Samstag, 30. Januar 2021

 

Jesus in Kapernaum

Jesus war in Nazareth Zuhause. Er wuchs als ältester Sohn eines Zimmermannes in einer kinderreichen Familie auf. Seine vier Brüder werden namentlich genannt: Jakobus, Josef, Simon und Judas (Matthäus 13,55; Markus 6,3) Von mehreren Schwestern kennen wir weder Anzahl noch Namen.


Wir wissen nicht, wie Jesus seine Kindheit und Jugend verbracht hat. Man liegt wohl nicht falsch, wenn man annimmt, dass er als Ältester dem Brauch der Zeit entsprechend den Beruf des Vaters erlernt hat. Jesus konnte lesen und schreiben, denn als man ihm Jahre später in einer Synagoge das Buch des Propheten Jesaja reichte, konnte er daraus vorlesen. Jesus hatte wohl mit anderen Buben in der Dorfschule Unterricht erhalten. Dass er sich für eine höhere Ausbildung an einem anderen Ort als Nazareth aufgehalten hätte, ist nichts bekannt.

 

Seine Gleichnisse, die hauptsächlich landwirtschaftliche Vergleiche zum Inhalt haben, lassen darauf schließen, dass Jesus mit der bäuerlichen Lebensweise seiner Zeit vertraut war. Das ist nicht verwunderlich, denn 90% der Bevölkerung lebte von Feldanbau und Tierhaltung. Nur eine kleine Oberschicht arbeitete in Bildungsberufen, vor allem in der Verwaltung, an Fürstenhöfen und im geistlichen Dienst.

Eines Tages jedoch ging Jesus aus seinem Heimatdorf weg, verabschiedete sich von Familie und Freundeskreis und brach mit der Tradition, dass der älteste Sohn den Betrieb des Vaters übernahm: „Und Jesus verließ Nazareth, kam und wohnte in Kapernaum, das am See liegt im Gebiet Sebulon und Naphtali.“ (Matthäus 4,13)

Er wandte sich einem Ort zu, der ein wichtiges wirtschaftliches Zentrum in Galiläa war. Der Wohlstand der Kleinstadt wurde einerseits begründet durch die Lage am fischreichen See Genezareth, und andererseits durch die große Karawanenstraße, die in der Nähe vorbei nach Syrien führte. Kapernaum hatte auch eine Synagoge, in der Jesus predigte.

Einmal noch sollte Jesus in sein Heimatdorf zurückkehren. Er war inzwischen als Wanderprediger in Galiläa zu einer Berühmtheit geworden, und die Aufregung über sein Erscheinen war groß. Bekanntlich ging die Sache schief, als sich Jesus in der Synagoge als der verheißene Messias zu erkennen gab: da er unter ihnen aufgewachsen war und sie seine Familie kannten, glaubten sie Jesus seine göttliche Herkunft nicht. Aufgebracht über die „unerhörte“ Anmaßung des Zimmermannsohns wollte ihn ein Mob töten: „Und alle, die in der Synagoge waren, wurden von Zorn erfüllt, als sie das hörten. Und sie standen auf und führten Jesus an den Abhang des Berges, auf dem ihre Stadt gebaut war, um ihn hinab zu stürzen. Aber er ging mitten durch sie hinweg!“ (Lukas 4,28-30) Jesus kam nie wieder zurück.


Sein Verhältnis zu Kapernaum verlief erfolgreicher. Hier stellte von Anfang an niemand Jesu Messianität in Frage.

Jesus kam immer wieder in diese Stadt am See Genezareth zurück, wenn er eine Pause einlegen wollte - mehrfach schreiben die vier Evangelisten darüber. Offenbar hatte er dort eine Unterkunft, und es ist naheliegend, dass es sich um das Haus seines Jüngers Simon Petrus handelte. Diesen Schluss lässt die Geschichte von der Heilung seiner Schwiegermutter zu. Die alte Frau war schwer an Fieber erkrankt: „Jesus trat zu ihr und gebot dem Fieber, und es verließ sie. Und sogleich stand sie auf und diente ihm.“ (Lukas 4,39) Und Jesus blieb als Gast im Hause, und er war wohl auch in Zukunft dort willkommen. Simon Petrus ließ zwar seine Familie zurück, als er sich Jesus anschloss und sein Jünger wurde, aber den Kontakt zu ihr brach er nie ab. Als Beweis für diese Annahme kann ein Satz gelten, den der Apostel Paulus in seinem Brief an die Korinther schrieb: „Haben wir nicht auch das Recht, eine Ehefrau mit uns zu führen wie die anderen Apostel und die Brüder des Herrn und Petrus?“ (1 Korintherbrief 9,5)

Die Heilung der Schwiegermutter von Simon Petrus sprach sich in Windeseile herum und hatte einen großen Aufruhr zur Folge: „Und als die Sonne untergegangen war, brachten alle ihre Kranken mit mancherlei Leiden zu ihm Und er legte die Hände auf einen jeden und machte sie gesund.“ (Lukas 4,40) Als die Nacht zu Ende ging, war Jesus erschöpft und ruhebedürftig: „Als es aber Tag wurde, ging er hinaus an eine einsame Stätte. Und das Volk suchte ihn, und sie kamen zu ihm und wollten ihn festhalten, damit er nicht von ihnen gehe. Aber er sprach zu ihnen: Ich muss auch den anderen Städten das Evangelium predigen vom Reich Gottes; denn dazu bin ich gesandt.“ (Lukas 4,42.43)

Was für ein Unterschied zu Nazareth! Dort wollte man Jesus endgültg loswerden, hier in Kapernaum wollte man ihn nicht gehen lassen! Der Glaube an die Messianität Jesu machte den Unterschied. Die weiteren Ereignisse gaben Kapernaum Recht: der gekreuzigte Jesus stand am dritten Tage von den Toten auf – nur der Messias konnte das vollbringen.

Als Jesus aus Nazareth verstoßen wurde, sagte er: „Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem Vaterland und in seinem Haus.“ (Matthäus 13,57) 

Umgelegt auf die heutige Zeit kann man sagen: Jesus gilt nirgends weniger als im christlichen Abendland. Der Glaube an ihn als den Messias existiert kaum noch. Könnte das zur Folge haben, dass Jesus sich von Europa genauso abwendet wie seinerzeit von Nazareth? Und was dann? Was soll aus unserer Gesellschaft ohne Jesus werden?

1 Kommentar:

  1. Ein sehr gelungener Beitrag mit einer wichtigen Botschaft. Die Frage am Ende sollten wir uns wirklich stellen- und ernst nehmen!

    AntwortenLöschen