Herbstzeit
– Ernte(dank)zeit
Golden
senkt sich der Herbst über das Land. Die Nächte werden kühler und
die Natur richtet sich auf ihren Winterschlaf ein. Noch ruht die
Arbeit auf den Äckern und in den Gärten nicht. Die letzte Ernte vor
der kalten Jahreszeit hat begonnen, und die Bauern bringen die spät
gereiften Früchte von den Bäumen und Weinstöcken ein. Erst wenn
alles Obst abgeerntet und in den Kellern eingelagert ist, kann die
Landwirtschaft bis zum Frühjahr auf den Feldern eine Pause machen.
Jetzt
kann Resümee gezogen werden: War es ein gutes Jahr? Hat sich die
Plackerei gelohnt? Oder wird die Ernte Mensch und Vieh nur knapp über
den Winter bringen?
Bis
zur Erfindung der elektrischen Kühlgeräte hing das Überleben der
Menschen in jedem Jahr von Neuem davon ab, dass die Ernte im Sommer
und Frühherbst reichlich ausfiel.
Wie
schwerwiegend Ernteausfälle sein konnten, zeigen die Vorkommnisse im
14. Jahrhundert, als Europa eine kleine Eiszeit erlitt: die
Temperaturen sanken; außerordentlich strenge, eisige Winter und
nasse Sommer belasteten besonders Landbevölkerung und städtische
Unterschicht.
Die
Ernten misslangen über einen langen Zeitraum, die Scheunen blieben
leer. Den Bauern fehlte nicht nur die Nahrung, sondern auch das
Saatgut für das nächste Frühjahr. Als das Wetter noch schlechter
wurde, suchten schwere Hungersnöte Europa heim. Viele Menschen
starben an Unterernährung und Erschöpfung. Die grassierende Pest
dezimierte Europas Bevölkerung zusätzlich.
Es waren belastende
Zeiten, und die Menschen suchten nach Schuldigen. Sie fanden sie in
den „Zauberern“, und der Hexenwahn mit seinen tausenden Opfern
auf den Scheiterhaufen nahm seinen Lauf.
Die
Angst vor Missernten und Hungersnöten belastet die Menschen seit der
Sesshaftwerdung in der Jungsteinzeit. Die himmlischen Mächte um eine
gute Ernte zu bitten, war deshalb wichtiger Bestandteil bäuerlichen
Lebens. Meist verbrannte man die besten Feldfrüchte als Dankopfer
auf einem Steinaltar und verband die sakralen Rituale mit fröhlichen
Festlichkeiten.
Diese
Erntedankfeste gehören zu den ältesten religiösen Feiern und
wurden in sehr vielen alten Kulturen begangen. In vorchristlicher
Zeit fanden Feste zugunsten antiker Fruchtbarkeitsgötter statt, um
durch Opferungen die Gottheiten
hilfreich zu stimmen.
Das
Judentum kennt zwei Erntedankfeste: das Laubhüttenfest „Sukkoth“
im Herbst zur Erntezeit in den Weinbergen und Obstgärten und das
Wochenfest „Schawuot“ im Frühjahr am Ende der Getreideernte.
Die
evangelische Kirche feiert das Erntedankfest am 1. Sonntag im
Oktober, die römisch-katholische auch entweder an diesem Tag
oder am letzten Sonntag im September.
Die
Christen zeigen ihre Dankbarkeit für ein erfolgreiches Erntejahr,
indem sie Erntegaben am Altar in der Kirche darbringen, allerdings
nicht mehr in Form einer Opferung, sondern indem sie den Altar mit
Garten- und Feldfrüchten reichlich schmücken.
Mit ihren
freiwilligen Gaben bezeugen die Gläubigen, dass Gott der Schöpfer
aller Fruchtbarkeit ist, und wir seinem Segen unser tägliches Brot
verdanken. Und um zu zeigen, dass es in der christlichen Kirche, der
Gemeinschaft der Gottes- und Bruderliebe, keine Hungernden geben
soll, werden nach dem Gottesdienst die Lebensmittel einer
diakonischen Einrichtung überreicht.
Wir
wiegen uns heute in Sicherheit mit unserer modernen Technologie und
glauben, gegen Hungersnöte gefeit zu sein. Wenn wir in die
Supermärkte gehen, finden wir auch Waren in Hülle und Fülle vor
und sehen uns bestätigt. Wie schnell sich der Überfluss allerdings
zu einem Trugbild wandeln kann, zeigt sich, wenn Naturkatastrophen
und Kriege über uns hereinbrechen und unsere heile Welt zerstören.
Erdbeben,
Überschwemmungen, Taifune, Dürre, Erdrutsche sowie bewaffnete
Auseinandersetzungen gibt es in unserer Zeit zur Genüge, wie wir
täglich aus den Nachrichten erfahren. Und sie betreffen nicht nur
immer „die anderen“. Wir können uns also in unserem Wohlstand
keineswegs in Sicherheit wiegen.
Erntedank
ist Respekt vor der Natur und den Naturgewalten, denen die Menschen
auch in der modernen Zeit hilflos ausgeliefert sind, und es ist das
Akzeptieren, dass der Mensch die Schöpfung nicht unter Kontrolle hat
und auf Gottes Hilfe angewiesen bleibt.
Es ist
deshalb angebracht, die Bitte im Vaterunser “Unser tägliches
Brot gib uns heute“ ernst zu nehmen und Gott dafür zu danken,
dass er uns satt werden lässt. Nicht nur, wenn in der Kirche das
Erntedankfest gefeiert wird, sondern tagtäglich, z.B. in Form eines
Tischgebets.
Damals war das eine schwere Zeit, das muss man sich manchmal vor Augen führen, um das Wert zu schätzen, was wir heutzutage haben.
AntwortenLöschenIch finde es gut, wenn man zu einer bestimmten Zeit Gott dankt für das Essen was wir haben- es war ja auch schon mal anders.