Zahlen-spiele
Die Astronomen des 16. und 17. Jahrhunderts waren ausnahmslos gläubige Christen und zweifelten nicht an der Wahrheit der Bibel. Aber sie waren auch neugierig und wollten Vorgängen, die sie in der Natur beobachteten, auf den Grund gehen. Ihren Glauben an Gott und die Bibel erschütterten ihre naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die einigen Textstellen in der Bibel widersprachen, nicht. Sie führten aus Überzeugung ein frommes, gottgefälliges Leben, und doch wollten sie von ihren Forschungen über das Universum nicht ablassen.
Deshalb konnte es nicht ausbleiben, dass sie in Konflikt mit einer Kirche gerieten, die auf den wörtlichen Text der Heiligen Schrift bestand. Die Prälaten in Rom verstanden keinen Spaß: wer sich ihrer Bibelauslegung widersetzte, riskierte sein Leben. Kopernikus starb rechtzeitig, bevor er angeklagt werden konnte. Er wusste, in welche Gefahr er sich mit seinem neuen Bild vom Himmel begeben würde und zögerte die Veröffentlichung seiner Schrift hinaus, bis er sich dem Tod nahe fühlte. Der Dominikanermönch Giordano Bruno dagegen starb qualvoll auf dem Scheiterhaufen, weil er auf die Richtigkeit des heliozentrischen Weltbilds bestanden hatte. Dieses Schicksal wollte Galileo Galilei nicht teilen. Er fand, dass es die Dummheit der Inquisitoren nicht wert sei, sich verbrennen zu lassen, und widerrief gegen besseres Wissen. Und Kepler hatte konfessionelles Glück: er war als Lutheraner für Rom nicht greifbar.
Aber warum reagierte die katholische Kirchenleitung mit so einer unnachgiebigen Heftigkeit auf die Erkenntnis, dass sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt?
Die Theologen beriefen sich erst einmal auf Verse im Alten Testament: Über die Sonne schreibt der Psalmist: „Sie geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer und freut sich wie ein Held, zu laufen ihre Bahn. Sie geht auf an einem Ende des Himmels und läuft um bis wieder an sein Ende, und nichts bleibt vor ihrer Glut verborgen. Das Gesetz des Herrn ist vollkommen und erquickt die Seele.“ (Psalm 19,6-8) Die 2. Textstelle findet sich im Buch Josua. Dort ist zu lesen: „Da stand die Sonne still,“ (Josua 10,13a) Das geht natürlich nicht, wenn die Sonne ein Fixstern ist und sich sowieso nicht bewegt.
Aber auch aus einem zweiten Grund erschien der Inquisition das Festhalten am geozentrischen Weltbild existentiell für den christlichen Glauben. Die Theologen waren davon überzeugt, dass das Erlösungswerk Jesu Christi auf der Erde einzigartig ist und ihr deshalb die besondere Stellung als Mittelpunkt des Universums zusteht. Wenn es nun aber stimmte, dass die Erde nur einer unter mehreren Planeten ist, die um die Sonne kreisten, dann konnte man nicht ausschließen, dass es mehrere bewohnte Planeten gab. Lebten dort auch Menschen, die von Jesus erlöst werden mussten?
Solche theologischen Überlegungen beschäftigten die Astronomen der Neuzeit nicht. Sie hatten eine Methode zur Hand, mit der sie die tatsächlichen Gesetzmäßigkeiten der Schöpfung erforschen und nachweisen konnten. Die Grundlage für das neue astronomische Weltbild stellte die Mathematik dar, eine exakte Wissenschaft, die für alle gleiche Regeln hatte und keinen Auslegungsspielraum zuließ.
Die mathematischen Berechnungen lieferten dem neugierigen Forscherdrang der Astronomen die Auflösung der planetarischen Realität. Mit nachprüfbaren Zahlen wiesen sie die Gesetze nach, nach denen die Erde funktioniert. Es stand für sie trotz allem außer Frage, dass die Welt durch den Schöpfungsakt Gottes entstanden ist: „Und Gott sah, dass es gut war“ - und deshalb hält sich Gott an die von ihm geschaffenen Gesetzmäßigkeiten. Und von ihm erschaffene Menschen legten diese Realität jetzt offen.
Nikolaus Kopernikus, Domherr an der Kathedrale zu Frauenburg und damit katholischer Geistlicher, widersprach als erster den astronomischen Berichten der Bibel. Er bezweifelte, dass man den Weltraum mit den Sinnen erforschen könne, weil die Gefahr der Sinnestäuschung zu groß sei und in die Irre führen kann. Aber andere Möglichkeiten standen den Verfassern der biblischen Schriften nicht zur Verfügung.
Die Darstellung der Erschaffung der Welt im 1. Schöpfungsbericht, mit dem das Alte Testament beginnt, gibt uns einen Einblick in die „Forschungsarbeit“ im Altertum. Wir wissen nicht, wer den Text geschrieben hat, aber so viel steht fest: es war ein Intellektueller, wahrscheinlich ein Priester, im 6. Jahrhundert v. Chr. Die Bildungsschicht war damals sehr dünn, die Forschungsmethodik ebenso. Das beeinflusste natürlich die Ergebnisse und Schlussfolgerungen. Zur Verfügung standen lediglich die Augen und der Verstand und für eine kleine Elite die Kunst des Schreibens, um das Beobachtete zu Papyrus zu bringen.
Andere Astronomen folgten seinem Beispiel. Johannes Kepler, der die Thesen des Kopernikus durch eigene Berechnungen bestätigte, war sogar vom Fach: er war von Beruf Mathematiklehrer. Zuerst unterrichtete er an der protestantischen Stiftsschule in Graz von 1594-1600, dann ab 1612 in Linz. Dazwischen übte er jene Tätigkeit aus, die seinen Weltruhm begründen sollte: seit 1600 war er Hofastronom des Kaisers Rudolf II. in Prag (bis zu dessen Tod). In dieser Funktion hatte er genügend Zeit und technische Geräte, um sich seinen astronomischen Berechnungen widmen zu können. Das Ergebnis waren drei Gesetze, die belegen, dass die Umlaufbahnen der Planeten elliptisch sind und Anziehungskräfte der Gestirne zueinander bestehen. Deshalb stand für den frommen Kepler fest: Gott hat die Welt nach mathematischen Gesetzen geschaffen. Planeten beschreiben ihre Bahnen nach genauen Regeln, die sich mathematisch darstellen lassen. Einen Widerspruch zur biblischen Schöpfungsgeschichte konnte er nicht sehen, denn abgesehen von der Darstellung der Abfolge änderte sich nichts an der grundlegenden Aussage, dass Gott die Welt erschaffen hat.
Die
Astronomen der Gegenwart sind bei der Erforschung des Weltalls noch
einen Schritt weiter gekommen. Als Wissensstand unserer Zeit gilt der
Urknall, ein Moment heißer, greller Explosion, in dem sich die
Kräfte der Physik formten. Pure Energie brach in Schockwellen in
alle Richtungen aus mit Überlichtgeschwindigkeit, und daraus entstand unsere Erde.
Die Bibel lehrt uns ewig gültige Wahrheiten, ihre Texte sind aber andererseits von den gesellschaftlichen Normen und dem Bildungsniveau ihrer Entstehungszeit geprägt. Dass Jesus Christus der Erlöser ist und für die Sünden der Menschen am Kreuz gestorben und am dritten Tage von den Toten aufstanden ist, ist ewig gültige Wahrheit und zu allen Zeiten unumstößlich. Aber die Menschen haben im Laufe von Jahrtausenden ihr Wissen vermehrt und fachlich dazu gelernt. So müssen wir die Heilige Schrift von zwei Ebenen aus betrachten: sie lehrt zweifelsohne die göttliche Wahrheit, aber sie wurde von Menschen aus einer bestimmten Epoche niedergeschrieben – von Gott für diese Aufgabe auserwählt, aber nicht einem wörtlichen Diktat unterworfen.
Zahlen sind nicht immer nur Mathematik, sondern können auch auch Gestaltungselemente sein, wie wir sie in der Bibel kennenlernen. In die Texte wurden besondere Ziffern bewusst von Menschen eingebaut, um Gottes Willen deutlich zu machen. Die Zahlensymbolik der Bibel hat mit mathematischen Berechnungen nichts zu tun. Die Bedeutung dieser sogenannten „heiligen Zahlen“ liegt in ihrer Verwendung als Symbol für ein besonderes Wirken Gottes.
Wenn man sich nun Jahreszahlen für besonders bedeutsame, geschichtliche Ereignisse anschaut, gewinnt man den Eindruck, dass Gott auch außerhalb der Bibel auf Symbolik mit Ziffern setzt. Spielt Gott mit Zahlen, um uns zum Nachdenken anzuregen? Sind sie als Symbol für das besondere Wirken Gottes in der von ihm geschaffenen Welt gewollt?
Da wäre einmal die Zahl 54 mit einschneidenden Veränderungen für die Einheit der christlichen Kirche. 1054 kam es zur Kirchenspaltung zwischen Ost und West: die Patriarchen von Rom und Konstantinopel hatten sich gegenseitig verflucht und die Gemeinschaft aufgekündigt. Die Folge war die Trennung in die römisch-lateinische Kirche im Westen und die orthodox-griechische Kirche im Osten. Aber die Einheit der westlichen Kirche sollte keinen Bestand haben. Den Weg für die nächste Kirchenspaltung ebnete Mitte des 15. Jahrhunderts die Erfindung des Buchdrucks. Der Mainzer Gutenberg hatte die Kunst der beweglichen Lettern entwickelt, mit der Bücher und Schriften in kurzer Zeit kostengünstig vervielfacht werden konnten. 1454 brachte er die ersten Druckerzeugnisse, Ablassbriefe, auf den Markt. Gutenbergs Erfindung trug wesentlich zur Ausbreitung der Reformation bei, weil sich viele Leute die Schriften Luthers leisten und sich über seine Lehre informieren konnten.
Die beiden Zahlen 14 und 18 lassen sich in erschreckender Weise mit furchtbarer Gewalt verbinden. Im Jahre 1618 brach der Dreißigjährige Krieg aus und endet erst nach 30 Jahren mit Millionen von Toten. Nicht ganz so lange, aber mit noch mehr Opfern, dauerte der Erste Weltkrieg von 1914-1918. Nun könnte jemand als Gegenbeispiel das „erfreuliche“ Konzil von Konstanz 1414-1418 anführen, das das Große Schisma der römischen Kirche beendete und aus 3 Päpsten wieder 1 machte. Wenn da nicht als eines der Ergebnisse der "Aussöhnung" die Verurteilung des böhmischen Kirchenreformers Jan Hus zum Tod auf dem Scheiterhaufen wäre. Beendet wurde das Konzil zwar 1418, aber zum neuen, einzigen Papst wurde Martin V. schon 1417 gewählt: hundert Jahre bevor Martin Luther 1517 seine 95 Thesen veröffentlichte, fast auf den Tag genau.
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