in der Stille
Wir
Menschen sind keine Roboter, die auf Knopfdruck funktionieren. Wir
haben gute und schlechte Tage, Zeiten mit sprühendem Elan und
solche, in denen wir voller Selbstzweifel alles in Frage stellen. Es
ist demnach für unser Wohlergehen wichtig, sich eine Pause zu
nehmen, um das eigene Handeln zu überdenken, neue Wege zu überlegen
oder sich durch eine stressfreie Phase zu regenerieren. Wer sich nie
eine Auszeit gönnt, riskiert durch Erschöpfung innere Leere und
Antriebslosigkeit.
Den
Wunsch, sich aus dem Trubel des Alltags kurzzeitig zu verabschieden,
kennen wir auch von Jesus. Auch er war kein Roboter, der rastlos von
einem Ort zum anderen in Galiläa wanderte und ohne Pause predigte,
heilte und durch Wunder die Menschenmenge beeindruckte. Es zerrte an
seinen Nerven, dass er stets von einer großen Menschenmenge,
feindseligen Pharisäern und erwartungsvollen Kranken umgeben war.
Immer dann, wenn Jesus sich überfordert fühlte, zog er sich in die
Einsamkeit zurück, um durchzuatmen und sich im Gebet neue Kraft zu
holen. Danach kehrte er mit neuer Energie zu seiner Aufgabe zurück.
Noch
bevor er zum ersten Mal öffentlich auftrat, suchte er die Einsamkeit
der judäischen Wüste auf, um sich über seine Mission und ihre
Konsequenzen klar zu werden. An
diesem Ort der Ruhe stellte er sich seinen Gedanken in aller
Offenheit. Die Auswirkungen für sein Leben werden enorm sein: Jesus
wird auf eine gesicherte materielle Existenz verzichten müssen. In
deutlichen Bildern sieht Jesus seine Zukunft vor sich: Steine statt
Brot und Armut statt Schätze - und keinerlei Anspruch auf
Bevorzugung von Gott in schwierigen Situationen. Die Versuchung, die
Verkündigung bei all diesen Schwierigkeiten bleiben zu lassen, tritt
mit großer Macht an Jesus heran. Die Evangelisten Matthäus, Markus
und Lukas nennen sie Satan und geben ihr eine Gestalt. Nach seiner
Taufe am Jordan „wurde
Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel
versucht würde.“
(Matthäus
4,1) Sie knüpfen
damit an eine Vorstellung in der Antike an, dass die lebensfeindliche
Wüste von verschiedenen Dämonen bevölkert sei.
Auf
seinen Wanderungen durch Galiläa, hauptsächlich um den See
Genezareth herum, brauchte Jesus keine Auszeit, um sich über seine
Aufgabe klar zu werden. Die war gestellt, und er erfüllte sie. Aber
die körperlichen Entbehrungen, der hohe Erwartungsdruck der Menschen
und die bedrohlichen Anfeindungen durch geistliche und politische
Machthaber führten auch beim Messias zu Erschöpfungszuständen. Und
immer wenn Jesus fühlte, dass er eine Pause brauchte, zog er sich
von Anhängern und Jüngern zurück: „Und
alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm
hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk
hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und
am Abend war er dort allein.“
(Matthäus
14,22.23) Ein
anderes Mal verließ Jesus sogar Galiläa und „ging
von dort in das Gebiet von Tyrus. Und er ging in ein Haus und wollte
es niemandem wissen lassen.“
(Markus
7,24)
Am
Ende seiner Mission, kurz vor seiner Verhaftung in Gethsemane, wird
sich Jesus noch einmal in die Einsamkeit zurückziehen, um über
seine Mission nachzudenken. Er suchte Gewissheit, ob er wirklich den
Leidensweg ans Kreuz gehen will. Noch war es Zeit sich zu retten. Die
Soldaten des Hohepriesters kannten ihn nicht, und bei der großen
Menge an Pilgern anlässlich des Passafestes hätte Jesus unauffällig
Jerusalem verlassen und nach Galiläa zurückkehren können.
Jesus
hatte sich mit seinen Jüngern nach dem Abschiedsmahl in den Garten
Gethsemane zurückgezogen und erwartete seine Verhaftung. In dieser
Situation packte ihn Todesangst und führte ihn in Versuchung, seine
Mission aufzugeben und zu fliehen. Hier in Jerusalem wurde nicht mehr
seine materielle Sicherheit von ihm gefordert, sondern seine
physische Existenz, sein Leben. Jesus machte seinen Jüngern
gegenüber kein Geheimnis aus seiner furchtbaren Angst: „Meine
Seele ist betrübt bis an den Tod.“ (Matthäus
26,38) Dann ließ er sie zurück, und - allein geblieben -
wandte Jesus sich direkt an Gott um Hilfe in der Hoffnung auf einen
unblutigen Ausweg: „Und er ging ein wenig
weiter, fiel nieder auf sein Angesicht und betete und sprach: Mein
Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch
nicht wie ich will, sondern wie du willst!“ (Matthäus
26,39) Noch weitere zwei Mal wird Jesus, von Todesangst
überwältigt, zurückgehen und um Rettung vor der Hinrichtung beten. Dann aber hat er im Gebet die Kraft gefunden, seine Mission
durch seinen Opfertod am Kreuz zu Ende zu bringen und zu erfüllen.
„Es ist vollbracht!“ (Johannes
19,30) sprach Jesus sterbend mit einer gewissen Erleichterung,
weil er seiner Angst nicht nachgegeben, sondern auf Gottes Heilsplan
vertraut hat. Am Ostermorgen wird Jesus durch seine Auferstehung
triumphieren und den Menschen den Weg zur ewigen Erlösung ebnen: „So
steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von
den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen
Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern.“
(Lukas 24,46.47) Hätte
Jesus sich in Gethsemane von seiner Todesangst niederringen lassen
und wäre still und heimlich nach Galiläa zurückgekehrt, um dort
ein langes Leben als einfacher Handwerker zu führen, würde es
keine christliche Kirche geben und keine Hoffnung auf
das Eingehen in das Reich Gottes nach dem Tod.
Jesus
hat uns gezeigt, wie wir aus dem Alltagstrubel, den vielfältigen
Belastungen des Lebens und den Selbstzweifeln herausfinden können:
indem wir uns zurückziehen und Zwiesprache mit Gott halten. Es war
nicht die Stille an sich, die Jesus in der Einsamkeit umgab, die ihn
stärkte, sondern das Gebet. Er wandte sich an Gott mit seinen
Anliegen und Nöten und vertraute darauf, dass ihn die höchste
Instanz, die wir in der Welt haben, erhört: nicht, um ihm den
leichten Weg zu ermöglichen, sondern um ihm die Kraft zu geben, den
Weg mit Gott zu gehen. „Nach dir, Herr,
verlanget mich. Mein Gott, ich hoffe auf dich!“ betet ein
Unbekannter in Psalm 25: „Herr, zeige mir
deine Wege und lehre mich deine Steige! Leite mich in deiner Wahrheit
und lehre mich! Denn du bist der Gott, der mir hilft; täglich harre
ich auf dich!“ (Psalm
25, 1.2a;4.5)
Es
sind weder Wüste noch sakraler Raum als Voraussetzung nötig, wenn
man sich ungestört Gott im Gebet zuwenden will. Auch Jesus hat immer
wieder andere Plätze gewählt und damit gezeigt, dass jeder Ort
dafür geeignet ist, mit Gott Zwiesprache zu halten und im Gebet
Stärke und Antworten zu finden.
Es kommt nur auf die Demut und
Aufrichtigkeit des Beters an: „Wenn du aber
betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete
zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.“ (Matthäus
6,6) Zu einem Vater im Himmel, der dich nie zurückweist,
weil seine Liebe niemals aufhört.
der beitrag gefällt mir sehr gut, denn er zeigt, dass auch Jesus Ruhe brauchte, sowie wir auch. Oft neigen woir dazu, uns zu überfordern und die Ziele zu hoch zu stellen. Aber wenn auch Jesus eine Pause machen konnte, so können wir das auch :)
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