Dienstag, 20. Oktober 2015


Herbstzeit – Ernte(dank)zeit

Golden senkt sich der Herbst über das Land. Die Nächte werden kühler und die Natur richtet sich auf ihren Winterschlaf ein. Noch ruht die Arbeit auf den Äckern und in den Gärten nicht. Die letzte Ernte vor der kalten Jahreszeit hat begonnen, und die Bauern bringen die spät gereiften Früchte von den Bäumen und Weinstöcken ein. Erst wenn alles Obst abgeerntet und in den Kellern eingelagert ist, kann die Landwirtschaft bis zum Frühjahr auf den Feldern eine Pause machen.
Jetzt kann Resümee gezogen werden: War es ein gutes Jahr? Hat sich die Plackerei gelohnt? Oder wird die Ernte Mensch und Vieh nur knapp über den Winter bringen?

Bis zur Erfindung der elektrischen Kühlgeräte hing das Überleben der Menschen in jedem Jahr von Neuem davon ab, dass die Ernte im Sommer und Frühherbst reichlich ausfiel.

Wie schwerwiegend Ernteausfälle sein konnten, zeigen die Vorkommnisse im 14. Jahrhundert, als Europa eine kleine Eiszeit erlitt: die Temperaturen sanken; außerordentlich strenge, eisige Winter und nasse Sommer belasteten besonders Landbevölkerung und städtische Unterschicht.
Die Ernten misslangen über einen langen Zeitraum, die Scheunen blieben leer. Den Bauern fehlte nicht nur die Nahrung, sondern auch das Saatgut für das nächste Frühjahr. Als das Wetter noch schlechter wurde, suchten schwere Hungersnöte Europa heim. Viele Menschen starben an Unterernährung und Erschöpfung. Die grassierende Pest dezimierte Europas Bevölkerung zusätzlich. 
Es waren belastende Zeiten, und die Menschen suchten nach Schuldigen. Sie fanden sie in den „Zauberern“, und der Hexenwahn mit seinen tausenden Opfern auf den Scheiterhaufen nahm seinen Lauf.


Die Angst vor Missernten und Hungersnöten belastet die Menschen seit der Sesshaftwerdung in der Jungsteinzeit. Die himmlischen Mächte um eine gute Ernte zu bitten, war deshalb wichtiger Bestandteil bäuerlichen Lebens. Meist verbrannte man die besten Feldfrüchte als Dankopfer auf einem Steinaltar und verband die sakralen Rituale mit fröhlichen Festlichkeiten.
Diese Erntedankfeste gehören zu den ältesten religiösen Feiern und wurden in sehr vielen alten Kulturen begangen. In vorchristlicher Zeit fanden Feste zugunsten antiker Fruchtbarkeitsgötter statt, um durch Opferungen die Gottheiten hilfreich zu stimmen.
Das Judentum kennt zwei Erntedankfeste: das Laubhüttenfest „Sukkoth“ im Herbst zur Erntezeit in den Weinbergen und Obstgärten und das Wochenfest „Schawuot“ im Frühjahr am Ende der Getreideernte.
Die evangelische Kirche feiert das Erntedankfest am 1. Sonntag im Oktober, die römisch-katholische auch entweder an diesem Tag oder am letzten Sonntag im September.
Die Christen zeigen ihre Dankbarkeit für ein erfolgreiches Erntejahr, indem sie Erntegaben am Altar in der Kirche darbringen, allerdings nicht mehr in Form einer Opferung, sondern indem sie den Altar mit Garten- und Feldfrüchten reichlich schmücken. 
Mit ihren freiwilligen Gaben bezeugen die Gläubigen, dass Gott der Schöpfer aller Fruchtbarkeit ist, und wir seinem Segen unser tägliches Brot verdanken. Und um zu zeigen, dass es in der christlichen Kirche, der Gemeinschaft der Gottes- und Bruderliebe, keine Hungernden geben soll, werden nach dem Gottesdienst die Lebensmittel einer diakonischen Einrichtung überreicht.

Wir wiegen uns heute in Sicherheit mit unserer modernen Technologie und glauben, gegen Hungersnöte gefeit zu sein. Wenn wir in die Supermärkte gehen, finden wir auch Waren in Hülle und Fülle vor und sehen uns bestätigt. Wie schnell sich der Überfluss allerdings zu einem Trugbild wandeln kann, zeigt sich, wenn Naturkatastrophen und Kriege über uns hereinbrechen und unsere heile Welt zerstören.
Erdbeben, Überschwemmungen, Taifune, Dürre, Erdrutsche sowie bewaffnete Auseinandersetzungen gibt es in unserer Zeit zur Genüge, wie wir täglich aus den Nachrichten erfahren. Und sie betreffen nicht nur immer „die anderen“. Wir können uns also in unserem Wohlstand keineswegs in Sicherheit wiegen.



Erntedank ist Respekt vor der Natur und den Naturgewalten, denen die Menschen auch in der modernen Zeit hilflos ausgeliefert sind, und es ist das Akzeptieren, dass der Mensch die Schöpfung nicht unter Kontrolle hat und auf Gottes Hilfe angewiesen bleibt.
Es ist deshalb angebracht, die Bitte im Vaterunser “Unser tägliches Brot gib uns heute“ ernst zu nehmen und Gott dafür zu danken, dass er uns satt werden lässt. Nicht nur, wenn in der Kirche das Erntedankfest gefeiert wird, sondern tagtäglich, z.B. in Form eines Tischgebets.





1 Kommentar:

  1. Damals war das eine schwere Zeit, das muss man sich manchmal vor Augen führen, um das Wert zu schätzen, was wir heutzutage haben.
    Ich finde es gut, wenn man zu einer bestimmten Zeit Gott dankt für das Essen was wir haben- es war ja auch schon mal anders.

    AntwortenLöschen