Sonntag, 5. Februar 2017


Die Begegnung mit Gott 
in der Stille

Wir Menschen sind keine Roboter, die auf Knopfdruck funktionieren. Wir haben gute und schlechte Tage, Zeiten mit sprühendem Elan und solche, in denen wir voller Selbstzweifel alles in Frage stellen. Es ist demnach für unser Wohlergehen wichtig, sich eine Pause zu nehmen, um das eigene Handeln zu überdenken, neue Wege zu überlegen oder sich durch eine stressfreie Phase zu regenerieren. Wer sich nie eine Auszeit gönnt, riskiert durch Erschöpfung innere Leere und Antriebslosigkeit.

Den Wunsch, sich aus dem Trubel des Alltags kurzzeitig zu verabschieden, kennen wir auch von Jesus. Auch er war kein Roboter, der rastlos von einem Ort zum anderen in Galiläa wanderte und ohne Pause predigte, heilte und durch Wunder die Menschenmenge beeindruckte. Es zerrte an seinen Nerven, dass er stets von einer großen Menschenmenge, feindseligen Pharisäern und erwartungsvollen Kranken umgeben war. Immer dann, wenn Jesus sich überfordert fühlte, zog er sich in die Einsamkeit zurück, um durchzuatmen und sich im Gebet neue Kraft zu holen. Danach kehrte er mit neuer Energie zu seiner Aufgabe zurück.

Noch bevor er zum ersten Mal öffentlich auftrat, suchte er die Einsamkeit der judäischen Wüste auf, um sich über seine Mission und ihre Konsequenzen klar zu werden. An diesem Ort der Ruhe stellte er sich seinen Gedanken in aller Offenheit. Die Auswirkungen für sein Leben werden enorm sein: Jesus wird auf eine gesicherte materielle Existenz verzichten müssen. In deutlichen Bildern sieht Jesus seine Zukunft vor sich: Steine statt Brot und Armut statt Schätze - und keinerlei Anspruch auf Bevorzugung von Gott in schwierigen Situationen. Die Versuchung, die Verkündigung bei all diesen Schwierigkeiten bleiben zu lassen, tritt mit großer Macht an Jesus heran. Die Evangelisten Matthäus, Markus und Lukas nennen sie Satan und geben ihr eine Gestalt. Nach seiner Taufe am Jordan „wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde.“ (Matthäus 4,1) Sie knüpfen damit an eine Vorstellung in der Antike an, dass die lebensfeindliche Wüste von verschiedenen Dämonen bevölkert sei.

Auf seinen Wanderungen durch Galiläa, hauptsächlich um den See Genezareth herum, brauchte Jesus keine Auszeit, um sich über seine Aufgabe klar zu werden. Die war gestellt, und er erfüllte sie. Aber die körperlichen Entbehrungen, der hohe Erwartungsdruck der Menschen und die bedrohlichen Anfeindungen durch geistliche und politische Machthaber führten auch beim Messias zu Erschöpfungszuständen. Und immer wenn Jesus fühlte, dass er eine Pause brauchte, zog er sich von Anhängern und Jüngern zurück: „Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein.“ (Matthäus 14,22.23) Ein anderes Mal verließ Jesus sogar Galiläa und „ging von dort in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte es niemandem wissen lassen.“ (Markus 7,24)

Am Ende seiner Mission, kurz vor seiner Verhaftung in Gethsemane, wird sich Jesus noch einmal in die Einsamkeit zurückziehen, um über seine Mission nachzudenken. Er suchte Gewissheit, ob er wirklich den Leidensweg ans Kreuz gehen will. Noch war es Zeit sich zu retten. Die Soldaten des Hohepriesters kannten ihn nicht, und bei der großen Menge an Pilgern anlässlich des Passafestes hätte Jesus unauffällig Jerusalem verlassen und nach Galiläa zurückkehren können. 

Jesus hatte sich mit seinen Jüngern nach dem Abschiedsmahl in den Garten Gethsemane zurückgezogen und erwartete seine Verhaftung. In dieser Situation packte ihn Todesangst und führte ihn in Versuchung, seine Mission aufzugeben und zu fliehen. Hier in Jerusalem wurde nicht mehr seine materielle Sicherheit von ihm gefordert, sondern seine physische Existenz, sein Leben. Jesus machte seinen Jüngern gegenüber kein Geheimnis aus seiner furchtbaren Angst: „Meine Seele ist betrübt bis an den Tod.“ (Matthäus 26,38) Dann ließ er sie zurück, und - allein geblieben - wandte Jesus sich direkt an Gott um Hilfe in der Hoffnung auf einen unblutigen Ausweg: „Und er ging ein wenig weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus 26,39) Noch weitere zwei Mal wird Jesus, von Todesangst überwältigt, zurückgehen und um Rettung vor der Hinrichtung beten. Dann aber hat er im Gebet die Kraft gefunden, seine Mission durch seinen Opfertod am Kreuz zu Ende zu bringen und zu erfüllen. „Es ist vollbracht!“ (Johannes 19,30) sprach Jesus sterbend mit einer gewissen Erleichterung, weil er seiner Angst nicht nachgegeben, sondern auf Gottes Heilsplan vertraut hat. Am Ostermorgen wird Jesus durch seine Auferstehung triumphieren und den Menschen den Weg zur ewigen Erlösung ebnen: „So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“ (Lukas 24,46.47) Hätte Jesus sich in Gethsemane von seiner Todesangst niederringen lassen und wäre still und heimlich nach Galiläa zurückgekehrt, um dort ein langes Leben als einfacher Handwerker zu führen, würde es keine christliche Kirche geben und keine Hoffnung auf das Eingehen in das Reich Gottes nach dem Tod.

Jesus hat uns gezeigt, wie wir aus dem Alltagstrubel, den vielfältigen Belastungen des Lebens und den Selbstzweifeln herausfinden können: indem wir uns zurückziehen und Zwiesprache mit Gott halten. Es war nicht die Stille an sich, die Jesus in der Einsamkeit umgab, die ihn stärkte, sondern das Gebet. Er wandte sich an Gott mit seinen Anliegen und Nöten und vertraute darauf, dass ihn die höchste Instanz, die wir in der Welt haben, erhört: nicht, um ihm den leichten Weg zu ermöglichen, sondern um ihm die Kraft zu geben, den Weg mit Gott zu gehen. „Nach dir, Herr, verlanget mich. Mein Gott, ich hoffe auf dich!“ betet ein Unbekannter in Psalm 25: „Herr, zeige mir deine Wege und lehre mich deine Steige! Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich! Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre ich auf dich!“ (Psalm 25, 1.2a;4.5)

Es sind weder Wüste noch sakraler Raum als Voraussetzung nötig, wenn man sich ungestört Gott im Gebet zuwenden will. Auch Jesus hat immer wieder andere Plätze gewählt und damit gezeigt, dass jeder Ort dafür geeignet ist, mit Gott Zwiesprache zu halten und im Gebet Stärke und Antworten zu finden. 

Es kommt nur auf die Demut und Aufrichtigkeit des Beters an: „Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.“ (Matthäus 6,6) Zu einem Vater im Himmel, der dich nie zurückweist, weil seine Liebe niemals aufhört.

1 Kommentar:

  1. der beitrag gefällt mir sehr gut, denn er zeigt, dass auch Jesus Ruhe brauchte, sowie wir auch. Oft neigen woir dazu, uns zu überfordern und die Ziele zu hoch zu stellen. Aber wenn auch Jesus eine Pause machen konnte, so können wir das auch :)

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