Samstag, 30. November 2024


Das Feuer am Ende der Zeit

Viele Jahre waren inzwischen vergangen, seit Babylon seinem Imperium auch das kleine Königreich Juda einverleibt hatte. Als Konsequenz der militärischen Niederlage musste ein großer Teil der jüdischen Bevölkerung den Weg ins babylonische Exil antreten. Den Juden wurde Siedlungsgebiet zugewiesen, und die Menschen richteten sich ihr Leben in der neuen Heimat ein. Sie blieben bis auf weiteres unbehelligt. Einige von ihnen bekleideten höhere politische Ämter.

Drei von diesen Israeliten, Schadrach, Meschach und Abed-Nego, nahmen leitende Positionen ein und waren sehr angesehen. Gerade diese Prominenz wurde ihnen aber zum Verhängnis, als es König Nebukadnezar einfiel, einen neuen Kult einzuführen. Er „ließ ein goldenes Bild machen sechzig Ellen hoch und sechs Ellen breit und ließ es aufrichten in der Ebene Dura im Lande Babel.“ (Daniel 3,1) Aber das genügte dem König nicht, er forderte die Anbetung des neuen Götterbildes. Alle Bewohner Babylons hatten davor nieder zu fallen und auf den Knien ihre Verehrung zum Ausdruck zu bringen. Ausnahmen für Andersgläubige waren nicht vorgesehen: „Wer aber dann nicht niederfällt und anbetet, der soll sofort in den glühenden Ofen geworfen werden.“ (Daniel 3,6)

Schadrach, Meschach und Abed-Nego verweigerten den Kniefall, sie hielten an der Verehrung des einen einzigen Gottes Israels fest. Da sie in leitenden Positionen tätig waren, fiel ihr Ungehorsam sofort auf und wurde dem König gemeldet. Voll Zorn drohte ihnen Nebukadnezar mit der harten Bestrafung im Feuerofen. Aber die drei Israeliten ließen sich in ihrem Glauben nicht beirren: Da wurden diese Männer in ihren Mänteln, Hosen, Hüten, in ihrer ganzen Kleidung, gebunden und in den glühenden Ofen geworfen.“ (Daniel 3,21) Feuerflammen schlugen aus dem unerträglich heißen Ofen, ein grausamer Tod stand ihnen bevor, weil sie Glaubensstärke bewiesen hatten und deshalb dem Feuer überantwortet worden waren.

Das Feuer für die Ketzer – die Geschichte wird sich in Europa ab dem Spätmittelalter bis in den Barock hinein wiederholen. Sie sollen ihren Verrat am rechten Glauben auf dem Scheiterhaufen sühnen, das Feuer ihre Seele reinigen. Tausende wurden für ihre religiöse Überzeugung, wenn sie von den Herrschenden als Irrglaube eingestuft wurde, auf dem Pfahl zum Verbrennen angekettet – und sie starben im Feuer auch tatsächlich, qualvoll unter entsetzlichen Schmerzen. Nicht so wie Schadrach, Meschach und Abed-Nego, die unversehrt das Feuer verlassen konnten. Aber ihre Geschichte ist auch eine Märtyrerlegende, für die stets ein glücklicher Ausgang vorgesehen ist. Denn sie soll ein Lehrstück sein für fromme Menschen, die Stärke für ihren Glauben in der Bibel suchen. Ein Tatsachenbericht ist es nicht, wer ins Feuer gestoßen wird, stirbt darin auch.

Der beißende Rauch verbrannten Fleisches stieg von den Scheiterhaufen auf gen Himmel, aber er diente nicht dazu, Gott zu erfreuen. Das war früher der Fall, in der Antike, als auf Altären getötete Tiere, Räucherwerk und Feldfrüchte zur Verehrung einer Gottheit auf einem Altar verbrannt wurden. Die Menschen glaubten, dass der Herr den lieblichen Geruch roch“ (1 Mose 8,21a) und seine Freude hatte an dem Rauch, der tagtäglich zu ihm hoch stieg.

Warum hatte sich eigentlich im Altertum der kultische Brauch der Brandopfer entwickelt? War der Rauch der Grund, weil man überzeugt war, mit ihm Gott im Himmel zu erreichen? Das liegt nahe, denn in jener fernen Vergangenheit wussten die Menschen nichts vom unendlichen Weltall, die Erde galt als eine Scheibe, über der sich der blaue Himmel, die Wohnstatt Gottes, wölbte. Begründet auf dieser Weltsicht bauten die Menschen nicht nur Altäre für die Brandopfer, sondern auch Stufentempel, um ihrer Gottheit näher zu kommen. Wie die Geschichte von der Stimmenverwirrung beim Turmbau von Babel zeigt, nicht immer in Demut und Frömmigkeit.

Mit Jesus Christus endete die religiöse Praxis der Brandopfer. Er hat dies während seiner Zeit als Wanderprediger nie mitgemacht und in seinen Predigten die Menschen dazu aufgefordert, den Opferrauch durch Gebete zu ersetzen. Dadurch hat Jesus die persönliche Beziehung zu Gott an die Stelle der kultischen Routine, die man gedankenlos nach bestimmten Regeln abspulte, gestellt.

Darüber hinaus war das grundlegende Element in Jesu Predigten die Botschaft vom Reich Gottes, das verheißene Ziel, das ewige Leben im Himmelreich zu erlangen. Wer die Ewigkeit im Paradies verbringen darf, entscheidet sich beim Gericht Gottes nach dem Weltuntergang. Alle Menschen werden es nicht sein.

Zum besseren Verständnis erzählte Jesus den Menschen, die sich um ihn versammelt hatten, das Gleichnis vom Unkraut unter dem Weizen: Das Himmelreich gleicht einem Ackerbauern, der guten Samen auf seinen Acker säte. Als aber die Knechte schliefen, kam sein Feind und säte Unkraut zwischen den Weizen und ging davon. Als nun die Saat wuchs und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.“ (Matthäus 13,24-26) Die Knechte boten dem Bauern an, das Unkraut auszureißen, aber dieser fürchtete, dass dabei auch zu viel vom Weizen verloren gehen würde: „Lasst beides miteinander wachsen bis zur Ernte; und um die Erntezeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Bündel, damit man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheune.“ (Matthäus 13,30)

Der Messias ist der Ackerbauer, der den Menschen das Evangelium bringt - also den guten Samen sät. Nun ist es an den Menschen, die frohe Botschaft von der Liebe Gottes anzunehmen, ob sie Unkraut oder Weizen sein wollen. Die Ernte ist das Ende der Welt und jener Zeitpunkt, zu dem bei den Menschen die Guten von den Bösen getrennt werden: „Der Messias wird sammeln alles, was zum Abfall verführt hat und Unrecht getan hat; und diese werden in den Feuerofen geworfen werden; da wird sein Heulen und Zähneklappern.“ (Matthäus 13,41.42) Die Botschaft, die Jesus als Wanderprediger an die Menschenmenge in Galiläa gerichtet hat und die unverändert für uns heute gilt, lautet: im Diesseits wird kein Unterschied gemacht zwischen jenen Christen, die treu in der Nachfolge des Messias stehen, und jenen, die sich nur noch wenig oder gar nicht mehr für Jesus Christus interessieren und nicht mehr nach dem Evangelium leben. Mit einem sorglosen Leben wird Glaubenstreue erst im Paradies belohnt: „Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in meines Vaters Reich!“ (Matthäus 13,43)

Der Zeitpunkt der Apokalypse ist uns völlig unbekannt, allein Gott kennt ihn. Das Ende der Welt wird zwar für die Menschen überraschend einsetzen, aber nicht im Verborgenen passieren: Es wird des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; aber dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.“ (2. Petrusbrief 3,10) Gott der Schöpfer wird nach seinem Willen das, was er einst aus dem Nichts geschaffen hat, beenden, wenn er den richtigen Zeitpunkt gekommen sieht: So werden der Himmel, der jetzt ist, und die Erde durch dasselbe Wort aufgespart für das Feuer, bewahrt für den Tag des Gerichts und der Verdammnis der gottlosen Menschen.“ (2. Petrusbrief 3,7)

Entgegen der traditionellen Geschichten von der unerträglich heißen Hölle und dem Teufel und der ewigen Qual für die Sünder, steht es so nicht in der Bibel. In der Offenbarung des Johannes wird das höllische Feuer für die endgültige physische Vernichtung angekündigt und nicht für das ewige Leiden: „Und der Tod und sein Reich wurden geworfen in den feurigen Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl. Und wenn jemand nicht gefunden wird geschrieben in dem Buch des Lebens, der wird geworfen in den feurigen Pfuhl.“ (Offenbarung 20,14.15) Der feurige Pfuhl, der mit Feuer und Schwefel brennt“ (Offenbarung 21,8b), zerstört - wie jedes Flammenmeer in unserer bestehenden Welt - jene, die sich darin befinden. Dieses Ende kündigt der Hebräerbrief den mutwilligen Sündern an, für sie gibt es nur eine Perspektive: „nichts als ein schreckliches Warten auf das Gericht und das gierige Feuer, das die Widersacher verzehren wird.“ (Hebräerbrief 10,27)

Noch bewachen Engeln den Zugang zum Paradies, dem Reich Gottes: Und Gott trieb den Menschen hinaus und ließ lagern vor dem Garten Eden die Cherubim mit den flammenden, blitzenden Schwertern, zu bewachen den Weg zu dem Baum des Lebens.“ (1 Mose 3,24). Aber es wird der Tag kommen, an dem Jesus zurückkehren und die Apokalypse einleiten wird, wie er vor seiner Himmelfahrt angekündigt hat: Siehe, er kommt mit den Wolken, und es werden ihn sehen alle Augen“ (Offenbarung 1,7a) Und dann hält Gott Gericht über die Menschen: Und ich sah die Toten, groß und klein, stehen vor dem Thron Gottes, und Bücher wurden aufgetan, welches ist das Buch des Lebens. Und die Menschen werden gerichtet nach dem, was in den Büchern geschrieben steht, nach ihren Werken.“ (Offenbarung 20,12)

Gottes Maßstab für sein Urteil ist die Barmherzigkeit: Erhaltet euch in der Liebe Gottes, und wartet auf die Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus zum ewigen Leben.“ (Judasbrief, Vers 21) Jesus hat es bereits in der Bergpredigt verkündet: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen!“ (Matthäus 5,7) Das bedeutet, dass entscheidend dafür, wie nachsichtig oder hart Gott beim Jüngsten Gericht urteilen wird, ist, wie barmherzig ein Mensch mit seinen Mitmenschen umgegangen ist. Vergebung von Gott kann nur jener Sünder erlangen, der bereit war, seinen Schuldnern zu vergeben: Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.“ (Matthäus 6,14.15)

Wissend um diese Zukunft für die Schöpfung und die Geschöpfe Gottes gilt es, seinen Lebenswandel danach auszurichten: Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen, die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden. Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.“ (2. Petrusbrief 3,11-13)

Die Hoffnung auf die Gnade Gottes beim Endgericht, die man sich nicht durch Brandopfer auf dem Altar verdienen muss, hat Jesus Christus in die Welt gebracht. Er zeigt, dass Flammen nicht nur ein Symbol der Vernichtung sind, sondern auch des Lebens: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Johannes 8,12) Zu Weihnachten feiern die Christen das freudige Ereignis der Ankunft des Lichtes. Sie stellen mit Kerzen hell erleuchtete Nadelbäume auf als Symbol dafür, dass jetzt die Finsternis keinen Schrecken mehr hat. Das ist aber nur der erste Teil der Mission des Heilandes. Das Licht zur Geburt muss zur weit sichtbaren Flamme am Ende seines Wirkens werden, dem Weihnachtsfest muss der Karfreitag folgen, bevor die Gnade Gottes in der Welt wirksam werden kann: „Ich bin gekommen, ein Feuer anzuzünden auf Erde; was wollte ich lieber, als dass es schon brennte.“ (Lukas 12,49) Jesus muss durch sein Sühneopfer am Kreuz die Brandopfer am Altar ersetzen, um den Weg zur Vergebung Gottes frei zu machen.

Wenn jetzt Christen meinen, dass sie als Mitglieder der Kirche auf der sicheren Seite stehen und sie sich als Getaufte nicht weiter um das Evangelium bemühen müssen, schickt ihnen Jesus eine enttäuschende Botschaft. Er erinnert sie in aller Deutlichkeit daran, dass er seine echten Anhänger an ihren Früchten, d.h. an ihrem Lebenswandel entsprechend dem Evangelium, erkennt. „Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! in das Himmelreich kommen, sondern nur die, die den Willen tun meines Vaters im Himmel.“ (Matthäus 7,21) Die anderen wird Jesus am Ende der Zeit zurückweisen: „Ich habe euch noch nie gekannt, weicht von mir, ihr Übeltäter!“ (Matthäus 7,23)

Für diese Gruppe von Christen lässt Jesus keinen Zweifel daran, wohin sie ihr Weg nach dem Jüngsten Gericht führen wird: Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer, und sie müssen verbrennen.“ (Johannes 15,6) Es steht aber jedem frei umzukehren und wieder Jesus Christus in die Mitte seines Lebens zu stellen. Er ist jederzeit zur Vergebung bereit.


Samstag, 15. Juni 2024

 


Ehrfurcht vor Gott



D
ie Menschen waren sich zu jeder Zeit bewusst, dass es eine überirdische Macht gibt, die über sie bestimmt. In Demut wendet sich deshalb der Betende an den allmächtigen Gott, um sein Anliegen vorzubringen. Ich hebe meine Augen auf zu dir, der du im Himmel wohnst.“ (Psalm 123,1) Er ist sich seiner Unterlegenheit bewusst und tritt Gott mit Respekt entgegen: Dein Wort ist wahrhaftig und gewiss; Heiligkeit ist die Zierde deines Hauses, Herr, für alle Zeit.“ (Psalm 93,5Ohne Heiligkeit hört Gott auf, Gott zu sein. Denn sie schafft die Distanz zwischen dem Schöpfer der Welt und seinen Geschöpfen und macht die Hierarchie deutlich: Der Herr ist König, herrlich geschmückt! Der Herr ist umgürtet mit Kraft. Er hat den Erdkreis gegründet, dass er nicht wankt. Von Anbeginn steht dein Thron fest; du bist ewig.“ (Psalm 93,1.2)

Heiligkeit erfordert eine ehrfurchtsvolle Anrufung des allmächtigen göttlichen Wesens. Um ihren Gottheiten Ehrfurcht zu bezeigen und sie gnädig zu stimmen, machten ihnen die Menschen in der alten Zeit Geschenke in Form von Opfergaben. Dies war ein wesentliches Glaubenselement aller Religionen in der Antike, das aber in der Praxis unterschiedlich ausgeführt wurde. Die Gemeinsamkeit bestand darin, dass die Opferungen auf einem Altar dargebracht wurden. Diese Aufgabe fiel Priestern oder Priesterinnen zu, die sie im Rahmen einer rituellen Zeremonie für Einzelpersonen, für eine Gruppe oder weil ihre Religion regelmäßige Kulthandlungen erforderte, durchführten.

Auch die Religion der Israeliten kannte die Kulthandlung der Opferung auf einem Altar. Das Alte Testament berichtet in den Geschichtsbüchern, wie sich aus einfachen Steinen der Nomadenzeit die kultisch streng geregelten Opferaltäre im Jerusalemer Tempel entwickelten. Die Absicht blieb stets die gleiche: man wollte dem allmächtigen Gott Ehrfurcht erweisen.

Die erste Opferung, von der in der Bibel berichtet wird, ist die von Kain und Abel: Es begab sich nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.“ (1 Mose 4,3.4a) Die Brüder wollten sich bei Gott für gute Erträge bedanken. Bekanntlich ging die Aktion gründlich schief: Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.“ (1 Mose 4,4b.5a) 

Diese erste Geschichte einer Opferung zeigt bereits, worauf es Gott ankommt, nämlich auf die Gesinnung und nicht die Art des Opfers. Denn wie in den Gesetzestexten nachzulesen ist, kannten die Israeliten nicht nur Tieropfer: „Nun bringe ich die Erstlinge der Früchte des Landes, die du Herr, mir gegeben hast. - Und du sollst sie niederlegen vor dem Herrn, deinem Gott, und anbeten den Herrn, deinen Gott.“ (5 Mose 26,10) Dass Abel ein Schaf opferte und Kain Feldfrüchte, konnte also nicht der Grund dafür sein, dass Gott dem älteren Bruder zürnte.

Auch das zweite Opfer, von dem die Bibel berichtet, war ein Dankopfer. Noah dankte Gott nach überstandener Sintflut: Er aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch.“ (1 Mose 8,20.21a) Daraufhin gab der besänftigte Gott das Versprechen, dass er sich im Zorn nicht mehr dazu hinreißen lassen wird, die Erde zu verfluchen und alles zu erschlagen, was da lebt. 

Nicht bei allen Opferungen geht klar hervor, welchen tieferen Sinn sie haben. Nach dem Auftrag Gottes in ein neues Land zu ziehen, weg von seiner Familie in Haran, errichtete Abraham in Kanaan Altäre, um Gott anzubeten. Was er opferte, wird nicht gesagt. Als Nomade zog Abraham durch seine neue Heimat, und wo er anhielt, errichtete er einen Altar, zuerst in Sichem, dann in Bethel „und rief den Namen des Herrn an.“ (1 Mose 12,8bJakob folgte dem Beispiel seines Großvaters und baute ebenfalls Altäre dort, wo er sich niederließ. In der Nähe von Sichem kaufte er sogar Land um 100 Goldstücke und „errichtete dort einen Altar und nannte ihn ‚Gott ist der Gott Israels‘.“ (1 Mose 33,20) 

Wie die Altäre der Erzväter aussahen, erfahren wir nicht. Wahrscheinlich haben sie Steine aufgeschichtet oder vorhandene große Felsblöcke genutzt.

Das änderte sich mit der Errichtung der Stiftshütte, die die Israeliten auf ihrem Zug durch die Wüste Sinai zur Verehrung Gottes aufbauten. Sie bestand aus mehreren Räumen mit unterschiedlichen kultischen Bedeutungen. Nach diesem Vorbild wird König Salomo später den Tempel auf dem Berg Zion errichten. Es gab 2 Altäre: im Vorhof stand der Brandopfer-Altar („eherner Altar“), auf dem die Tiere getötet und ihr Fleisch und Fett verbrannt wurden; im anschließenden Heiligtum stand der Räucheropfer-Altar, von dem duftender Rauch aufstieg.

Das „Heilige“ war ein durch einen Vorhang vom Vorhof abgetrennter Raum, den nur die Priester betreten durften. Darin standen drei Kultgegenstände: der Goldene Altar für das Räucheropfer, der 7armige Leuchter und der Tisch mit den Schaubroten. Für den Räucheropfer-Altar gab es strenge Vorschriften: „Ihr sollt kein fremdes Räucherwerk darauf tun, auch kein Brandopfer, Speiseopfer oder Trankopfer darauf opfern.“ (2 Mose 30,9) Zudem musste dieses Räucherwerk, das nur für die Ehrung Gottes bestimmt war, einzigartig sein: Und der Herr sprach zu Mose: Nimm dir Spezereien: Balsam und reinen Weihrauch, vom einen soviel wie vom anderen, und mache Räucherwerk daraus, gemengt nach der Kunst des Salbenbereiters, gesalzen, rein, zum heiligen Gebrauch.“ (2 Mose 30,34.35) Solche Duftmischung durfte nur als dem Herrn geheiligt dienen, niemand durfte sich privat an diesem Geruch erfreuen. Die Ehrfurcht vor der Göttlichkeit erforderte Exklusivität.


Das Christentum ging von Anfang an einen eigenen Weg, der sich grundlegend von den anderen Religionen des Altertums unterschied. Es gab und gibt bis heute zwar auch in einer christlichen Kirche einen Altar, dem aber eine andere Bedeutung zukommt. Die Christen verwenden den Altar nicht zum Opfern, aber er steht als zentraler Kultgegenstand im vorderen Teil des Kirchenraumes, und auf ihn sind im Rahmen eines Gottesdienstes die Augen der Gläubigen gerichtet. Auf dem Altar liegt in der Mitte die Bibel, das Wort Gottes, aus der im Verlauf der Liturgie vorgelesen wird. Links und rechts davon schmücken Kerzen und Blumen die Tischfläche, die mit einem Tuch in der jeweiligen Farbe des Kirchenjahres abgedeckt ist. Wenn das Heilige Abendmahl während des Gottesdienstes gefeiert wird, sind zudem die Schale mit den Hostien und der Kelch mit dem Wein auf den Altar gestellt, um den sich die Gemeindemitglieder zum Empfang des Sakraments versammeln.

Durch seinen Opfertod am Kreuz hat Jesus eine neue Frömmigkeit begründet, die allein auf Gesinnung und Glaube aufbaut und keine materiellen Gaben an Gott benötigt: So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott!“ (Hebräerbrief 13,15.16) Jesus Christus hat durch sein Blutopfer am Kreuz stellvertretend für die Sünder, die wir Menschen sind, weitere Opfer überflüssig gemacht: Und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.“ (Epheserbrief 5,2) Durch welches Opfer könnte man den Tod Jesu am Kreuz übertreffen

Durch keines: Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.“ (1 Johannesbrief 2,2) Der Messias, der Sohn Gottes, hat sich selbst als Opfer dargebracht: Nach Gottes Willen sind wir angenommen ein für allemal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi.“ (Hebräerbrief 10,10) Mit dieser einzigartigen Tat in der Geschichte der Religionen war der Weg frei gemacht für eine Ehrfurcht vor Gott, die ohne Vorleistung durch Altar-Opferungen die göttliche Vergebung ermöglicht: Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt hat seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ (1 Johannesbrief 4,9.10)

Aber noch einmal sollte das junge Christentum große Probleme mit Götter-Opfern bekommen. Der christliche Glaube breitete sich zur Glanzzeit des Römischen Reiches hoffnungsvoll aus. Das Imperium stand mächtig und wohlhabend da und sah in der kleinen christlichen Gemeinde keine Bedrohung. Aber im 3. Jahrhundert verschlechterte sich die politische Lage dramatisch und wurde instabil. Kaiser Decius machte als einen der Gründe für diesen Niedergang aus, dass die römische Bevölkerung ihren Göttern untreu geworden war. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, erließ Decius 251 n. Chr. ein „Opferedikt“: jeder Bewohner des Reiches musste 1x im Jahr einem vergöttlichten Kaiser ein Opfer am Altar darbringen und sich als Beweis eine schriftliche Bestätigung ausstellen lassen. Eine Verweigerung wurde streng bestraft, meistens mit der Hinrichtung. Das Opferedikt des Decius führte zu einer in erster Linie gegen die Christen gerichtete Verfolgung, denn ihr Glaube an den einzigen Gott verbot es ihnen, anderen Gottheiten die Ehre am Altar zu erweisen: Wer den Göttern opfert und nicht dem Herrn allein, der soll dem Bann verfallen.“ (2 Mose 22,19)

Kaiser Decius stellte mit seinem Edikt die junge Kirche auf eine harte Probe. Obwohl viele Christen aus Todesangst die geforderte Opferung durchführten, zeigte sich letztendlich der Glaube an Jesus Christus als so tragfähig, dass er sich allen Bedrohungen zum Trotz weiter ausbreitete. Der Aufruf des Apostels Paulus rund 200 Jahre früher hatte in der Bedrängnis geholfen: Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark! Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ (1 Korintherbrief 16,13.14) Die Zeit der Götter-Opfer im Römischen Reich war abgelaufen, als Kaiser Theodosius I. das Christentum im Jahre 381 zur Staatsreligion erhob. Die Tempel mit ihren Altären wurden für immer geschlossen.

Jesus Christus hat es beendet, sich durch ständig neue Opferungen Gottes Zuwendung verdienen zu müssen: Wo aber Vergebung der Sünden ist, da geschieht kein Opfer mehr für die Vergebung der Sünde.“ (Hebräerbrief 10,18) Die Befreiung vom Opferdienst bedeutet aber nicht, dass es für Christen nicht mehr gilt, Gott in Ehrfurcht zu begegnen - er ist die Heiligkeit: „Alle aber miteinander haltet fest an der Demut; denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.“ (1 Petrusbrief 5,5b.6) Gott wird die, die ihre Knie in Ehrfurcht von seiner Heiligkeit beugen, nach dem Gericht in sein Himmelreich aufnehmen.