Sonntag, 12. November 2017


Christliches Leben im 2. Johannesbrief

Der 2. Johannes ist ein wenig bekannter, sehr kurzer Brief, der im Neuen Testament im Schlussteil zu finden ist. Unwichtig ist er dennoch nicht, und es zahlt sich aus, sich näher mit ihm zu befassen. Denn wir können daraus für unser christliches Leben heute lernen.

Als erstes fällt auf, dass der 2. Johannesbrief an eine Frau gerichtet ist: „Der Älteste an die auserwählte Herrin und ihre Kinder, die ich lieb habe in der Wahrheit, und nicht allein ich, sondern auch alle, die die Wahrheit erkannt haben.“ (Vers 1) Die Anrede ist voller Respekt an eine gleichrangige Person gerichtet, die den Glauben an Jesus Christus mit dem Verfasser teilt. Das ist beachtlich in einer Zeit, in der Frauen in der sozialen Hierarchie kaum höher standen als Sklaven. Ausgenommen von dieser gesellschaftlichen Rechtslosigkeit waren nur einige wenige Herrscherinnen oder königliche Gemahlinnen. Alle anderen Frauen mussten sich den Männern unterordnen.
Mit dieser gesellschaftlichen Norm hat Jesus gebrochen und gelehrt, dass alle Menschen vor Gott gleich viel wert sind. Er stellte ganz offen die Frauen auf dieselbe Stufe wie die Männer, deshalb schlossen sich dem Rabbi aus Nazareth viele Jüngerinnen an. Seinem Beispiel folgte das Urchristentum: im Glauben an den Messias vereint gab es keine Zurücksetzung der Frauen im Gottesdienst und im Gemeindeleben. Diese Diskriminierung breitete sich erst später in der Alten Kirche aus (und hält in einigen Konfessionen bis heute an), als das Christentum zur Staatsreligion aufstieg und die bestehenden sozialen Normen der heidnischen Antike übernahm. Das Patriachat hatte entgegen der Lehre ihres Gründers Jesus Christus die Kirche übernommen.

Dem unbekannten Ältesten, der diesen Brief geschrieben hat, ist ein Aspekt im Leben der Adressatin besonders wichtig: „Ich bin sehr erfreut, dass ich unter deinen Kindern solche gefunden habe, die in der Wahrheit leben, nach dem Gebot, das wir vom Vater empfangen haben.“ (Vers 4) Aus diesem Satz erfahren wir, dass im Haushalt der namenlosen Herrin christliche Erziehung einen hohen Stellenwert hat – aber noch nicht alle Sprösslinge überzeugen konnte. Der Schreiber stellt das ohne negative Bewertung fest und lässt so für uns den Schluss zu, dass es trotzdem in der Familie friedlich zuging und kein Druck zur Taufe ausgeübt wurde.
 
Das klingt doch ganz modern: Überzeugungsarbeit statt Zwang. Nicht immer galt das in der Kirche, obwohl Jesus uns zu dieser Vorgangsweise verpflichtet hat. Die Inquisition mit ihren brennenden Scheiterhaufen und die blutigen Glaubenskriege mit tausenden Todesopfern haben einen düsteren Schatten über die Religion der Gottes- und Nächstenliebe geworfen. 

 
Aber das Christentum hat sich aus dieser engstirnigen Bekenntnistyrannei befreit und zur Toleranz, die uns Jesus vorgelebt hat, zurückgefunden. Die religiöse Überzeugung anderer zu akzeptieren heißt aber nicht, seinen eigenen christlichen Glauben auf die leichte Schulter zu nehmen und sich aus dem Evangelium das heraus zu picken, das einem gerade nützlich ist. Davor warnt Jesus ausdrücklich:Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel!“ (Matthäus 7,21) Versuchungen, einen anderen Weg zu gehen als den mit Jesus, gab es damals wie heute. Die Forderungen, die Jesus an uns stellt, sind oft nur unter Verzicht zu erfüllen. Und so erliegen viele der Verlockung, den eigenen christlichen Glauben gegen einen anderen, der gerade „in“ ist und im Moment mehr Strahlkraft hat, auszutauschen.
 
Diese Gefahr ist vor allem in unseren Tagen, in einer Zeit der multireligiösen Gesellschaft, gegeben, bedrohte aber auch schon damals die christliche Gemeinschaft, als der 2. Johannesbrief geschrieben wurde. Deshalb spricht der Älteste eine deutliche Warnung vor Irrlehrern aus: „Denn viele Verführer sind in die Welt ausgegangen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist. Das ist der Verführer und der Antichrist.“ (Vers 7). Mit den Menschen, die den Glauben daran, dass Jesus Christus in das Fleisch gekommen ist, leugnen, meint der Absender jene, die im Rabbi aus Nazareth nichts weiter sehen als einen unerschrockenen Sozialrebell. Das reicht aber nicht, um Christ zu sein. Das Fundament des rechten christlichen Bekenntnisses ist der Glaube an Jesu Opfertod am Kreuz und seine leibliche Auferstehung von den Toten. Der Älteste bezieht sich auf einen Vers im Prolog des Johannesevangeliums: „Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.“ (Johannes 1,14). Und um seiner Sorge vor falschen Lehren noch mehr Gewicht zu verleihen, wiederholt der Älteste mit eigenen Worten die Warnung Jesu vor einem irregeleiteten Glauben: „Wer nicht bleibt in der Lehre Christi, der hat Gott nicht; wer in der Lehre bleibt, der hat den Vater und den Sohn.“ (Vers 9
 
Wie entscheidend der rechte Glaube für unsere Zukunft als Christ ist, drückt Jesus im Johannesevangelium deutlich aus: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurch gedrungen.“ (Johannes 5,24)

Der Älteste schließt seinen Brief mit einer hoffnungsvollen Ankündigung: „Ich hätte euch viel zu schreiben, aber ich wollte es nicht mit Brief und Tinte tun, sondern ich hoffe, zu euch zu kommen und mündlich mit euch zu reden, damit unsre Freude vollkommen sei!“ (Vers 12) Damit spricht der Verfasser einen wichtigen und auch im medialen Zeitalter unersetzlichen Bestandteil christlichen Lebens an: den persönlichen Kontakt seiner Mitglieder untereinander in einer aktiven Gemeinschaft.

Es galt von Anfang an im Christentum: gemeinsames Beten und Feiern und persönliches Kontakthalten im Alltag, aber auch ein miteinander Kommunizieren mit Briefen und später Schriften und Büchern. Beides ist gleich wichtig für das Funktionieren der christlichen Gemeinschaft. Was wäre aus dem Christentum geworden, wenn Paulus seine Missionsarbeit nicht durch seine Briefe an seine Gemeinden abgesichert hätte? Und so können wir die Worte, die Paulus an die Gemeinde der Philipper schrieb, auch als an uns gerichtet betrachten: „Seid so unter euch gesinnt, wie es auch der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht.“ (Philipper 2,5) Und aufmunternd setzt der Apostel hinzu: „Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich euch: Freuet euch!“ (Philipper 4,4) Und das wollen wir im Glauben an unseren Herrn Jesus Christus auch tun!


1 Kommentar:

  1. Sehr schön geschrieben und äußerst interessant! Es ist immer gut auch zu hören/lesen, wie wir uns im Leben halten sollen, denn in diesem leben wir. Aber es ist auch gut, dass wir wissen, dass es um das Leben danach geht.

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