bedürfen also keiner Umkehr mehr.
Aber rechtschaffene Früchte der Buße, wie sie der Täufer verlangt, sehen anders aus! Sie sind kein Produkt religiösen Hochmuts! Gottes Willen zu gehorchen, bedeutet, sich ihm in Demut zu beugen – auch wenn man eigene Wünsche hat und diese zurückstellen muss. In dem Gleichnis, das Jesus erzählte, standen die beiden Brüder vor der Entscheidung, die Bitte des Vaters zu erfüllen oder ihre eigene Tagesplanung weiter zu verfolgen. Vor dieser Entscheidung stehen auch Christen immer wieder in ihrem Leben, und nicht jeder Verzicht auf eigene Bedürfnisse fällt leicht.
In der Bergpredigt lässt Jesus keinen Zweifel daran, dass das Vertrauen in Gottes Willen ihren Ausdruck in der christlichen Lebensweise finden muss: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln?“ (Matthäus 7,16) Kann man an Jesus Christus glauben und das Evangelium ignorieren?Die Verfasser biblischer Texte liebten es, sich in Bildern auszudrücken: „Der den Willen Gottes tut, der ist wie ein Baum, gepflanzt an den Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, und seine Blätter welken nicht. Und was er macht, gerät wohl. Aber so sind die Gottlosen nicht, sondern wie Spreu, die der Wind verstreut.“ (Psalm 1,3.4)
So stellt sich für jeden Getauften die Frage: Was für ein Christ will ich sein: ein Baum, der wächst und immer neue Früchte hervorbringt, oder Spreu, die der Wind verweht?
Sehr schön und zum Nachdenken anregend! Das Gleichnis wurde sehr verständlich ausgelegt :)
AntwortenLöschen