Jesus
als Wunderheiler
Die
Wundergeschichten der Evangelien bilden einen wesentlichen Teil der
Berichte über Jesus von Nazareth und kommen sehr häufig vor. Es
wird teils von Wundern erzählt, die an Jesus selbst geschehen sind
(Geburt und Auferstehung), teils von Wundern, die er auf seinen
Wanderungen vollbrachte.
Nachdem
Jesus seinen Heimatort Nazareth verlassen hatte, trat er öffentlich
auf: „Und
Jesus zog umher in ganz Galiläa, lehrte in ihren Synagogen und
predigte das Evangelium von dem Reich und heilte alle Krankheiten und
alle Gebrechen im Volk.“
(Matthäus
4,23)
Jesus suchte den Kontakt zu den Benachteiligten der Gesellschaft und
sprach ihnen Trost und die Hoffnung zu, dass Gott sie nicht vergessen
hat. Diese Liebe und Zuwendung Gottes unterstrich er durch
Wundertätigkeiten.
Die
Wunder, die Jesus im Namen Gottes vollbrachte, weisen ihn als den
prophezeiten Messias aus. Sie haben Symbolcharakter, weil sie zeigen,
wer Jesus tatsächlich ist, nämlich der Sohn Gottes und nicht nur
ein engagierter Sozialreformer. Die Wundertaten betonen auch die
Wichtigkeit des Glaubens, der Voraussetzung und Folge des Wunders
ist: „Da
wandte sich Jesus um und sprach: Sei getrost, meine Tochter, dein
Glaube hat dir geholfen! Und die Frau wurde gesund zu derselben
Stunde.“
(Matthäus
9,22)
Und die, die er geheilt hatte, wurden zu seinen Anhängern.
Dem
Rabbi aus Nazareth ging es nicht darum, seine Zuhörer mit
„zauberischem Können“ zu beeindrucken oder die menschliche
Sensationslust zu befriedigen. Solche Schauwunder lehnte er als
Satanswerk ab, wie wir in der Versuchungsgeschichte (Matthäus
4,1-11; Lukas 4,1-13) nachlesen können: „Du
sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen!“
(Matthäus
4,7; Lukas 4,12)
Jesu
Wunder sind ausschließlich helfende Wunder - Teil der Zuwendung Jesu
zum Menschen und Zeichen des Eingreifens Gottes in die Welt. Sie
haben denselben tieferen Sinn wie seine Predigten: sie sollen den
Menschen die uneingeschränkte Liebe Gottes vor Augen führen und auf
das Reich Gottes hinweisen. In seinen Wundertaten führte Jesus vor,
wie es den Menschen ergehen wird, die ins Paradies eingehen werden:
kein Leid, keine Diskriminierung, keine Krankheiten, keine
Naturkatastrophen, kein Tod.
Jesu
Wunder stellen das Heilen einer „defekten Situation“ dar. In den
meisten Fällen ist der Hilfsbedürftige ein leidender Mensch mit
einer Krankheit, die zur damaligen Zeit ohne Chance auf Heilung war:
„Es
war aber dort ein Mensch, der lag 38 Jahre krank. Als Jesus den
liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht
er zu ihm: Willst du gesund werden?“
(Johannes
5,5.6)
Die
Medizin war weit vom heutigen Wissensstand entfernt, und für viele
Erkrankungen fand man keine andere Erklärung als die Bestrafung
Gottes oder teuflische Besessenheit. Deshalb beschrieben die
Evangelisten die Dämonenaustreibungen durch Jesus auch im Kontext
der Zeit als Sieg über die bösen Mächte. Sie wussten noch nichts
von angeborenen Behinderungen und Geisteskrankheiten. Heute verstehen
wir diese Heilungen anders: Jesus hat durch seine liebevolle
Zuwendung zu behinderten Menschen, mit denen sonst keiner etwas zu
tun haben wollte, eine beruhigende Wirkung auf diese ausgeübt und
ihnen ihre Gleichwertigkeit als Geschöpfe Gottes bewiesen. Das gab
ihnen ihren Platz in der Gesellschaft zurück: „Und
Jesus trieb einen bösen Geist aus, der war stumm. Und es geschah,
als der Geist ausfuhr, da redete der Stumme.“
(Lukas
11,14)
Auch
führte Jesus anhand von drei Menschenschicksalen vor Augen, dass er im Namen Gottes Herr über den
Tod ist (Tochter des Jairus: Matthäus
9,18-26; Jüngling zu Nain: Lukas 7,11-17; Lazarus: Johannes
11,1-44). Es war eine Demonstration gegen die strengen kultischen
Reinheitsvorschriften, die im jüdischen Glauben einen so
überragenden Raum einnahmen, dass sie von den Pharisäern über die
Mitmenschlichkeit gestellt wurden. Das prangerte Jesus in seinem
Gleichnis vom barmherzigen Samariter an, als der Priester und der
Levit dem Schwerverletzten nicht helfen wollten, weil sie ihn schon
für tot oder sterbend hielten und sich nicht kultisch verunreinigen
wollten.
Nach
dem Gesetz Mose macht das Berühren einer Leiche kultisch unrein und
erlaubt die Teilnahme an Gottesdiensten und Opferungen erst wieder
nach zahlreichen vorgeschriebenen Reinigungsbädern. Jesus hat diese
strengen Reinheitsgebote nicht eingehalten, als er die drei Toten,
die nicht einmal seine nächsten Anverwandten waren, vorsätzlich
angefasst und auferweckt hat: „Und
Jesus trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben
stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der
Tote richtete sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner
Mutter.“
(Lukas
7,14.15)
Von anschließenden Reinigungsriten, die Jesus an sich durchführte,
ist nichts bekannt.
Jesus
hat sich nicht allein darauf beschränkt, Menschen zu helfen, die
aufgrund von körperlichen Problemen und ihren Folgen nur noch auf
ihn hoffen konnten. Er griff auch ein, wenn Naturgewalten das Leben
der Leute akut bedrohten. Als er beispielsweise mit seinen Jüngern
über den See Genezareth fuhr, „erhob
sich ein großer Windwirbel, und die Wellen schlugen in das Boot, so
dass das Boot schon voll wurde.“
(Markus
4,37)
Die Jünger kamen in Panik und hatten Todesangst, aber Jesus schlief
ruhig auf einem Kissen. In großer Furcht weckten ihn die Jünger:
„Meister,
fragst du nichts danach, dass wir umkommen? Und Jesus stand auf und
bedrohte den Wind und sprach zu dem See: Schweig und verstumme! Und
der Wind legte sich und es entstand eine große Stille.“
(Markus
4,38.39)
Ob
wir in Zeiten des durch die Menschen verschuldeten Klimawandels und
der dramatischen Erderwärmung auch auf ein Wunder
Jesu hoffen dürfen? Es scheint mir, als ob die verantwortlichen Politiker dies erwarten. Denn anders kann ich mir nicht erklären,
warum sie keine wirkungsvollen Gegenmaßnahmen treffen. Oder gehen
sie etwa davon aus, dass Naturkatastrophen und Hungersnöte ihnen als
„Elite“ nichts anhaben können?
sehr schön geschrieben und sehr interessant!
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