Das
Gleichnis vom Fischnetz
(Matthäus
13,47-50)
Der
See Genezareth war für die Wirtschaft Galiläas von zentraler
Bedeutung. Der fischreiche Süßwassersee gab einem großen Teil der
Bevölkerung Nahrung und Arbeit und verhalf den Menschen zu einem
guten Auskommen. Er förderte ein mildes, feuchtes Klima, das den
Bauern fruchtbare Ackerböden und Weingärten bescherte – im
Gegensatz zu den trockenen Wüstengebieten im südlich gelegenen
Judäa.
Der See Genezareth versorgte zudem Mensch und Tier mit
reichlich Trinkwasser und war somit das wichtigste Siedlungsgebiet in
Galiläa.
Deshalb
ist es nicht überraschend, dass der See Genezareth beim öffentlichen
Auftreten von Jesus eine sehr wichtige Rolle spielte. Der Prediger
aus Nazareth, aus einem Ort, der weit ab von den Ufern im
Landesinneren lag, wanderte zwischen den Ortschaften rund um den See
herum und überquerte ihn auch mehrmals. Einige seiner Jünger waren
von Beruf Fischer, als sie sich dem Rabbi anschlossen. Ihre
Berufungsgeschichten geben uns einen Einblick in das Arbeitsleben
jener, die damals mit Fischfang ihren Lebensunterhalt verdienten.
Simon Petrus und sein Bruder Andreas waren gerade dabei, ihre Netze
auszuwerfen, und die Zebedäus-Brüder saßen mit ihrem Vater im Boot
und flickten die Netze, als Jesus sie in die Nachfolge rief „Und
er sprach
zu ihnen: Folgt mir nach, ich will euch zu Menschenfischern machen!“
(Matthäus 4,19)
Es
gehörte zu Jesu Stilmitteln in seinen Predigten, dass er Beispiele
aus der Lebenswelt seiner Zuhörer nahm, um ihnen die Bedeutung des
Reiches Gottes zu erklären. So konnte es nicht ausbleiben, dass zu
den Bildern aus der Landwirtschaft auch solche aus dem Fischerleben
dazu kamen: „Wiederum gleicht das Himmelreich
einem Netz, das ins Meer geworfen ist und Fische aller Art fängt.
Wenn es aber voll ist, ziehen sie es heraus an das Ufer, setzen sich
und lesen die guten in Gefäße zusammen, aber die schlechten werfen
sie weg.“ (Matthäus 13,47.48)
Ohne
Zweifel sind die Aussagen von Jesus über das Himmelreich ewig
gültige Wahrheiten des christlichen Glaubens - unabhängig von Zeit
und Kultur. Das Evangelium, das Jesus vor ca. 2000 Jahren in Galiläa
verkündet hat, ist auch für uns heute bindend und hat nichts von
seiner Aktualität verloren. Anders verhält es sich dagegen mit den
Bildern aus der Lebenswelt seiner Zuhörer, weil die sich seit damals
tiefgreifend verändert hat. Probleme, die die Bewohner Galiläas
damals hatten, gelten für uns heute, die wir in einer
hochtechnisierten, globalisierten Welt leben, nicht mehr. Dafür
haben sich andere, neue ergeben.
Besonders
der Klimawandel mit seinen schwerwiegenden Auswirkungen auf die Natur
und die damit verbundene Ernährungslage stellen uns vor gewaltige
Herausforderungen. Das Problem, das wir heute zu lösen haben, heißt:
wenn wir mit der Zerstörung und Ausbeutung der Natur in dieser
gewinnsüchtigen Rücksichtslosigkeit fortfahren, wird sich ein
dramatischer Versorgungsengpass für die Menschheit einstellen.
Deshalb
stellt uns das Gleichnis vom Fischnetz vor ein Dilemma. Denn es geht
Jesus nur um die Bedeutung des Reiches Gottes in dieser Geschichte,
und er nimmt eben zur Erklärung ein unverfängliches Bild aus dem
normalen Alltag seiner Mitmenschen. Ihm geht es in keiner Weise um
Kritik am Verhalten der
Fischer. Es war eben damals durch den Überflusss eines fischreichen
Sees kein Problem, nur die Fische zu behalten, die man mit Gewinn
verkaufen konnte. Heute aber
in einer Zeit der ökologischen Krise liest
man dieses Gleichnis mit anderen Augen.
Im
Grunde genommen haben wir heute
keine „schlechten
Fische“ mehr, die wir aussortieren können. Überschusswaren
aus der Natur sind längst verbraucht, da
die Menschheit
über ihre natürlichen Verhältnisse lebt und weiterhin so tut,
als wären die Ressourcen
der Erde unbegrenzt. Die
Realität dagegen sieht derzeit nach einer
Entwicklung Richtung Mangelware
aus. Die Meere
leeren sich durch
Überfischung, Überdüngung und Verschmutzung. Bald wird es mehr
Plastikmüll in den Ozeanen geben als Tiere.
Und
eine Alternative für Fischliebhaber werden zunehmend auch unsere
Flüsse nicht bieten. Die langen Hitzeperioden ohne Regen lassen die
Pegel in den Bächen drastisch sinken und die Temperaturen im Wasser
steigen. Die Folge sind tausende
verendete Fische, die bei diesen Bedingungen nicht überleben können.
Und das ist erst der
Anfang, denn die Erderwärmung schreitet
schneller voran als uns
lieb sein kann.
Die
Aufteilung in „gute und schlechte“ Fische löst also
in Zeiten, in denen
immer mehr Menschen gegen das weltweite Artensterben ankämpfen und
jeder Fisch „gut“ ist,
Unverständnis aus. Aber ist das ein berechtigtes Argument, gleich
die Bibel wegzulegen und zu sagen, das ist alles nur veraltetes Zeug,
das uns heute nicht mehr
betrifft?
Ich
würde sagen, nein, keinesfalls. Denn entscheidend ist, dass das
Evangelium als frohe
Botschaft, die
Jesus verkündete, heute genauso aktuell ist wie damals, egal mit
welchem Bild Jesus sie
den Menschen näher gebracht hat. Da er heute eine andere Lebenswelt
vorfinden würde, bin ich sicher, er würde auch andere Bilder
wählen. Doch die religiöse Grundaussage des Gleichnisses bleibt die
gleiche: so wie nicht jeder Fisch ins gute Gefäß kommt, so kommt nicht jeder Mensch ins Paradies: „So
wird es auch am Ende der Welt gehen: die Engel werden ausgehen und
die Bösen von den Gerechten scheiden und werden sie in den Feuerofen
werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.“ (Matthäus
13,49.50) Das ist hart und macht natürlich jedem Christen Angst.
Jesus legt damit die Latte für uns hoch: wer kann vor Gottes Gericht
bestehen? Jesus gibt uns aber auch sogleich wieder Hoffnung auf die
Gnade Gottes: „Richtet nicht, damit ihr nicht
gerichtet werdet. Denn nach welchem Recht ihr richtet, werdet ihr am
Ende der Zeit gerichtet werden; und mit welchem Maß ihr messt, wird
Gott euch messen.“ (Matthäus 7,1.2) Wer also seinem
Nächsten mit Barmherzigkeit begegnet, kann selbst auch auf die
Vergebung eines barmherzigen Gottes beim Jüngsten Gericht hoffen und
ins Paradies eingehen: „Selig sind die
Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.“
(Matthäus 5,7) Nicht die Selbstgerechten und Hartherzigen finden
Gnade vor Gott, sondern die Vergebungsbereiten und Nachsichtigen.
Damals,
zur Zeit Jesu, kannten die Menschen weder Umwelt- noch Tierschutz. Da
keine Arten vom Aussterben bedroht waren, gab es keine Notwendigkeit
dafür. Auch galten Tiere als reine Nutztiere, um die man sich
kümmerte und die man gut versorgte, weil sie für Bauern und Viehzüchter
die Existenzgrundlage
darstellten. Das gilt
allerdings in erster Linie auch heute noch als Grund für die Haltung
von Tieren. Doch
artgerecht ist sie meist
nicht, weil die Gier nach noch
größerem Gewinn das
Leid der
Tiere bewusst in Kauf
nimmt.
Wenn Jesus also
heute als Wanderprediger auftreten würde, könnte
er hier sein Beispiel finden und zwischen „guten Tierfreunden“
und „schlechten Tierquälern“ unterscheiden und aus den Sprüchen zitieren:
„Der
Fromme erbarmt sich seines Tieres; aber das Herz der Gottlosen ist
unbarmherzig.“
(Sprüche 12,10)
ein sehr interessanter Beitrag! Es ist toll, dass er in die heutige Zeit einbezogen wird, denn das denke ich, ist sehr wichtig :)
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